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Kommentar zum Plattformvorschlag von Hermann Kopp

17. Juni 2002

Wien, 10. Juni 2002, Antiimperialistische Koordination

Liebe Freundinnen und Freunde der Palästina-Solidarität!

Wir haben den Plattformentwurf von Hermann Kopp vom 4. Juni 2002 gelesen und finden ihn über weite Strecken sehr gut. Er nennt die Besatzer beim Namen und stellt sich klar auf die Seite der Palästinenser. Dennoch glauben wir, dass er einen strategischen Fehler enthält, der dem enormen Druck geschuldet ist, dem wir hier in Europa und besonders in den deutschsprachigen Ländern ausgesetzt sind:

Es ist die zu starke Bezugnahme und Hoffung auf die Rolle der israelischen Bevölkerung und ihrer Friedensbewegung zur Lösung des Konflikts enthalten. Es mag stimmen, dass die Mehrheit der Israelis ein Ende der Auseinandersetzungen wünscht und dazu eventuell auch einen palästinensischen Staat akzeptieren würde. Doch das entscheidende Faktum bleibt, dass sie keine Gleichberechtigung, sondern ihre kolonialen Privilegien erhalten wollen. Ein palästinensischer Staat in Form von Bantustans soll der entgültigen und internationalen Sanktionierung der Unterwerfung der Araber dienen, während die strategische Vorherrschaft Israels sowie dessen Struktur als Apartheidstaat erhalten werden soll. So wie in allen kolonialen Regimen, profitieren die Siedler nicht nur davon, sondern sie haben ihr ganzes Schicksal an den kolonialen Charakter des Staates gebunden. Für das zionistische Establishment und vor allem den militärisch-industriellen Komplex in den USA, der Israel als strategisches Instrument im Nahen Osten betrachtet, gilt das natürlich noch viel mehr.

Das führt uns direkt zu der heißen Frage des Existenzrechts Israels. Israel ist strukturell weder zum Frieden noch zur Überwindung der Apartheid fähig. Das elementarste demokratische Recht, nämlich das auf Rückkehr, würde auf einen Schlag die Kolonialbevölkerung in die Minderheit bringen und den Charakter des Staates als exklusiv jüdischer Staat in Frage stellen. Es ist bezeichnend, dass die ganz einfache Forderung nach einem demokratischen Staat in Israel eine extreme Minderheitenposition ist. Die koloniale Apartheid in Form des exklusiv jüdischen ist unantastbarer Konsens. Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben: Frieden wird es erst geben, wenn in ganz Palästina ein demokratischer Staat für alle dort lebenden Menschen errichtet wird und dieser sich von den USA bzw. den westlichen Interessen überhaupt löst. Das ist im übrigen auch die einzig mögliche Sicherung jüdischer Existenz in der Region.

Der Zionismus ist nicht die Lösung der jüdischen Tragödie, sondern ihre Fortsetzung, sowie Israel letztlich kein Schutz für die Juden ist.

Aber uns ist sehr wohl klar, dass wir uns mit dieser Position für einen demokratischen Staat extrem isolieren und ein Bündnis mit denjenigen Kräften, die die Palästinenser zwar unterstützen, jedoch wider alle historischen Erfahrungen auf die Kraft eines Kompromisses hoffen, verbauen. Darum schlagen wir vor, diese Frage im Aufruf offen zu lassen und so die Koexistenz radikaler und weniger radikaler Positionen in einer Plattform zu ermöglichen. Konkret heißt das, die Referenz zu Israel und seiner Friedensbewegung zu entfernen und die vier historischen Forderungen des palästinensischen Widerstands ohne Änderungen zu unterstützen:

* Sofortiger Rückzug aus den 67 besetzen Gebieten
* Abbau aller israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten
* Bedingungsloses Rückkehrrecht aller Vertriebenen
* Für einen souveränen palästinensischen Staat in Gaza und Westjordanland mit der Hauptstadt Jerusalem

Man sollte aber auch auf den eigentlichen Sinn der israelischen Aggression vom Frühjahr eingehen, nämlich die radikalen Kräfte zu eliminieren und die Führung zur Unterschrift unter ein Bantustan-Abkommen zu zwingen. Das ist heute die reale Gefahr. Denn die radikalen Kräfte können zwar noch Selbstmordanschläge durchführen, aber ob sie nach dem Massaker von Dschenin noch die politische Kraft haben, eine Kapitulation der unter extremen Druck stehenden Führung zu verhindern, ist zumindest offen. Wenn das passieren sollte, dann ist auch unsere Solidaritätsbewegung zumindest so mausetot, wie sie es nach Oslo war. Darum sollte man eine sinngemäße Forderung aufstellen:

* Nein zu jedem Bantustan-Abkommen

Das wichtigste ist, dass der palästinensische Widerstand weitergeht, wenn es sein muss auch ein weiteres halbes Jahrhundert. Real gesehen ist eine Lösung erst mit dem Zusammenbruch oder zumindest der Spaltung der von der USA geführten Neuen Weltordnung möglich.

Antiimperialistische Koordination
Wien
Duisburg
Jena

P.S.: Wir legen diese Position einmal zur Diskussion vor. Entsprechend den Beiträgen werden wir einen veränderten Text vorlegen.

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