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Ungewisser Ausgang eines Präventivschlages gegen den Irak

17. Juni 2002

Resolution der Internationalen Leninistischen Strömung

Ein US-Angriff würde die monopolare Weltordnung einer schweren Prüfung unterziehen

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Der Irak ist eines der letzten verbliebenen arabischen nationalistischen Regime. Trotz seinem reaktionären Angriff auf den Iran der den imperialistischen Interessen nutzte, und seiner Bereitschaft in den 80er Jahren, sich entsprechend dem von der US-Strategie der „doppelten Eindämmung“ vorgegebenem Muster zu verhalten, war es nicht dazu bereit, sich dem Imperialismus gänzlich unterzuordnen. Das zeigte sich sowohl durch die Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols auf die Ölproduktion, als auch durch den Angriff auf Kuwait. Die großen Gas- und Ölreserven des Iraks, kombiniert mit nationaler Unabhängigkeit, stellen eine bedeutende politische und militärische Bedrohung für die imperialistische Architektur in der ganzen Region dar, welche für den Imperialismus nicht nur wegen der Ölreserven von strategischer Bedeutung ist. Die USA wollen den Sturz des baathistischen Regimes von Saddam Hussein um:

* die Ölressourcen des Iraks zu kontrollieren
* sein militärisches Potential zu zerstören
* die US-Kontrolle über die Golfstaaten und die wichtigsten imperialistischen Marionettenregierungen zu sichern
* jede arabische Opposition gegen die zionistische Besetzung Palästinas auszulöschen

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Das gegenwärtige Säbelrasseln, und die offensichtlichen Kriegsvorbereitungen sind auf keine speziellen, den Irak betreffenden, Umstände zurückzuführen. Sie stellen vielmehr den präventiven Versuch der USA dar, sich auf eine verschärfte Krise im Nahen Osten vorzubereiten, die sich bereits durch Tumulte, Volkswiderstand und Rebellionen ankündigt. Die starke Unterstützung der arabischen Öffentlichkeit für das palästinensische Volk, die Radikalisierung der islamischen Bewegung und das wachsende Unbehagen über die US-Präsenz auf der arabischen Halbinsel sind nur erste Anzeichen. Als Folge der Anschläge des 11. Septembers haben die USA einen permanenten präventiven Krieg ausgerufen, der sich gegen jede größere Opposition gegen ihre Vorherrschaft richtet, unabhängig davon ob es sich dabei um Staaten, Volksbewegungen oder Avantgardeorganisationen handelt. Um den Nahen Osten und somit das gesamte US-Imperium zu stabilisieren, wurde der Irak zum wichtigsten Ziel erklärt. Ein groß angelegter Angriff ist nur eine Frage der Zeit.

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Doch das Risiko für die USA und ihre möglichen Verbündeten ist hoch. Der Irak konnte sich nicht nur ein gewisses militärisches Potenzial erhalten, sondern ist auch eine historische Hochburg der sozialrevolutionären, antiimperialistischen und kommunistischen Bewegung. Trotz des diktatorischen byzantinischen Charakters des Regimes von Saddam Hussein, erhält der Baathismus nach wie vor sowohl von den Intellektuellen als auch vom einfachen Volk ein gewisses Maß an Unterstützung. Das Regime ist unter den gegenwärtigen Umständen nicht nur das einzige Instrument um die Unabhängigkeit vom Imperialismus zu bewahren, sondern es ist auch gleichzeitig dazu in der Lage, den Großteil der Bevölkerung, trotz des Embargos und der eigenen Bereicherung, mit den grundlegendsten Gütern zu versorgen.
Im Gegensatz zum Angriff auf den Irak 1991 sind die meisten der angrenzenden Staaten nicht mehr bereit den Krieg zu unterstützen und dem Imperialismus ihr Territorium zur Verfügung zu stellen – eine Tatsache die auch gleichzeitig den wachsenden Widerstand der Volksmassen und die Solidarität mit dem irakischen Volk reflektiert.

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Daher ist das bevorzugte Szenario der USA und ihrer engsten Verbündeten ein massiver Luftangriff, der sich auf das gesamte Zerstörungspotential der amerikanischen Luftwaffe und auf die hochgerüstetste Waffentechnik, inklusive taktischer Atombomben, stützen, und somit im Irak eine Zerstörung in einem bislang unbekannten Ausmaß anrichten würde. Innerhalb weniger Tage müsste die gesamte Infrastruktur zerstört, und Saddam Hussein, entweder durch einen gezielten Luftangriff oder durch eine Kommandoaktion, getötet werden. Dem würde ein Militärputsch folgen, der nur den baathistischen Staatsapparat dazu benutzen kann, eine proimperialistische Militärregierung zu errichten. Doch ein solches Szenario bringt so viele Unsicherheitsfaktoren mit sich, dass sein Gelingen äußerst fraglich ist.

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Je länger die Bombardierung andauert, desto größer werden die Probleme für den Angreifer werden. Zum einen wird sich sowohl eine Friedensbewegung in Europa und Amerika, als auch eine gewaltige arabische und islamische Solidaritätsbewegung bilden, die vor allem die arabischen Regimes, die dem Angriff stillschweigende Unterstützung gewähren werden, in Bedrängnis bringen wird. Zweitens werden der baathistische Staatsapparat und die Armee zunehmend zerfallen und daher eine westliche Machtübernahme mittels der Übernahme desselben erschwert. Drittens könnten die unterdrückten oppositionellen schiitischen Kräfte, die im Süden eine starke Unterstützung durch das Volk genießen, die günstige Situation, wie schon 1991, zu einem Aufstand nützen. Das wird die Situation für die USA weiter verkomplizieren, da die politische Führung der Schiiten dem Iran nahe steht. Viertens würde eine kurdische Attacke auf Mosul, oder sogar noch weiter südlich, die pankurdische Bewegung, auch in der Türkei, die der wichtigste Verbündete der USA in der Region ist, stärken, wogegen die Türkei Maßnahmen ergreifen würde. Fünftens würden all diese Entwicklungen die territoriale Integrität des Iraks bedrohen, und somit all die künstlich gezogenen Grenzen in der Region in Frage stellen. Selbst die engsten Verbündeten der USA werden eine solche Entwicklung hartnäckig zu verhindern versuchen.

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Die USA müssen daher das Äußersten zumindest einplanen: Die einzige Möglichkeit, das Land zu kontrollieren, ist eine groß angelegte Bodenintervention, zumindest eine vorübergehende Besetzung, und die Errichtung eines offen kolonialistischen Regimes. Das würde einen massiven militärischen Aufmarsch hunderttausender Soldaten bedeuten, die aus mindestens zwei Richtungen, dem Süden und dem Norden, angreifen. Erbitterter militärischer Widerstand von Teilen der regulären Armee, aber auch von Volkskräften, würde zu hohen Verlusten, auch für die imperialistischen Soldaten führen. In Saudi-Arabien, aber auch in der Türkei, müsste der Kriegskurs eindeutig gegen den Willen der Massen, aber auch gegen den der Regimes durchgesetzt werden.

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Es besteht kein Zweifel daran, dass die US-Kriegsmaschinerie nach rein militärischen Kriterien dazu in der Lage ist, den Irak zu erobern. Die entscheidende Frage wird die der Zeit sein. Je länger der Irak Widerstand leistet und das Schlachten weitergeht, desto gewaltiger wird der Widerstand in den arabischen Ländern werden, der zu einer Bedrohung der imperialistischen Herrschaft in der Region werden, und den Sturz der Marionettenregierungen bewirken könnte. Dadurch würde der Krieg auf die ganze Region ausgedehnt, der dazu tendiert sich in einen Bürger- und Volkskrieg umzuwandeln. Das wäre der einzige Entsatz für den Irak und muss daher das strategische Ziel der Solidaritätsbewegung sein.

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Ein klarer Sieg der USA über den Irak würde die monopolare Weltordnung, und die US-Hegemonie über ihre Verbündeten zweifellos stabilisieren. Daher könnten auch China, Russland und andere kleinere Mächte, unter ihnen sogar auch einige europäische Länder, ein Interesse daran haben zum Krieg auf Distanz zu gehen, je mehr er die Region in Brand setzt, und je größer der Widerstand wird. Andererseits könnte ein anhaltender arabischer Befreiungskrieg das Ende der weltweiten US-Herrschaft einleiten. Es könnte nicht nur ein Signal für die unterdrückten Völker sein, sich dem Kampf gegen den Imperialismus anzuschließen, sondern könnte auch andere große Mächte dazu veranlassen, die Gunst der Stunde zu nützen.

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Gegenwärtig ist es folglich das wichtigste in den bedeutendsten arabischen Ländern wie Ägypten, Algerien und Syrien, antiimperialistische politisch-militärische Organisationen mit einem leninistischen Kern aufzubauen, um die kommenden Befreiungskriege anzuführen.

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Wir glauben nicht, dass der Baathismus dazu in der Lage ist, das Land gegen einen groß angelegten imperialistischen Angriff zu verteidigen, da er über keine organische Verbindung zu den arabischen Massen verfügt – weder im Irak noch im übrigen arabischen Raum. Daher werden wir in dem Maße auf der Seite des Baathismus stehen, in dem dieser das Land verteidigt, aber wir werden stets bestrebt sein, gleichzeitig die revolutionären antiimperialistischen und kommunistischen Kräfte politisch zu unterstützen, die für den Erhalt ihrer Unabhängigkeit kämpfen. Diejenigen, dem Baathismus gegenüber oppositionellen Kräfte hingegen, die offen oder versteckt mit dem Imperialismus kooperieren, werden am selben Strick wie ihre imperialistischen Herren selbst aufgehängt werden.

Verteidigt den Irak gegen den drohenden imperialistischen Angriff!
Verwandelt den imperialistischen Krieg in einen Volksbefreiungskrieg!

Internationale Leninistische Strömung
Juni 2002

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