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Palästina: Augenzeugenbericht einer angehenden österreichischen Ärztin

15. August 2002

Teil 1: Gaza in der Nacht ausgeleuchtet wie ein Gefängnis

Abgesehen von den regelmäßigen Überflügen und Schüssen, besonders in der Morgen- und Abenddämmerung, kann man auch Scheinwerfer, die von den Siedlungen und den Militärcamps verwendet werden, welche praktisch die ganze Stadt Gaza ausleuchten könnten, sehen. Was da noch ein Unterschied zu einem richtigen Gefängnis sein soll, weiß ich nicht. Gestern war ich bei der El-Touffah-Area, dieser berüchtigte Checkpoint von Khan Younis mit der riesigen Betonmauer um eine Frau mit Epilepsie ins Spital zu bringen. Es gibt in dem palästinensischen Dorf hinter dem Checkpoint eine Ambulanz, die aber nicht durch den Checkpoint kann, also musste eine aus Khan Younis zum Checkpoint fahren, um dann die Übergabe des Patienten vor israelischen Jeeps und Panzern und Wachtürmen durchzuführen. Einer der freiwilligen Helfer beim Roten Halbmond erzählte, dass er vor einigen Monaten ein Visum für Japan ergattert hatte, die Israelis ihn aber nicht ausreisen ließen, mit der wirklich zynischen Begründung, dass die palästinensische Rettung in nächster Zeit jeden Helfer brauchen könnte. Heute war ich kurz bei der einzigen Wasseraufbereitungsanlage von Khan Younis der auch die Feuerwehr angegliedert ist. Sie wurde vor fünf Monaten von der sehr nahegelegenen Siedlung aus fast vollkommen zerstört. Sie verwenden Grundwasser, weil sie ja keinen Zugang zum Meer haben. In der El-Touffah-Area haben die Israelis auch ein Ding, dass wie ein Kran aussieht, und auch so hoch ist, das sie beliebig verschieben können und aus dem sie heraus sehr gut schießen können. Es ragt immer an verschiedenen Stellen hinter der riesigen Betonmauer hervor. Das ist für die dann offensichtlich wie ein Computerspiel.

Heute im Nassar-Spital hab ich kurz mit einem Doktor geredet, der gemeint hat, ich soll ein Kopftuch tragen, weil ich hier eben in Palästina wäre. Er hat ausgesehen wie ein Taliban.
In den Strassen von Khan Younis sieht man noch oft Abu-Ali-Mustafa-Plakate hängen. Aber noch öfter sieht man die Zeichen von Hamas.

Interessant war ein Treffen mit einem Polizeioffizier in dem Haus einer der Sanitäter, der uns zum Essen eingeladen hatte. Man redete ein bisschen über Arafat und es kam heraus, dass selbst dieser Polizeioffizier für einen Wechsel an der Spitze war, in welche Richtung ließ sich jedoch nicht eruieren.

Es ist nebenbei bemerkt offensichtlich, dass es auch im Roten Halbmond nicht ganz mit rechten Dingen zugeht, die Hierarchie ist total auf den Bruder vom Arafat konzentriert, und aus irgendeinem Grund versucht man die Freiwilligen davon abzuhalten am Abend oder am Nachmittag mit den Sanitätern und Sanitäterinnen essen zu gehen, oder spazieren zu gehen. Das ist uns ausdrücklich untersagt worden, was eigentlich unglaublich ist, und es vorher auch nicht gegeben hat. Damit ist man in seiner gesamten Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt, weil man nur mit den Aufpassern von der Public Relation raus darf. Ich weiß nicht genau, was damit bezweckt werden soll, möglicherweise will man nicht, dass wir die Unzufriedenheit mit der PNA-Administration mitbekommen.

Doris Arztmann

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