Stellungnahme der Revolutionär Kommunistischen Liga (RKL) zu Haiders Coup gegen seine eigene Regierung
Stinknormal liberal
Wieder ertönt das Geschrei der internationalen Medienmaschine, vor allem der international dominanten ängelsächsischen, über einen Putsch des vermeintlich rechtsradikalen Haiders. Ein Putsch der sich gegen eine Regierung wendet, gegen die noch vor zweieinhalb Jahren der Vorwurf des Rechtsradikalismus erhoben und gar Sanktionen verfängt wurden. Das Sprachrohr dieses Unsinns ist in Österreich wiederum die sogenannte Linke, die nichts anderes im Sinn hat, als den Linksliberalismus wieder an die Futtertröge der Macht zurückzubringen.
Tatsächlich handelte es ich bei der Koalition zwischen der ÖVP und der FPÖ um eine stinknormale Mitte-Rechts-Regierung, wie sie sie in zahlreichen anderen imperialistischen Ländern ebenso gibt. Die von ihr geführte liberale Politik steht in jeder Hinsicht in voller Kontinuität mit dem vorhergehenden Mitte-Links-Kabinett. Die Schärfe der Angriffe gegen das Sozialsystem und die Werktätigen unterschieden sich nicht wesentlich von jenen unter der SPÖ. Aus Rücksicht auf die sozialpopulistisch an sich gebundene Wählerschaft traten die Haider-Vertreter in der Regierung tendenziell sogar als Dämpfer der Attacken auf, die erst in dem Maße in Fahrt kamen, in dem Maße sich das liberal-konservative Duo Riess-Grasser in den Vordergrund schob.
Katalysator eines antiliberalen Impulses von unten
Eines stimmt zweifellos, Haider ist kein „normaler“ rechtsliberaler Politiker. Nicht jedoch bestimmt seine faschistische Vergangenheit seinen politischen Charakter, sondern seine Fähigkeit und Bereitschaft, den in den subalternen Klassen zutage tretenden Unmut gegenüber dem, was heute unter Neoliberalismus und Globalisierung läuft, aufzugreifen. Sich zum Sprecher des diffusen sozialen und mitunter auch demokratischen Protests machend (nicht umsonst bezeichnete er die FPÖ als Partei der „sozialen Demokratie“ und reklamierte damit das historische Erbe der Sozialdemokratie), versteht er es meisterlich diese vagen Aspirationen in eine reaktionäre Richtung zu kanalisieren.
Nehmen wir das Beispiel der Osterweiterung der EU, die in den unteren Schichten auf vehemente Ablehnung stößt. Während die Linke in vermeintlicher Ablehnung des nationalen Chauvinismus, der bei dieser Haltung unzweifelhaft mit einem gerüttelt Maß Anteil hat, dieses neokoloniale Projekt voll und ganz unterstützt, spricht Haider die sozialen Ängste an und verbindet sie mit der revanchistischen Forderung nach der Aufhebung der Benes- und Avnoj-Dekrete.
Oder auch die nebulöse „Steuerreform für den kleinen Mann“, die nun Anlass zum Sturz der Regierung bot: Während der Regierung das Hochwasser gerade recht kam, um sich vom von ihr selbst wie einem Heiligen Gral verehrten „Nulldefizit“ zu verabschieden und zumindest in homöopathischen Dosen mit Staatsausgaben gegen die Wirtschaftsflaute anzugehen, fordert Haider die besagte Steuerreform. Diese ist nichts anderes als ein weiterer liberaler Angriff, aber er stellt sie geschickt als dem „Mann von der Straße“ zugute kommend dar.
Besonders lächerlich ist die plötzliche Opposition gegen den höchst unpopulären Ankauf von neuen Kampfflugzeugen, denn diese wurden von der FPÖ über Jahre vehement gefordert.
Im übrigen war der vorzeitige Bruch der Regierungszusammenarbeit vorprogrammiert. Haiders Rückzug nach Kärnten, die latente Opposition gegen seine eigene Regierungsmannschaft, sollten ihn als Volkstribunen gegen eine gescheiterte Regierung wie einen Phönix aus der Asche aufsteigen lassen.
Linksliberalismus in der Sackgasse
„Soziale Kompetenz“ versucht Rot-Grün zu zeigen. Doch wer will das der SPÖ nach zwei Jahrzehnten der liberalen Angriffe noch abnehmen, denjenigen die sich als bessere Exekutoren der Diktate des Maastricht-Vertrages gegen die Interessen des Volkes nicht nur erwiesen, sondern sich selbst in der Opposition noch als solche angeboten haben? Auch sie treten nun im Schlepptau Haiders gegen die Aufrüstung des Heeres auf, dessen Neuausstattung mit Flugzeugen sie selbst eingeleitet haben. Das immerhin von knapp 20% des Wahlvolkes unterzeichnete Volksbegehren gegen die Flugzeuge haben sie noch vergangenen Sommer nicht unterstützt. Die Ablehnung der EU, in der sich auch der soziale Unmut wiederspiegelt, wird von Rot-Grün schlicht als chauvinistisch abgetan. Sie konkurrieren mit der ÖVP darum, wer die „besseren Europäer“ seien.
Rot-Grün ist der beste Garant für den Fortbestand der Haiderei.
Wunsch nach Stabilität
Doch in gewisser Weise ist Haider für die versteinerte österreichische Gesellschaft zu avantgardistisch. Das zeigte sich bereits bei seiner Stippvisite bei Saddam Hussein, die von der Mehrheit und vor allem von seiner Klientel nicht goutiert wurde. Auch nun scheint er nicht mit der Stärke des Wunsches nach „Verbürgerlichung“ seiner Partei gerechnet zu haben. Denn während viele der Arbeiterwähler vor allem in Wien und den anderen Städten seiner Partei schon in den letzten zwei Jahren den Rücken gekehrt haben, ist der gesetzt-bürgerliche Flügel verblieben und konnte sein spezifische Gewicht erhöhen. Der Abgang Riess-Passers und Grassers, den neoliberalen Shooting-Stars der Regierung, stürzte die Partei in eine veritable Krise, die sich zweifellos auch bei den Wahlergebnissen auswirken wird.
Einerlei
Weder SPÖ-ÖVP, noch SP-Grüne, noch eine Neuauflage von ÖVP-FPÖ sind ausgeschlossen, wenn auch letztere eher unwahrscheinlich ist. Doch aus der Sicht einer antikapitalistischen Opposition ist das bedeutungslos. Alle Varianten sind nur Aspekte ein und desselben Regimes der imperialistischen Bourgeoisie, die um sich einen gewaltigen politisch-sozialen Block errichtet hat. In der Substanz ist das amerikanische Modell, auch wenn noch nicht formal, in Österreich in den 90er Jahren durchgesetzt worden, deren Teil alle Parlamentsparteien inklusive Freiheitliche und Grüne sind. Das zeigt sich nicht zuletzt auch am Kriterium der Außenpolitik, wo alle die imperialistische Politik der USA und ihrer Verbündeten mittragen. Das galt für die Aggression gegen Jugoslawien, für die Bomben auf das afghanische Volk, für das Massaker an den Palästinensern, sowie den Völkermord am irakischen Volk.
Boykott
Die Wahlen sind eine Farce, denn es gibt keine Opposition zum oligarchischen kapitalistischen System. Die Tendenz zur Wahlenthaltung, der die sich lockernde organische Kontrolle, die das alte politische System darstellte, zum Ausdruck bringt, muss unterstützt werden, so weit sie auch von einer Politisierung noch entfernt ist.
Eine antikapitalistische und antiimperialistische Opposition muss den Mut haben, das zivilgesellschaftliche Spektakel der gewendeten Linken gegen die Haiderei als das zu denunzieren was es ist, nämlich der Auftritt der Cheer Girls des Linksliberalismus und damit des Zweiparteiensystems. Sie muss es zu unternehmen versuchen, den antiliberalen Impuls, so rudimentär er sei und so sehr er mit reaktionären und chauvinistischen Elementen versetzt sein mag, aufzugreifen und gegen die Bourgeoisie zu wenden. Das ist im übrigen auch das einzige wirksame Mittel gegen die Haiderei.
Revolutionär Kommunistische Liga
Österreichische Sektion der Internationalen Leninistischen Strömung