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„Ein Stachel in ihrer Seite“

20. September 2002

Brief aus dem Gefängnis von Professor J

Zwischen 1986 und 1999 hat die chilenische Regierung keine gerichtlichen Schritte gegen mich unternommen, nicht einmal ein internationaler Haftbefehl wurde bei Interpol hinterlegt. Statt dessen hat man zwei mal versucht mich zu entführen. Einmal in Kolumbien 1987, ein zweites Mal in Tacna, Peru, 1988. Die Regierung war zu dieser Zeit daran interessiert mich mit den typischen Methoden von Militärherrschern zu fangen. Es war ein Bedürfnis der Rache – von Gerechtigkeit kann hier keine Reede sein – als ein Militärgericht einen Haftbefehl gegen mich erlassen hat, weil mir die Exekution des Generals Urzua vorgeworfen wurde. Es war ein Versuch ihre Allmacht zu zeigen, genau in der Zeit der Verhandlungen um eine zivile Regierung, die die diktatorischen Institutionen verwalten sollte.
Ab 1988 begannen die Vorbereitungen für eine Farce der Demokratie in Chile – und das Militär unternahm gleichzeitig Schritte um seine Kontrolle des Landes zu verewigen. Jene die behaupteten, dass sich die Dinge Schritt für Schritt verbessern würden, haben sich als Komplizen dieser strategischen Operation des Militärs erwiesen. Viele haben sich dem großen Spiel angeschlossen, auch viele aus den Reihen des Widerstandes, dabei jene verratend die diesen fortgesetzt haben und die heute Teil der wieder stärker werdenden antagonistischen Opposition sind.
1999 hat mir das chilenische Konsulat in Sao Paulo ohne Probleme einen neuen Pass ausgestellt, der Haftbefehl gegen mich wurde nicht einmal erwähnt. Aber anlässlich meiner Anwesenheit am Antiimperialistischen Sommerlager im Jahr 2000 haben die Militärs einen internationalen Haftbefehl via Interpol erwirkt. Damals konnte mich die italienischen Justiz nicht nach Chile ausliefern, weil dort immer noch die Todesstrafe gilt – bis zum heutigen Tag: Das Parlament hat zwar deren Abschaffung beschlossen, aus einem Bericht von Amnesty International geht aber hervor, dass es immer noch eine spezielle Klausel gibt, die Militärtribunalen die Möglichkeit zur Verhängung der Todesstrafe gibt.
Als ich in diesem Sommer über Holland wieder nach Europa kam gab es keinerlei Probleme – bis zu dem Zeitpunkt als ich meine Teilnahme am Antiimperialistischen Sommerlager ankündigte und dort mit einer Rede intervenierte. Die Massenmedien bezeichneten mich als Terroristen und die Polizei versuchte mich direkt auf dem Lager zu verhaften, ein Angriff der von den Teilnehmern des Lagers unmittelbar verhindert werden konnte. Auf Grund des gescheiterten Versuchs einer Festnahme konnte ich in die Basilica des heiligen Franz flüchten, um bei den Franziskanern um Kirchenasyl zu bitten – aber die Mönche öffneten die Tore für die etwa 30 bewaffneten Angehörigen der DIGOS, der politischen Polizei, die mich dort festnahmen.
Ich wurde nicht nach Chile ausgeliefert, aber nach Südafrika abgeschoben und der lokalen Polizei wurde mein Pass übergeben. Im Schatten der „antiterroristischen“ Hetzjagd, wurde mir die Einreise verweigert und ich wurde einen Tag lang im Transitbereich festgehalten, bis mich Interpol schließlich arretierte.
Meine Festnahme scheint darin begründet zu sein, dass ich immer Unterstützer des Antiimperialistischen Lagers war, und dieses einen Stachel im Fleisch der Berlusconiregierung und der Festung Europa darstellt.
Eines zum Abschluss: Alle Versuche mich anzugreifen, erscheinen als blindes um sich schlagen eines todgeweihten Monsters – denn nichts anderes ist das chilenische Militär. Aber was sie auch versuchen, sie werden meine Rebellion nicht beenden können, meine Rebellion die die Rebellion aller Ausgebeuteten und Unterdrückten ist.

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