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Wer klagt wen an?

20. September 2002

Der Schauprozess gegen Marwan Barghuti

Wer klagt wen an?

Der Prozess, der gegen den seit April 2002 inhaftierten palästinensischen Führer Marwan Barghuti nahm neue politische Dimensionen an, nachdem er von der israelischen Armee beschuldigt wurde, er sei für den Ausbruch der Intifada im September 2000 verantwortlich. Barghuti wurde während der israelischen Großinvasion der palästinensischen Städte von einer israelischen Spezialeinheit in Ramallah verhaftet. Damals behauptete die israelische Armee, sie habe bei den diversen Hausdurchsuchungen in den erstürmten Gebieten Dokumente gefunden, die einen direkten Zusammenhang Barghutis mit den Widerstandsaktionen nachwiesen.
Barghuti galt vor der Intifada als einer der jungen „gemäßigten“ palästinensischen Führungspersönlichkeiten, die hinter Arafat und dem Oslo-Abkommen standen. Er ist auch Abgeordneter zum palästinensischen Parlament und übt eine hohe Funktion in der Fatah-Bewegung aus. Nach der Verhaftung wurden ihm einerseits wie allen Palästinenser aus den besetzten Gebieten alle zivile Rechte entzogen und er wurde Folter – die offizielle israelische Bezeichnung dafür ist „mäßigem physischen Druck“ – ausgesetzt. Anderseits wurde er vor ein israelisches Zivilgericht gestellt, um der Kriminalisierung des Widerstands der Palästinenser eine mediale juristische Grundlage zu geben. Barghuti erkennt das Gericht nicht an.
Während die Beschuldigungen in den ersten Phasen sich angeblich auf Dokumente stützten, beruht die Anschuldigung der Verantwortung für den Ausbruch der Intifada auf Zeitungsberichten und Interviews, die Barghuti in verschiednen Phasen gab und in denen er den Widerstand gegen die Besatzung für notwendig hielt. So wird etwa auf der Internetseite der israelischen Armee zitiert: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir ein gerechtes Abkommen über die Flüchtlinge, Jerusalem, die Siedlungen und die Grenzen nur durch Verhandlungen erreichen werden. Für diese Dinge werden wir lange Konfrontationen brauchen … Die Ausbreitung der Siedlungen kann nicht mit Wünschen und Bitten aufgehalten werden, sondern mit der Waffe. Unser Volk im Westjordanland und im Gazastreifen hat das Recht, mit allen Mittel gegen die Besatzung zu kämpfen“. Weitere Statements dieser Art werden auf der oben erwähnten Webseite zitiert.
Damit versucht die israelische Soldateska mit den gleichen Methoden des verblichenen Apartheid-Südafrikas, den legitimen Kampf der Palästinenser als Summe krimineller Aktionen darzustellen, die von einer Person oder Personengruppe initiiert und dirigiert werden. Die Regierung spricht einerseits von einem Kriegszustand, um alle Verbrechen und Kollektivstrafen gegen die arabische Zivilbevölkerung zu rechtfertigen und um jedem Anspruch auf Schadenersatz zu entkommen, anderseits aber führt sie Kriminalprozesse gegen politische Führungen, um von den realpolitischen Fragen abzulenken und ihre politische Pleite vor der eigenen Öffentlichkeit zu verdecken. Der rechtliche Dilemma besteht darin, dass die Palästinenser weder als Bürger, für welche die Staatsgesetze gelten, noch als ein anderes Volk, mit dem man sich im Kriegszustand befindet und dessen Gefangene daher als Kriegsgefangene zu behandeln sind, gelten. Wenn Israel versucht, sein Apartheidsystem auf juristischer Basis zu etablieren, dann scheitert es an seiner Komplexität und Israel stellt sich bloß, wie es wirklich ist: ein von einer Militärjunta regierter Apartheidstaat.
Der Prozess gegen Barghuti ist ein Prozess gegen die Intifada, die selbst ein Ergebnis des israelischen Verbrechens am palästinensischen Volk darstellt. Der israelischen Regierung fehlt daher jegliche Legitimität einen solchen Prozess durchzuführen. Letztendlich stellt sie sich und die gesamte israelische Gesellschaft damit allerdings selbst auf die Anklagebank.

Ali Nasser

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