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Palästina: Augenzeugenbericht einer angehenden österreichischen Ärztin

21. September 2002

Teil 6: Ramallah I, 11.9.2002

Als ich am Sonntag in Ramallah ankam, war noch Ausgangssperre. Dennoch konnte man während des ganzen Tages ein paar Leute und ein paar Autos auf der Strasse sehen, allerdings waren praktisch alle Geschäfte geschlossen. Ich arbeitete wieder bei der Rettung, die während der Ausgangssperre auch normale Transporte durchführt, wie Dialysepatienten, oder einfache Heimtransporte vom Spital, die normalerweise von Taxis gemacht werden. Wenn keine Ausgangssperre herrscht, wird für so etwas Geld verlangt, weil dann die Rettung nur für Notfälle zuständig ist. Das Hauptquartier vom Roten Halbmond befindet sich direkt gegenüber der israelischen Siedlung Psagot, die auf dem nächsten Hügel liegt. Im März ist das Dachgeschoss des Hauptquartiers durch Artillerie von der Siedlung komplett zerstört worden. Ich sah das Büro von Arafat. Die umliegenden Ministerialgebäude sind durch F 16 komplett zerstört worden, nur das Gebäude, in dem er sich momentan aufhält ist noch ganz. Es kann hier schon mal passieren, dass man in eine Strasse mitten in Rammallah einbiegt und sich auf einmal zwei israelischen Panzern gegenüber sieht, oder Militärjeeps. Die Ausgangssperre ist jetzt nur noch in der Nacht aufrecht. Vorletzte Nacht war ich mit der Rettung unterwegs, es ist einwenig unheimlich, wenn die einzigen Autos auf der Strasse eine Kolonne von drei israelischen Jeeps sind, und die Rettung, die langsam in einigem Abstand hinterdrein fährt. Es gibt eine weitere riesige Siedlung in unmittelbarer Nähe, Bet El. Dort angegliedert sind auch zwei Checkpoints. Ich bin ein paar mal mit der Rettung dorthin gefahren. Die IDs der Sanitäter und mein Pass werden kontrolliert und der Rettungswagen wird durchsucht. Dann wird man weiter gewunken und hundert Meter später erfolgt dasselbe noch mal. Die Dörfer außerhalb Ramallahs sind von der Außenwelt abgeschnitten, weil die Zufahrtsstraßen zerstört wurden. Entweder wurden riesige Gruben ausgehoben oder Schuttwälle aufgeschüttet. Das bedeutet, dass diese Dörfer nur auf dem Fußweg erreichbar sind. Kein Rettungswagen kann diese Dörfer erreichen. Patienten müssen zu dem Schuttwall gebracht werden, dort werden sie übernommen und dann mit der Rettung weiter transportiert. Was das für akute Fälle bedeutet ist klar, es wird von den Israelis verunmöglicht, Patienten eine angemessene präklinische medizinische Versorgung zu gewähren. Durch ihre Maßnahmen verweigern sie den Rettungen kontinuierlich den Zugang zu Patienten. Hier in Rammallah steht auch die Rettung, die fast zehn Einschusslöcher in der Windschutzscheibe aufweist, in der ein Sanitäter starb und die beiden anderen schwer verletzt wurden. Insgesamt starben zwei Sanitäter und ein Arzt des Roten Halbmonds im Dienst im März dieses Jahres. Verletzt wurden allerdings viel viel mehr, ebenso wie verhaftet oder misshandelt an den Checkpoints. Der Unterschied zu Gaza mag vielleicht sein, dass man nicht dauernd Schüsse hört, aber man die israelische Militärpräsenz in den Strassen sieht.

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