Kommentar zu einer Medienkampagne
Die letzte Woche hat wilde Angriffe österreichischer Medien und der ÖVP auf angeblich antisemitische Grüne gesehen. Kernpunkte der Anschuldigungen: Kritik an der Politik der israelischen Regierung, Kontakte mit „radikalen Antizionisten“, sowie zu „dubiosen Antiimperialisten“ (Kotanko im Kurier). Zellhofer/Staudinger im Format nennen die Antiimperialistische Koordination dann auch beim Namen. Andreas Kohl benützt diese Vorwürfe in Folge, um den Grünen Antisemitismus zu unterstellen – und Van der Bellen ist danach entrüstet und in Panik, möchte Lunacek maßregeln und Wilfried Bader (der an einer Solidaritätsdelegation in den Irak teilgenommen hat) rausschmeißen.
Zuerst müssen wir einmal Hannes Rauscher, Christoph Kotanko und vor allem dem Gespann Staudinger/Feldhofer danken. (Wahrscheinlich auch deren Kontakten im DÖW, selbst recherchiert werden sie den Blödsinn wohl nicht haben.) So viel Medienpräsenz war der linken, antagonistischen Opposition in letzter Zeit kaum gegeben. Immerhin weiß jetzt der Format-Leser, dass es eine Solidaritätsdelegation für das irakische Volk gegen Krieg und Embargo gegeben hat, und Wilfried Bader hat einem größeren Publikum vor Augen führen können, dass es der USA beim Angriff auf den Irak „nicht um Befreiung, sondern um Ölquellen“ geht.
Wüste Verleumdungen
Auf der anderen Seite muss der Inhalt dieser Medienkampagne scharf zurückgewiesen werden: Es geht hier um die Gleichsetzung „Kritik an Israel ist Antisemitismus“. Und diese Gleichsetzung wird mit mehr als unlauteren Mitteln betrieben: Beim Bericht über eine Veranstaltung der Grünen mit Ulrike Lunacek und Felicia Langer (eine Veranstaltung die mit der Antiimperialistischen Koordination übrigens nicht das Geringste zu tun hatte), wird Felicia Langer ohne weiteres Kommentar als „militante Antizionistin“ bezeichnet. Das unterstellt nicht nur Gewaltbereitschaft, unterschlagen wird auch, dass sie Jüdin ist, einen großen Teil ihrer Familie in deutschen Konzentrationslagern verloren hat, und aus Israel ausgewandert ist um gegen die formal-rechtliche und reale Schlechterstellung von arabischen Staatsbürgern zu protestieren (in Südafrika wurde das Apartheid genannt). Wenn Lunacek überlegt von Israel die Kennzeichnung von Produkten aus den besetzten Gebieten zu verlangen, um diese aus dem Handelsabkommen mit der EU auszunehmen (eine wirklich absolut harmlose Forderung), dann überlege sie keine völkerrechtliche Selbstverständlichkeit (es handelt sich eben um besetzte Gebiete), sondern erinnere an den Nationalsozialismus: „Kauft nicht bei Juden.“ Wenn militante Zionisten die Veranstaltung im Laufe der Diskussion sprengen, dann kommt es laut Mainstream-Medien „zu Rempeleien gegenüber jungen Juden“.
Der Verleumdungen nicht genug. Am 28. September soll es auf der Demonstration anlässlich des zweiten Jahrestages der Intifada zur Strapazierung „antisemitische[r] Klischees“ gekommen sein. Ein Redner hätte gar von „israelitischen Mächten“ gesprochen. Von „Mächten“ war zwar nichts zu hören, tatsächlich hat sich ein Redner versprochen und von „israelitischer Politik“, statt israelischer gesprochen. Bei diesem vermeintlichen Antisemiten handelt es sich um Johann Anthofer, betagter Widerstandskämpfer gegen die Hitler-Diktatur, Gründer des Antifaschistischen Personenkomitees Burgenland, der beispielsweise am 9. November des Vorjahres eine Kundgebung anlässlich der Deportation der Wiener Juden am ehemaligen Aspangbahnhof mitorganisiert hat und dort die Hauptrede hielt. Die Israelitische Kultusgemeinde befand sich unseres Wissens nach damals auch unter den Organisatoren. Etwas differenzierte Berichterstattung passt aber scheinbar nicht ins Kalkül.
Isolation
Die Gleichsetzung „Antizionismus ist Antisemitismus“ dient der gesellschaftlichen Isolierung der Kritik an der strukturell rassistischen und militaristischen israelischen Politik, der Isolierung des Antizionismus, der das genaue Gegenteil des Antisemitismus verkörpert. (Denn während der Antisemitismus für Rassismus, Unterdrückung und imperiale Großmachtspolitik steht, bedeutet Antizionismus Antirassismus, den Kampf um Befreiung und den Widerstand gegen imperiale Politik. Der Antizionismus umschließt historisch nicht nur die besten Traditionen der Arbeiterbewegung, sondern auch der jüdischen Kultur.)
Die Grünen, die sich wesentlich auf die urbanen, „weltoffenen“, linksliberalen Mittelschichten stützen, können dieser Kampagne wohl am wenigsten Widerstand entgegensetzen. Dennoch wir sind zuversichtlich: die offenkundige Primitivität der Argumentation eines Kohl, Kotanko oder Rauscher wird von einem relevanten Teil der Bevölkerung abgelehnt werden. Es gibt keinen Grund, warum man zu den Verbrechen der israelischen Armee schweigen sollte.
Im übrigen ist eine erneute internationale Solidaritätsdelegation in den Irak in Vorbereitung, durch die dramatische Kriegsgefahr ist sie wichtiger als je zuvor. Wer sich von Andreas Kohl als Antisemit beschimpfen lassen möchte hat jetzt noch eine Gelegenheit.