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Der Antiimperialistische Block in Florenz – Aktivisten verhaftet!

16. November 2002

Betrachtungen über die riesige Antikriegsdemonstration in Florenz und das Europäische Sozialforum

Ein Schritt vorwärts

Im Rahmen der Demonstration am 9. November gegen die drohende Aggression gegen den Irak organisierte die Antiimperialistische Koordination einen gemeinsamen antiimperialistischen Block mit anderen italienischen und internationalen Organisationen. Der Block unter dem Haupttransparent: „Auf Seiten des Iraks – Widerstand gegen den Angriff“ erreichte am Höhepunkt etwa tausend Teilnehmer.

Währenddessen wurden in dieser Nacht Dutzende Aktivisten der Bewegung verhaftet, von denen zwei den antiimperialistischen Kräften angehören, namentlich Vittoria Oliva (bereits 61 Jahre alt) und Antonio Rollo. Unter jenen, die in Gewahrsam genommen wurden befindet sich auf Francesco Caruso, ein Führer der Bewegung im italienischen Süden. Alle von ihnen werden beschuldigt eine subversive Organisation gebildet zu haben, mit dem Ziel die derzeitige konstitutionelle Ordnung umzustoßen. Es gibt nicht den leisesten Versuch hier eine kriminelle Handlung zu konstruieren, sondern es handelt sich um eine offen politische Anklage. Es ist nicht reiner Zufall, dass diese Verhaftungen nach der erfolgreichen Mobilisierung in Florenz durchgeführt wurden. Sie sollten als Warnung gegen die wachsende Bewegung gegen den Krieg, wie die Blockaden der US-Militäreinrichtungen, verstanden werden, und auch als eine Warnung gegen die Intention, die Regierung des Kriegstreibers Berlusconi zu Fall zu bringen, wie es die konsequente und antiimperialistische Bewegung vorgeschlagen hat, und dem immer mehr Teile der Bewegung zustimmen.

Wir rufen daher dringend dazu auf, Protestbriefe zu verfassen, welche die sofortige Freilassung der Verhafteten fordern.

Betrachtungen über die riesige Antikriegsdemonstration in Florenz und das Europäische Sozialforum

Während seiner Teilnahme an der zwischen 500.000 und 1 Million Menschen umfassenden Demonstration, die Florenz sprichwörtlich überschwemmte, konnte der Antiimperialistische Block eine eigene Abschlusskundgebung abhalten, auf der sich die Redner an die antiimperialistischen und proletarischen Kräfte richteten. Unter den Sprechern der Befreiungsbewegungen befanden sich Vertreter aus Palästina, der Türkei, Kurdistan, Kolumbien, Sri Lanka und Delegierte der antiimperialistischen Bewegung aus Griechenland.

Die riesige Demonstration kennzeichnet eine neue politische Situation nicht nur in Italien sondern auch in Europa als ganzem. Sie zeigt sicherlich eine massenhafte Opposition nicht nur gegen die imperialistischen Kriegsvorbereitungen der USA, sondern auch gegen die liberalistischen Angriffe auf die Bevölkerung durch die EU-Regierungen. Eine neue Bewegung wird geboren, die nicht anders als heterogen sein kann. Antiimperialistische, revolutionäre und kommunistische Kräfte sind jedoch noch immer eine Minderheit innerhalb dieser Bewegung. Ungeachtet der Krise des Liberalismus und dem Anstieg der Widersprüche innerhalb der von der USA geführten Weltordnung befinden wir uns immer noch von einer tiefgehenden und akuten Krise des Kapitalismus weit entfernt. Nur unter extremen Bedingungen einer sozialen und politischen Krise werden revolutionäre Kräfte fähig sein einen Konsens in der Bewegung zu erreichen, und deren Führung zu erobern.

Daher ist es nicht zufällig, dass eine Kombination aus reformistischem Maximalismus und neokeynsianistischem Minimalismus, gemischt mit einer gewissen Dosis christlicher Philantropie diese Bewegung dominiert. Der proklamierte Antagonismus ist in Wirklichkeit eine Art des Reformismus – ungeachtet radikaler Worte und Formen des Protests – der immer noch kompatibel zum bürgerlichen System ist. Die dominierenden Ideologien sind tatsächlich die Gewächse bürgerlichen fortschrittlichen Denkens. Noch immer ist die Bewegung das Opfer des Niedergangs, der auch gern als „Ende der Geschichte“ oder „Tod des Kommunismus“ tituliert wird. Deshalb reicht der Horizont der Bewegung nicht hinter die Humanisierung des Kapitalismus, durch den Versuch seine brutalen Aspekte in ethische Regeln zu zwängen, hinaus.

Es reicht nicht aus diese reformistischen Illusionen zu enttarnen. Im Gegenteil, diese politischen Kräfte ziehen ihre sich fortsetzende Attraktion von ihren anscheinend realistischen Forderungen. Historische Erfahrungen werden notwendig sein, um diesen utopischen Träumen ihre Glaubwürdigkeit zu entziehen. Wir werden noch viele Argentiniens und viele Iraks durchmachen müssen, bis diese Lektion verstanden werden wird.

Beginnend mit Seattle hat die Antiglobalisierungsbewegung auf ihrer Reise nach Europa sicherlich einige wichtige Schritte gemacht. Unter dem Eindruck des 11. Septembers, den Forderungen der neuen Intifada, aber auch durch die Intervention der radikalen Linken hat sich Bewegung radikalisiert.

Es geschieht nicht ohne Grund das die kooporative Medienwelt laut aufschreit ob der weiten Verbreitung von Antiamerikanismus und Antikapitalismus. Auf der Demonstration am 9. November erschienen viele dahingehende Transparente nicht nur von italienischer Seite sondern auch von verschiedenen internationalen Delegationen. Nur zwei Jahre zuvor wäre dies unmöglich gewesen. Wer dachte, dass die radikale Linke ausgelöscht worden wäre, dem wurde das Gegenteil bewiesen.

Ohne Frage sind die Hoffnungen der „postmodernen“ Kräfte enttäuscht worden, denn die Bezeichnung „Imperialismus“ hat eine wirkliche Wiedergeburt erlebt, zur Charakterisierung der westlichen Kriegspolitik. Trotz ATTAC, Pazifisten und der alter Gewerkschaftsbürokratie setzte die Demonstration ein antiimperialistisches und antikapitalistisches Signal. Jedoch ging dies Hand in Hand mit weitverbreitetem Pazifismus und versuchte ihn in keiner Weise zu überwinden. Wir würden diesen speziellen Cocktail vielleicht als „antiimperialistischen Pazifismus“ bezeichnen.

Verglichen mit der Situation am Beginn der Bewegung hat diese ohne Zweifel wichtige Schritte vorwärts gemacht. Gewisse Tendenzen zu bestimmter, amerikanisch geprägter Subkultur, anarchistischer Subjektivismus mit einem radikalen Gesicht aber bürgerlichem Inhalt, Mystizismus, Hedonismus und Kommunitarismus, welche die Bewegung zuvor charakterisiert hatten, werden mehr und mehr in den Hintergrund zugunsten eines klaren Bewußtseins der Notwendigkeit eines organisierten politischen Projekts, zurückgedrängt.

Auch von einem soziologischen Standpunkt aus stellt die Bewegung eine interessante Entwicklung dar. Hauptsächlich wird hier die Jugend der Mittelklasse politisiert und radikalisiert, während diese Schicht noch vor zehn Jahren vollkommen dem Liberalismus verfallen war. Das ist kein schlechtes Zeichen, da es oft die Kleinbürger sind, die zuerst auf politische Veränderungen reagieren, vor allem da das Industrieproletariat in den letzten zwanzig Jahren ernsthafte Niederlagen einstecken mußte.

Nichtsdestotrotz ist es eine Frage auf Leben und Tod für die antiimperialistischen Kräfte, diese Bewegung dem Proletariat anzunähern, dem alten wie dem neuen. Mit pazifistischen und humanistischen Utopien, wie der Imperialismus verbessert werden könnte, wird der Weg zum Proletariat abgeschnitten. Auch gibt es keinen Platz für eine neuen keynsianischen Reformismus.

Unabhängig von dem Erfolg des Antiimperialistischen Blocks in Florenz bleibt die revolutionäre und antiimperialistische Linke doch in Bruchstücke zerteilt. Die zentrale Frage ist die Beziehung mit der neoreformistischen Führung des Sozialforums, die in letzter Instanz den Linksliberalismus unterstützt. Solange als einige Kräfte nicht bereit sind einen klaren Standpunkt nicht nur gegen den Linksliberalismus, der versucht erneut die Regierungsgeschäfte in Italien zu übernehmen, sondern auch gegen diejenigen, die erklären, dass der Linksliberalismus das „kleinere Übel“ sei, einzunehmen, wird die Einheit der antiimperialistischen Kräften unmöglich sein und unser Einfluß auf die Bewegung daher begrenzt bleiben.

Die politische Bedeutung der amerikanischen Aggression gegen den Irak kann eine günstige Situation für revolutionäre und antiimperialistische Kräfte erzeugen. Wenn der Irak zumindest ein paar Monate Widerstand leisten kann, können die existierenden internationalen Widersprüche explosiv werden, nicht nur können sie dann die Regierungen der US-Verbündeten bedrohen, sondern auch die Opposition zum Krieg, inklusive das Sozialforum, in eine ernste Krise schlittern lassen. Tatsächlich ist die Einheit, die in Porto Alegre geschaffen wurde, sehr prekär, da sie von Sozialdemokraten bis zu inkonsequenten Revolutionären reicht. Eine globale Widerstandsbewegung könnte nicht nur zu einer Desintegration der eigenartigen Allianz, die das Sozialforum leitet, führen und den Weg frei machen für einen internationalen Block nicht nur gegen den Krieg sondern auch für eine klaren Standpunkt auf Seiten des Iraks und der arabischen Massen gegen das imperialistische Massaker. Andererseits könnten die moderaten Kräfte sich wiedervereinigen mit dem Linksliberalismus und dafür mit Plätzen in Regierungen belohnt werden.

Wir müssen unser Möglichstes tun, um eine solche Klärung voranzutreiben. In Zeiten frontaler Zusammenstöße sind opportunistische Allianzen dazu verurteilt auseinanderzubrechen. Deswegen sind wir ein Teil dieser Bewegung und gleichzeitig kämpfen wir gegen die pazifistischen und neoreformistischen Kräfte innerhalb dieser. Dieser Kampf bereitet den Weg für ein zukünftiges Wachstum der antiimperialistischen Kräfte und ihrer Möglichkeit eine führende Rolle zu spielen. Daher dürfen wir unsere Hände nicht schmutzig machen und uns von jeder Verbindung mit jenen Kräften, die für einen Kompromiß mit einem „aufgeklärten und demokratischen Imperialismus“ suchen fernhalten.

Antiimperialistische Koordination, 15. November 2002

Italienische Unterstützer:
Assemblea antimperialista; Campo Antimperialista; Centro Popolare Occupato „La Fucina“; Comitati contro la guerra di Milano; Comitato contro la guerra Roma-Sud; Comitato per la Pace e la solidarietà  fra i Popoli; Comitato Provvisorio Immigrati in Italia; Coordinamento Nazionale per la Jugoslavia; Coordinamento dei comitati antimperialisti-antifascisti toscano; Coordinamento romagnolo contro le guerre e la Nato; G.A.MA.DI; Gruppo Zastava Trieste; Redazione di Resumen Latinoamericano; Soccorso Popolare

Internationale Unterstützer:

Tamilnadu Radical Student Union, Indien; Loyalty to Men and Earth, Libanon; DHKC International, Türkei; KKE (ML), Griechenland, Popular Democratic Left (IDP), Mexiko; Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP); Vietnam Veterans against the war (anti-imperialist); Internationale Leninistische Strömung (ILS); Rote Aktion, Duisburg, Deutschland; Revolutionär Kommunistische Liga, Thüringen, Deutschland; Revolutionär Kommunistische Liga, Österreich; Bewegung für Soziale Befreiung (BSB), Österreich; SKJ, Serbien; New National Front, Tschad; Al Wihda, Tschad; Serguei A. Novikov, Mitglied des ZK der RKRP-RPK, Russland; Committee to Defend Filipino Progressives in Europe-DEFEND; Mohamed Regragui, Aktivist der revolutionären Linken, Marokko; ACTUS, Tschad; Annahj Addimocrati, Marroko; Moro Islamic Liberation Front, Philippinen

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