Stimmungsmache gegen Israel-kritische Stimmen anläßlich der Veranstaltung mit Michael Warschawski
Nach scheinbar heftigen Interventionen und einer beispiellosen Stimmungsmache gegen die grundsätzlichen Kritiker Israels hat Susanne Jerusalem ihre Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung mit Michael Warschawski abgesagt. Warschawski ist die bekannteste antizionistische Stimme in Israel selbst und Fürsprecher eines binationalen demokratischen Staates – Ansichten, die ihn bereits hinter Gitter gebracht haben.
Mit folgenden Argumenten will das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, die Diskussion unterbinden:
„Nun ist gerade die AIK ein anschauliches Beispiel dafür, dass es eben nicht um „Kritik“ geht, sondern um die Vernichtung Israels. Und der Wunsch, den jüdischen Staat von der Landkarte verschwinden zu lassen, kann wohl nicht anders als antisemitisch bezeichnet werden. […] In der IKG weiß man übrigens nichts von einer Anfrage an Dr. Muzicant. Daneben käme es ihm nie in den Sinn, mit Menschen öffentlich zu diskutieren, die den Juden und Jüdinnen das Recht auf einen eigenen Staat (und damit das Recht auf Sicherheit vor antisemitischer Verfolgung) absprechen. Dennoch wirbt die AIK weiter mit der möglichen Teilnahme Muzicants.“
Susanne Jerusalem wurde obendrein scheinbar der Text des notorischen Rassisten Thomas Schmidinger (http://xover.htu.tuwien.ac.at/abc/natrevo.html ) zugeschickt, dessen Vorwurf des Antisemitismus wir im folgenden entgegnen.
Die IKG hat im übrigen noch am Dienstag den 7. Jänner auf telefonische Rückfrage hin nicht nur den Erhalt unserer schriftlichen Einladung bestätigt, sondern auch ihren Versuch bekundet, einen Vertreter zu schicken, wenn auch nicht den Vorsitzenden.
Grundsätzliche Diskussion über Israel ist scheinbar von Seiten der Scharon-Freunde nicht gewünscht. Sie kennen nur die Sprache der Verleumdung sowie der Gewalt, des Terrors und der Vertreibung.
Wir lassen uns nicht beirren und laden zur Diskussion:
Sonntag, 12. Jänner 2003
18:30 Afro-Asiatisches Institut, Türkenstraße 3
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Vorwurf:
In Österreich wird die militant antizionistische Fraktion der Linken, deren Antizionismus zu Vernichtungsphantasien gegenüber Israel führt und immer wieder in der etwas beschönigend verpackten Forderung nach der Vertreibung – zumindest der aus Europa eingewanderten – Jüdinnen und Juden aus Israel mündet, also ein nur schlecht kaschierter Antisemitismus ist, v.a. von der Antiimperialistischen Koordination (AIK), der ex-trotzkistischen Revolutionär Kommunistischen Liga (RKL) und der maoistischen Kommunistischen Aktion (KOMAK), die sich vor Kurzem mit der „Initiative Marxisten-Leninisten“ (IML) fusioniert hat, vertreten. In ihren Publikationen werden die Selbstmordattentate in Israel und den besetzten Gebieten als legitimer Befreiungskampf beworben. Sowohl die RKL, mit ihrer Vorfeldorganisation „Bewegung für soziale Befreiung“ (BsB) fordert immer wieder ein „arabisches Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer“ in dem die „Besiedlung im Dienste des Imperialismus [könne] nicht geduldet und [müsse] rückgängig gemacht werden“ müsse.
Antwort:
Mit dem Begriff „Vernichtungsphantasien“ soll ein Zusammenhang mit dem Holocaust suggeriert werden. Tatsächlich haben wir wieder und wieder gesagt, dass wir für einen demokratischen und gegen einen exklusiv jüdischen Staat eintreten, der per se gegenüber der ursprünglichen Bevölkerung Apartheid oder gar Vernichtung bedeutet. Es sind jene Leute, die uns solche Vorwürfe machen, denen die Vernichtungsphantasien zugeschrieben werden müssen.
Der Vorwurf der Vertreibung ist frei erfunden. Im Gegenteil, wir betonen immer und immer, dass ein demokratischer Staat allen dort lebenden Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität oder Religionszugehörigkeit, Platz bieten muss. In diesem Zusammenhang haben wir auch immer darauf hingewiesen, dass Israel als exklusiv jüdischer Staat eine Gefahr für die jüdische Existenz in Nahost bedeutet. Nur wenn die jüdische Bevölkerung einen demokratischen Staat akzeptiert, wird sie friedlich leben können. Solange sie als Kolonisten und Unterdrücker auftritt, wird sie immer Widerstand hervorrufen und ihre Existenz wird immer prekär sein. Gerade der Kampf für einen demokratischen Staat ist die einzige Sicherung für die jüdische Existenz im Nahen Osten.
Über die möglichen Formen eines demokratischen Staates wird viel diskutiert und es sind viele Varianten entworfen worden, so zum Beispiel von Michel Warschawski die Idee eines binationalen Staates, also zweier Titularnationen ohne exklusive territoriale Ansprüche. Dessen Durchführbarkeit hängt aber davon ab in welchem Ausmaß das Kolonialvolk sich auf die Seite der Kolonisierten stellt. A priori ist das nicht zu sagen.
Was die Siedlungen in den besetzten Gebieten betrifft, ja die müssen aufgelöst werden!
Vorwurf:
Für die RKL ist die gesamte „Al-Aqsa-Intifada“, samt Selbstmordattentaten und antisemitischen Propagandakundgebungen auf denen islamistische Imame und Funktionäre von Hamas, Gihad oder ehemals sekulärer Milizen dazu aufrufen „Juden zu vernichten“ „nichts geringeres als der Kampfschrei der übergroßen Mehrheit des palästinensischen Volkes, die nicht länger bereit ist, die zionistische Herrschaft und ihre täglichen Verbrechen unter dem Deckmantel des „Friedensprozesses“, zu akzeptieren“.
Antwort:
Selbst der Dschihad ist dazu fähig zwischen Juden als Religion und Zionisten zu unterscheiden. Niemand ruft dazu auf „Juden zu vernichten“, das ist eine kranke Propagandaphantasie. Wozu sehr wohl aufgerufen wird, ist, die Okkupanten zu vernichten,. Nur, das hat mit Antisemitismus nichts zu tun, das ist Antikolonialismus.
Selbstmordattentate sind ein in der Geschichte immer wieder auftretendes Phänomen. Meist werden sie dann angewandt, wenn sich die Unterdrückten in einem derartigen Kräfteungleichgewicht befinden, dass ihnen die Vernichtung des eigenen Lebens als einzige Möglichkeit erscheint, dem Gegner Schaden zuzufügen. Hätten die Palästinenser eine reguläre Armee, gäbe es keine Selbstmordattentate. Die politische Kampforganisation, die die meisten Selbstmordattentate verübt hat, sind übrigens die Tamil Tigers, die für einen tamilischen Staat auf Sri Lanka kämpfen. Selbstmordattentate an sich haben nichts mit Religion oder Antisemitismus zu tun.
Extreme Formen der Unterdrückung rufen extreme Kampfmethoden hervor, die nicht die unseren sind. Über die Legitimität des palästinensischen Befreiungskampf sagen sie schlichtweg gar nichts aus.
Was den Friedensprozess betrifft, so steht es wohl außer Zweifel, dass dieser von Israel nie ernst gemeint war. Bester Beweis dafür ist die fortgesetzte und noch intensivierte Siedlungstätigkeit in den Besetzen Gebieten während des „Friedensprozesses“.
Vorwurf:
Während die RKL überall in der Welt „nationale Befreiungskämpfe“ unterstützt und sich auch auf völkische Befreiungsbewegungen wie die PKK ausschließlich positiv bezieht, kämpft sie lediglich um die Zerstörung einer einzigen „Nation“, nämlich Israel, der Staat der Überlebenden der Schoa.
Antwort:
Völkische Befreiungsbewegung? Was soll das sein? Dass das kurdische Volk existiert und unterdrückt ist, daran kann kein Zweifel bestehen. Was daran „völkisch“ sein soll, kann man nur verstehen, wenn man den Amerikanismus für Internationalismus hält. Für uns ist das nationale Selbstbestimmungsrecht jedenfalls ein demokratisches Recht.
Wir sind gegen den Zionismus, der Umwandlung der jüdischen Religion in eine kolonialistische Nation. Als Opfer eines Völkermordes werden die Juden zum Kanonenfutter der US-Hegemonialbestrebungen gegen die Araber gemacht um die Apartheid des Siedlerkolonialismus zu rechtfertigen.
Vorwurf:
Dies trifft auch auf die KOMAK zu, die sich nach ihrer Fusion mit der IML nun KOMAK-ML nennt. Von Israel spricht sie nur als von einem „zionistische[n] Apartheidstaat“ gegen den das „heldenhafte Ringen des palästinensischen Volkes um seine elementaren Rechte“ in Form der Intifada gerichtet ist. „Frieden in der Region kann es“ für die KOMAK „nur geben, wenn die Imperialisten ihre Finger davon lassen – was zugleich den Zusammenbruch des israelischen Staates bedeuten würde.“ Die Antiimperialistische Koordination (AIK) teilt nicht nur diesen Vernichtungswillen gegenüber dem Staat Israel als einzigem zu zerstörenden Staat, sondern geht in ihrer Propaganda noch einen Schritt weiter. In Nr. 8 ihrer Zeitung „Intifada“ lässt sie Ali Nasser Wafa´ Idris, die erste weibliche Selbstmordattentäterin als Heldin feiern, „die für ihr Volk lebte und starb“.
Antwort:
Apartheid ist Rassendiskriminierung. Israel ist ein klassisches Beispiel dafür, nämlich in der Konstruierung einer Herrenrasse und der zugehörigen niedrigeren Rasse der Araber, die unterdrückt werden soll.
Wafa Idris wurde als Beispiel genannt, weil sie gänzlich säkular war. Wir wollen zeigen, wie wenig es sich um religiöse Fanatiker handelt als vielmehr um politisch-sozial völlig Verzweifelte.
Vorwurf:
Offen wird der Vernichtung israelischer Jüdinnen und Juden das Wort geredet. Um sich nach solchen Ergüssen gegen den Vorwurf des Antisemitismus zu wehren schiebt die AIK eine alte österreichische Antifaschistin und KZ-Überlebende vor, die dann im Namen der AIK verkünden darf, dass sich „hinter dem vermeintlichen Kampf der Linksliberalen gegen Antisemitismus“ ein „latenter, im Falle der Antinationalen unverhohlener, anti-arabischer und anti-islamischer Rassismus“ verberge.
Antwort:
Der Verfasser dieser Hetzschrift steht jener Gruppe nahe, die als Reaktion auf den 11. September 2001 die Bombardierung aller islamischen Länder gefordert hat (bekannt unter „Berliner Kommandoerklärung“ der Zeitschrift Bahamas). Es ist dies tiefsitzender Chauvinismus gegenüber allem islamischen und arabischen, der eines Bush würdig ist.
Die Antifaschistin ist Margarethe Gal. Sie vertritt die klassische antizionistische Position der alten, auch jüdischen Arbeiterbewegung, aus der sie stammt. Da es für sie während ihres gesamten politischen Lebens eine Selbstverständlichkeit war, auf der Seite der Unterdrückten zu stehen, so sieht sie heute ihren Platz unter anderem in der Solidaritätsbewegung mit den Palästinensern. Sie hat im Übrigen den Verfasser dieser Hetzschrift bereits mündlich dazu aufgefordert, jede weitere Behauptung, sie würde sich missbrauchen lassen, zu unterlassen. Dass Schmidinger dieser Aufforderung nicht Folge leistet, spricht Bände über den Respekt, den er Opfern des Faschismus und Widerstandskämpfern zuteil werden lässt.
Vorwurf:
Die AIK verteidigte auch eine Demonstration von Hiszbulla-UnterstützerInnen in Wien, zu der im Dezember nicht nur die hiesigen UnterstützerInnen der schiitischen Islamisten erschienen waren, sondern auch eine Nazihomepage, die „Wiener Nachrichten online“ aufgerufen hatte.
Antwort:
Von Hisbollah und Islamisten keine Spur, sondern ein schiitisches botschaftsnahes Komitee. Warum sollen die Schiiten nicht für Palästina demonstrieren? Dürfen sie nicht, weil die Moslems sind? Dass Nazis das aufgreifen, ist ihr Problem. Im übrigen war die AIK an dieser Demonstration nicht beteiligt, hat auch nicht dazu aufgerufen.
Vorwurf:
Das Flugblatt zur Ankündigung der Demonstration, das auch an Umstehende verteilt wurde forderte „Palästina den Palästinensern!“ Auch eine positive Bezugnahme auf den Rassismus in Österreich fand sich im selben Flugblatt: „Wie in Österreich müssen auch [in Palästina, Anm.] die Einheimischen entscheiden, wer von den Zuwanderern und Eindringlingen in ihrem Land bleiben darf und wer es verlassen und dorthin zurückkehren muss, woher er gekommen ist.“
Antwort:
Was ein schiitisch-islamisches Komitee macht, dafür tragen wir keine Verantwortung, genauso wenig wie die Palästinenser. Dass Leute aus dem Nahen Osten alle, fortschrittliche wie reaktionäre Argumente gegen Israel ins Treffen führen, ist bekannt. Zuweilen vorgebrachte falsche Argumente machen die palästinensische Sache deswegen noch nicht reaktionär.