Plattform des antiimperialistischen Kampfes oder europäische Selbstinszenierung?
Das europäische Sozialforum, das Ende November in Florenz abgehalten wurde, präsentierte sich mit vielen verschiedenen Themen und Organisationen. So konnten neben Veranstaltungen für Ungehorsam und passiven Widerstand, neben Auseinandersetzungen über die positiven Aufgaben des EU-Parlamentes auch solche zu Kolumbien, Palästina und Irak angehört werden. Die Positionierung gegen den antiimperialistischen Krieg war eine der Hauptforderungen, sowohl beim Sozialforum, als auch bei der von ihm initiierten Demonstration, an der laut Schätzungen zwischen fünfhunderttausend und einer Million Leute teilnahmen.
Verglichen mit dem Weltsozialforum in Porto Alegre war des Europäische Sozialforum deutlich linker. Das Weltsozialforum hat sich von der Linken verabschiedet. Anstatt sich mit den unterdrückten Völkern zu solidarisieren, schüttelte eine seiner Hauptvertreterinnen, Susan George, einem ihrer Mörder, George W. Bush, die Hand. Die kolumbianische Befreiungsarmee FARC und die baskische Batasuna wurden aufgrund ihres bewaffneten Kampfes nicht zum Sozialforum zugelassen. Hier ist die bürgerliche Scheinmoral eine offensichtliche, ihre Positionierung gegen die Unterdrückten, gegen ihren legitimen Kampf, und für die Aufrechterhaltung des Status-Quo schwer zu leugnen. Wie kann nun das europäische Sozialforum eingeordnet werden? Als antiimperialistisch oder, wie sein großer Vorläufer, als bürgerliche Spielart der Selbstgefälligkeit?
Die Antwort ist weder noch. Denn trotz der klaren Stellungnahme gegen den Imperialismus, zieht das Sozialforum nicht die logischen Schlüsse, die in einem wirklichen Kampf gegen diesen unabdingbar wären. Durch den Ausschluss aller Befreiungskräfte, die sich des bewaffneten Kampfes bedienen, und seiner streng pazifistischen Haltung bleibt sein Antiimperialismus eine leere Worthülse.
Bei den Veranstaltungen zu Palästina sprachen als wichtigste Vertreter die Frauen in Schwarz, ein Vertreter des Alternative Information Centers und ein Wehrdienstverweigerer. Sie alle sind linke, zum Teil auch antiimperialistische Kräfte. Zwei Punkte sind aber eindeutig und sagen viel über den Charakter des Sozialforums aus. Keine bewaffnet agierende, nicht einmal eine palästinensische Organisation war vertreten!
Die Politik dahinter ist klar. Es geht dem Sozialforum nicht um eine wirkliche, gerechte Lösung des Konfliktes. „Zivilcourage“, nicht wirklicher Kampf ist gefragt. Ist in der realen Politik, in dem realen Konflikt kein friedliches Miteinander mit dem militärischen Apartheid-Staat Israel möglich, so muss eben im Kopf oder auf der Insel der Seligen – Europa – konstruiert werden, was dem bürgerlichen Links-Liberalen gefällt. Der Grundtenor der Stellungnahmen der Organisationen war zwar ein eindeutiger gegen den Völkermord und gegen die Siedler in Palästina. Aber sie treten für eine Zwei-Staaten-Lösung ein, mit einem reformierten, antirassistischen Israel. Ihre Antwort auf das Massaker ist eine pazifistische. Mit diesen Punkten trennen sie sich von dem realen und antiimperialistischen Kampf. Sie verkennen die reale Situation und sie verkennen den Charakter des Staates Israel. Zwar sprechen sie sich für die Unterstützung der Intifada aus, trennen diese aber von den Selbstmordattentaten. Sie fordern friedlichen Widerstand, appellieren an die EU in den Siedlungen erzeugte israelische Produkte zu boykottieren und fordern israelische Soldaten auf, den Wehrdienst zu verweigern. Diese Schritte sind gut und wichtig. Doch diese Art von Politik impliziert eine Distanzierung von jenen Kräften, die in ihrem legitimen Widerstand gegen die Besatzung zur Waffe greifen. Der Glaube, dass es alleine ausreicht dem Morden und der Unterdrückung ein Ende zu setzen, in dem die andere Backe hingehalten wird, erscheint aber nicht nur naiv, sondern bringt in Wirklichkeit eine gefährliche Unterstützung des barbarischen Systems mit sich, in dem versucht wird, den potenziellen Widerstand in ungefährliche Bahnen zu lenken, die Befreiungsbewegung zu spalten. Diese Spaltung gelingt aber lediglich in Europa und zwischen der israelischen Linken und dem palästinensischen Befeiungskampf. Es wäre allerdings an der Zeit, dass auch die Linke wieder ihre Aufgabe als AntiimperialistInnen erkennt und sich hinter den Kampf der geknechteten Völker für Leben und Freiheit stellt.
Sonja Tczurlovic