Das Bauwerk soll aus Mauern, elektrischen Zäunen, Wachtürmen etc. bestehen. Die israelische Regierung scheint damit einer Forderung der „israelischen Linken“ nach einer „Trennung“ zwischen Israel und Palästina nachzukommen.
Der Gazastreifen ist bereits seit Jahren vollkommen von Zäunen und Mauern umgeben, alle Zugänge werden von der israelischen Armee kontrolliert. Er ist eines der am dichtesten bevölkerten Gebiete der Welt und gleicht einem riesigen Gefängnis. Dieses Modell der nahezu perfekten Abriegelung soll nun auch für das Westjordanland geschaffen werden.
Bis jetzt hat die israelische Regierung jedoch keine Pläne veröffentlicht, aus denen ersichtlich ist, wie der konkrete Verlauf der Mauer aussehen soll. In den letzten Monaten ist jedoch klar geworden, was tatsächlich geplant ist. Der erste Abschnitt der Mauer verläuft nicht entlang der sogenannten „Grünen Linie“, der Grenze des Westjordanlands, sondern östlich davon, auf palästinensischem Land. Mit dem Bau der Mauer soll rund ein Zehntel des Westjordanlands an Israel annektiert werden, das zum militärischen Sperrgebiet erklärt wird – natürlich betrifft dies nur seine palästinensischen Bewohner. Rund sechzig illegale israelische Siedlungen im Westjordanland mit 303.000 israelischen Siedlern sollen Israel einverleibt werden, doch auch etwa 385.000 Palästinenser werden sich plötzlich westlich der Mauer finden, auf „israelischer Seite“. Während die israelischen Siedler im Westjordanland auch jetzt schon die vollen Rechte einer israelischen Staatsbürgerschaft genießen und unter Armeeschutz freie Bahn in den 1967 besetzten Gebieten haben, werden auch die Palästinenser, die nach dem Mauerbau unter direkte Kontrolle des Staats Israel gelangen und vom übrigen Westjordanland abgeschnitten sind, keinerlei Aufenthalts- oder Staatsbürgerrechte erhalten.
Die Mauer ist ein weiteres Element der israelischen Apartheidpolitik. Sie soll Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion trennen. Die Mauer dient aber vor allem neuer ethnischer Säuberung. Für den Bau selbst wird in großem Maßstab palästinensisches Land enteignet und seine Bewohner vertrieben. Den Bewohnern der Dörfer, die westlich der Mauer liegen werden, wird jegliche Bewegungsfreiheit genommen. Viele Dörfer werden von ihrem Land mit Glashäusern, Oliven- und Obstbäumen und sonstiger landwirtschaftlicher Nutzung abgeschnitten. Zusätzlich werden viele Ortschaften von Mauern umgeben sein: Auf der einen Seite bestehen zum Teil schon Mauern und Zäune entlang der „Grünen Linie“, auf der anderen Seite wird nun eine weitere Mauer gebaut. Gewiss, die Mauer soll Tore haben; gewiss, den Menschen wurden vage Versprechungen gemacht, dass sie Genehmigungen erhalten werden um ihr Land zu bestellen. Die konkreten Erfahrungen der 35 Jahre dauernden Besatzung des Westjordanlandes durch Israel haben gezeigt, was von solchen Ankündigen zu halten ist.
Israelische Kontrolle über diesen Teil des Westjordanlands bedeutet auch israelische Herrschaft über den Grundwasserstrom, der 51% der Wasserversorgung des Westjordanlands sicherstellt. Allein in der Stadt Qalqilya werden 14 Brunnen – 30% der Wasserversorgung -konfisziert.
Die genauen Pläne für die Mauer bei Jerusalem sind noch unklar. Die Situation um diese Stadt stellt für das israelische Regime ein Problem dar: Alle Regierungen – ob unter der Arbeiterpartei, dem Likud-Block, ob mit oder ohne Rechtsradikalen – haben den Bau israelischer Siedlungen in und um Jerusalem auf enteignetem Land vorangetrieben. Mit der Mauer sollen nun möglichst viele Siedlungen an Israel angeschlossen und möglichst viele Palästinenser vom israelisch besetzten Jerusalem abgeschnitten werden. Doch die geplante Mauer annektiert nicht nur Siedlungen mit 180.000 Israelis, sondern auch Stadtteile und Dörfer mit 276.000 Palästinensern. „Um dieses demografische Problem zu lösen“, heißt es in einem Bericht der Regierung, „wird Israel zwei Mauern um Jerusalem bauen. Die erste ist die innere Mauer, entlang der von Israel definierten Stadtgrenzen.“ Wieder geraten Palästinenser und Palästinenserinnen zwischen zwei Mauern. Eines der ummauerten Bantustans wird das Flüchtlingslager Qalandia sein. So vermeidet die israelische Regierung das „demografische Problem“ – oder eigentlich: das „rassische“ Problem -, Tausende Palästinenser auf „ihrer“ Seite der Mauer zu haben.
Der Staat Israel wendet unterschiedliche Methoden zur Vertreibung der Palästinenser – zur ethnischen Säuberung – an. Das zeigt sich auch beim Bau der Mauer: Enteignung von Land und Vertreibung der Bewohner, Vernichtung der Landwirtschaft, Einschließen der Bewohner und Entzug der Lebensgrundlage.
Im modernen Hebräisch gibt es eine Reihe Euphemismen für die Verbrechen der israelischen Regierung. So steht „Transfer“ für Deportation und Vertreibung, „Trennung“ für Apartheid, und „Terror“ für den Widerstand gegen die Besatzung.
David Babelfisch
Quellen:
LAW
Ha`aretz
Die vier Bantustans
Durch den Bau der Mauer werden allein im Abschnitt nördlich von Jerusalem vier vollkommen eingeschlossene Bantustans, Palästinenser-Reservate geschaffen.
1. Rummaneh, al-Taybeh und andere Dörfer (bei Jenin; 8.560 Menschen);
2. Nazlat `Izza, Khirbet Abdullah al-Yunis, Barta`a al-Sharqiyya, al-Baqa al-Shaqiyya (9.342 Menschen);
3. die Stadt Tulkarm, Shuweika und andere Dörfer (45.179 Menschen);
4. die Stadt Qalqilya und einige Dörfer (47.992 Menschen) – dieses Gebiet soll völlig mit einer Mauer umgeben werden, mit einem einzigen Ein- und Ausgang. Allein Qalqilya wird 15% des Gemeindelands und mehr als der Hälfte seiner landwirtschaftlichen Fläche beraubt. Bis jetzt galt Qalqilya als der Obstgarten Palästinas. Das soll sich nach dem Willen der Besatzer ändern.