„Wenn du aufhörst zu träumen, hörst du auf zu leben
„
Marcel Khalife wurde 1950 in Amchit im Libanon geboren. Er studierte nahöstliche Laute – bekannt auf Arabisch als „Oud“ – an der Nationalen Musikakademie in Beirut. Obwohl zu jener Zeit das Spielen der Oud durch sehr strenge technische Regeln bestimmt wurde, haben Marcel Khalife und andere Musiker diese Regeln erweitert und damit die musikalischen Möglichkeiten der Oud entwickelt. Khalife unterrichtete von 1970 bis 1975 am nationalen Musikkonservatorium und an anderen Instituten. Während dieser Zeit gab er überall im Mittleren Osten, Nordafrika, Europa und Nordamerika Solo-Konzerte. 1972 gründete Khalife in Amchit, der Stadt in der er geboren wurde, eine Musikgruppe. Die Gruppe, die dann in ganz Libanon auftrat, wollte die arabische Musik und ihr chorales Erbe wiederbeleben. Zur Zeit des libanesischen Bürgerkrieges war Marcel allseits beliebt. Die Tatsache, dass er der kommunistischen Partei angehörte, änderte nichts daran, dass er ein Repräsentant der Gefühle, Träume und Hoffnungen vieler Freiheitskämpfer verschiedener Richtungen war. Anfang der 80er Jahre hat Marcel an Popularität gewonnen, so dass seine Lieder und Musikstücke in der ganzen arabischen Welt zu hören waren.
Am 26.10.2002 gab Khalife, zusammen mit dem österr. Musiker Peter Herbert, in Schwarzenberg in Vorarlberg im Rahmen eines internationalen Kongresses („Kindheit und Trauma“) ein Konzert. Das gemeinsame Auftreten der beiden Musiker hat gezeigt, wie sehr sich Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen verstehen und aufeinander eingehen können. Im Anschluss an das Konzert gab uns Marcel Gelegenheit zu einem Gespräch. Das ist, was er uns mit auf den Weg gab:
„Ihr kommt aus Palästina! Eines möchte ich Euch sagen – lasst niemals das Sektenwesen zwischen Euch herrschen. In erster Linie seid Ihr Palästinenser! Auch wenn Ihr Christen, Muslime oder sonst was seid! Vergesst all diese Gruppierungen und besinnt Euch auf die Nationalität! Gerade die religiösen Unterschiede machen sich die Feinde zunutze und versuchen auch auf dieser Basis, das palästinensische Volk zu zersplittern. Der zionistische Feind ist stark – vielleicht stärker als wir glauben! Er hat es im Libanon geschafft, das Volk gegeneinander aufzuhetzen – leider mit Erfolg. Was wir im Libanon erlebten, ist ja bekannt. Dasselbe wird nun in Palästina versucht.
Einer von Euch hat die palästinensische Flagge zu dem Konzert mitgenommen. Diese Flagge hat nach der Veranstaltung eine Diskussion ausgelöst. Ein paar der Organisatoren haben es als unpassend kritisiert, eine Nationalflagge zu einem Konzert mitzubringen. Denn wenn man etwas aus Überzeugung tut und man glaubt an das, was man tut, so muss man versuchen, dies den anderen verständlich zu machen, auch wenn sie gerade diese Idee nicht von vornherein akzeptieren.
Das Vertrauen und den Glauben, dass wir keine dritte Welt sind, muss man haben. Wir sind entwickelte Länder. Genau so wie sie entwickelt sind, sind wir es auch. Und wir können die Botschaft nur vermitteln, wenn wir selbst daran glauben! Ich nehme die Laute zur Hand und niemand hat mir zu sagen, warum die Laute so aussieht oder warum die Saiten so klingen. Ich habe auch keinen Minderwertigkeitskomplex oder Schuldgefühle. Die Laute ist genau wie das Klavier oder wie andere Musikinstrumente.
Ich habe starke Ideen und wenn ich dauerhaft daran arbeite, kann ich diese Ideen vermitteln. Ich werde diesen Weg durchziehen, bis ich das arabische Lied dort sehe, wo es verdient zu sein. Die Nationalflagge der Organisatoren ist überall zu finden, im Gegensatz zu Eurer.
Wenn man hungrig ist, also wenn wir einen Afrikaner aus einem Hungersnotgebiet nehmen würden, ihn hierher bringen und ihm einen vollen Tisch anbieten, so würde er essen und nichts am Tisch lassen. Aber für einen Österreicher ist es die Normalität, einen voll gedeckten Tisch zu sehen. Dementsprechend wird sein Verhalten anders sein.
Ihr habt das Gefühl, euch fehlt etwas und genau das wollt ihr zum Ausdruck bringen. Ich kam hierher und hatte ein Programm. Die Idee zum Ausdruck zu bringen geschieht nicht nur in einer Sprache. Meine Sprache ist die Musik, in der viel Energie und Potential steckt.
Ich komponiere, weil ich großen Glauben in meine Arbeit habe. Ihr fragt, ob ich Hoffnungslosigkeit spüre. Ja, ich spüre sie, aber das hindert mich nicht weiter zu träumen. Ich träume weiter. Wenn ich eine Note auf ein Stück Papier setze, so spüre ich, dass ich etwas bewegen kann.
Wir haben bedeutungslose erschlaffende Regierungen, die ganze Welt schaut schweigend zu und es kommt dazu, was Bush tut. Trotz alledem solltest du deinen Traum nicht aufgeben. Denn wenn du aufhörst zu träumen, hörst du auf zu leben. Lebt danach, egal ob Euer Umfeld dies gutheißt oder nicht.