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„Der Irak braucht die patriotische Opposition“

1. Februar 2003

Interview mit Abd al-Jabbar al-Kubaysi (Patriotische Irakische Opposition)

Abd al-Jabbar al-Kubaysi ist führendes Mitglied der Patriotischen Irakischen Opposition. Das Interview führte Ibrahim Alloush am 13. Dezember 2002 in Bagdad.

Herr Abd al-Jabbar al-Kubaysi, könnten Sie uns sagen, wie Sie ein Oppositioneller wurden?

Al-Kubaysi: Ich trat der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei 1958 im Alter von 15 Jahren bei. Ich wurde 1959 in den Tagen von Abd al-Karim Qasim und erneut 1960 wegen meiner Aktivitäten an der Universität verhaftet. 1961 ging ich nach Beirut und kam nach Erhalt meines Diploms in den Irak zurück.
Ich wurde aufgefordert, meinen Wehrdienst anzutreten. Das tat ich in der al-Walid-Basis in der Nähe der Grenze zu Jordanien. Die palästinensische Widerstandsbewegung steckte damals noch in den Kinderschuhen. Ich transportierte alle Waffen, die ich bekommen konnte, über die Grenze, weil meine Arbeit als Ingenieur von Rollbahnen und Bunkern häufige Reisen nach Jordanien einschloss und ich ein militärisches Fahrzeug fuhr, das nicht der Zollkontrolle unterlag.
Nach dem 17. Juli 1968, als Ahmad Hasan al-Bakr im Irak an die Macht kam, wurde ich für eine Zeitspanne von neuneinhalb Monaten eingesperrt. Ich wurde zwar freigelassen, aber einen Monat später wieder für ein Jahr und sieben Monate inhaftiert. Im Juni 1971 wurde ich dann erneut aus der Haft entlassen.

Warum wurden Sie von Ihren Baath-Genossen verhaftet, die gerade an die Macht gekommen waren? War es wegen einer speziellen Aktion, oder weil Sie dem anderen Flügel der Baath-Partei angehörten?

Al-Kubaysi: Es gab keinen speziellen Anklagepunkt. Vielleicht war die erste Verhaftung eine Vorsichtsmaßnahme, weil sie vor kurzem die Macht übernommen hatten. Aber die zweite Periode der Haft kam, nachdem jemand ausgesagt hatte, dass ich dem militärischen Zweig unseres Flügels der Baath-Partei angehörte. Ich wurde übrigens ohne Prozess eingesperrt.
Aber nachdem ich freigelassen worden war, kehrte ich zu meiner Arbeitsstelle bei der Mineralölgesellschaft zurück, die im Übrigen der Regierung gehörte. Dann blieb ich im Irak und arbeitete in der geheimen Organisation des anderen Flügels der Baath-Partei bis zum August 1976.

Was geschah im August 1976?

Al-Kubaysi: Der Verantwortliche für die geheime Arbeit der Partei im Irak, Ahmad al-Azzawi, wurde in Damaskus ermordet. Er war Mitglied der pan-arabischen Führung der Partei mit Hauptsitz in Syrien gewesen. Ich wurde bestimmt, um nach Damaskus zu gehen und seine Stelle einzunehmen.

Also legten Sie Ihre Karten auf den Tisch?

Al-Kubaysi: Ich ging nach Damaskus ohne eine Absicht auf Rückkehr. Ich hatte im Untergrund gearbeitet. Ich fuhr nach Kairo und von dort aus nach Damaskus, um der Vertreter der geheimen Organisation im Irak zu werden……

Und Sie gingen nicht in den Irak zurück, bis……?

Al-Kubaysi: Bis zum 11. November 2002, als ich nach Bagdad zurückkehrte.

Was taten Sie in Syrien?

Al-Kubaysi: Ich war Mitglied der pan-arabischen Führung der Baath-Partei und verantwortlich für das Büro, das Verbindungen mit allen irakischen Oppositionsgruppen, sowohl Arabern als auch Kurden, hatte. 1980 wurde die Demokratische Nationale Patriotische Front in Damaskus gebildet, die alle irakischen Oppositionsparteien vereinigte. Sie hatten keinen Chef, sondern es gab ein allgemeines Sekretariat und ich war eines seiner Mitglieder, gemeinsam mit [dem kurdischen Führer] Jalal al-Talibani, Aziz Muhammad von der Irakischen Kommunistischen Partei, Awni al-Qalamji und anderen. Die Mitgliedschaft in dem Sekretariat der Parteien wurde nicht Individuen übertragen, sondern den Parteien und jede Partei konnte ihren Vertreter in das Sekretariat wählen.

Aber das Verhältnis mit dem syrischen Regime begannen sich zu verschlechtern?

Al-Kubaysi: Am 13. Juli 1982 veröffentlichten wir eine Deklaration im Namen der Baath-Partei und der Front, die die Versuche des Iran verurteilte, irakisches Territorium anzugreifen. Wir hatten von Anfang an eine Position gegen den Krieg eingenommen und gegen den Einmarsch von irakischen Truppen in den Iran. So war es für uns nicht sinnvoll, dem Einmarsch von iranischen Truppen in den Irak zuzustimmen. Das verstärkte die Probleme mit dem syrischen Regime. Als Ergebnis davon wurde ich in Damaskus unter Hausarrest gesetzt.
Danach geschah die Geschichte mit Kuwait. Zu diesem Zeitpunkt fanden Treffen mit den syrischen Herrschern statt. Sie ersuchten mich, wieder mit ihnen zu arbeiten, aber ich weigerte mich. So wurde ich wieder unter Hausarrest gestellt, nachdem ich kurz herausgelassen worden war. Dieser dauerte bis genau eine Woche nach dem Ende des zweiten Golfkrieges an. Danach wurden die Sicherheitswachen von meiner Wohngegend abgezogen. Aber ich konnte nicht ausreisen, weil ich keinen Pass hatte. Während des ersten Golfkriegs [Iran-Irak-Krieg] hatten die irakischen Oppositionsgruppen begonnen, Syrien zu verlassen, unter ihnen die Parteien, die einen arabisch-nationalistischen Anspruch hatten. Und einige Kommunisten, die ihre Verbindung zu der Kommunistischen Partei abgebrochen hatten, weil die Kommunistische Partei mit der iranischen Armee kämpfte und unter dem Einfluss der Kurden und der syrischen Herrscher stand. Nach dem Ende des Zweiten Golfkriegs [US-Angriff gegen Irak, 1990 – 1991] verließen irakische Oppositionelle in größerer Zahl Syrien, um nach Europa zu gehen. Was mich betraf, ich blieb bis 1997 in Syrien. 1996 gaben sie mir meinen syrischen Diplomatenpass zurück. Als ich ihn benutzte, kam ich nie wieder nach Syrien zurück.

Wie war ihr Verhältnis zu den irakischen Oppositionsgruppen in Syrien zu dieser Zeit?

Al-Kubaysi: Wir teilten eine gemeinsame Haltung gegenüber dem irakischen Regime und für Demokratie und Freiheit im Irak. Aber politische Entwicklungen führten zu einer Spaltung der Opposition in zwei Blöcke. Diese Blöcke kristallisierten sich während der zweiten Periode des ersten Golfkrieges und während des Angriffs von dreißig Nationen gegen den Irak heraus. Ein Block der Opposition wurde von den offiziellen Kommunisten und den zwei Flügeln der kurdischen nationalen Bewegung gebildet. Der andere Oppositionsblock bestand aus den arabischen Nationalisten und jenen Kommunisten, die sich weigerten, mit dem Iran zusammenzuarbeiten.

Sie sind als Vertreter des Irakischen Nationalen Bündnisses mit einer Abordnung in den Irak gekommen, die fünf andere Teilnehmer mit einschließt. Diese vertreten andere Flügel der Führung des Bündnisses. Was ist das Irakische Nationale Bündnis genau und wer gehört ihm an?

Al-Kubaysi: Die gleichen Gruppen in Syrien, die eine Position gegen den amerikanischen Angriff auf den Irak einnahmen und später nach Europa gingen. Zuvor hatten sie sich gegen die iranische Invasion des Irak ausgesprochen. Alle diese Gruppen hielten im Juni 1992 einen Kongress in Schweden ab, wo sie das Irakische Nationale Bündnis bildeten, basierend auf einer gemeinsamen Sicht der Ereignisse, auf einer Verurteilung des Embargos gegen den Irak und auf einer Forderung nach mehr Freiheiten im Irak. Die Gruppen, die an dem Irakischen Nationalen Bündnis teilnehmen, sind:

– der andere Flügel der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei
– die Sozialistische Einheitspartei (nasseristisch orientiert)
– die Arabische Arbeitspartei (Arabische Nationalisten-Marxisten)
– die Arabische Sozialistische Bewegung (der Rest der arabisch-nationalistischen Bewegung, die mehrheitlich zum Marxismus neigte)
– die Kurdisch-Islamische Armee
– die Kurdistan-Friedenspartei (bestehend aus kurdischen Intellektuellen und Journalisten)
– die patriotische Tendenz in der Irakischen Kommunistischen Partei
– eine Gruppe von unabhängigen Politikern und Intellektuellen

Welches reale politische Gewicht haben alle diese Organisationen unter den Irakern im Exil?

Al-Kubaysi: Diese Frage kann nicht in dieser Form gestellt werden. Irakische Bürger im Ausland haben ihre Heimat auf der Suche nach einem Lebensunterhalt verlassen und keine der Oppositionsparteien hat irgendein Gewicht unter ihnen. Das stimmt nicht nur für uns, sondern auch für die irakischen Oppositionsgruppen, die Geld von den arabischen Golf-Regimes erhalten, und die von den politischen Einrichtungen profitieren, die Amerika den Staaten der Welt auferlegt. Sie haben Mittel, aber sie haben keine Massen, die ihnen folgen. Die Zahl irakischer Oppositionsorganisationen im Exil beläuft sich auf 173, die meisten von ihnen sind Söldner und haben keine echten Wurzeln, weder im Irak noch sonstwo.

Haben Sie Massenanhang innerhalb des Irak?

Al-Kubaysi: Ja, wir haben Massenanhang im Irak. Deshalb, weil wir nicht aus dem Nirgendwo entstanden sind. Aber wir haben keine organisierten Gruppen. Historisch hatte die arabisch-nationalistische Strömung im Irak zwei Flügel: die Baath- und die arabisch-nationalistische Bewegung. Wir haben mit der gegenwärtig regierenden Baath-Tendenz viele Gemeinsamkeiten. Unsere Massen stimmen mit dem Regime in Fragen des Patriotismus und des arabischen Nationalismus überein, aber nicht in der Frage der Freiheiten, in der wir Differenzen haben. Die herrschende Partei herrscht allein. Die Massen im Irak unterstützen das Regime in seiner patriotischen und arabischen-nationalistischen Gesinnung und sind bereit, in Verteidigung des Irak und gegen das Embargo und jedweden Angriff zu kämpfen. Aber sie glauben, dass politische Öffnung unsere Heimat beweglicher machen wird und dass sie so Angriff und Embargo besser widerstehen kann. Die Massen haben unsere Rückkehr begrüßt. Sie betrachteten sie als einen Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn das Regime uns zur Strecke bringen will, müssen wir mit ihm gegen die Aggression kämpfen. Wenn wir das nicht tun, verlieren wir jede Existenzberechtigung.

Sie haben meine Frage bezüglich der Gründe für Ihre Rückkehr in den Irak vorweggenommen.

Al-Kubaysi: Seit 1992 ist unsere politische Linie gegen das amerikanische Projekt gerichtet. Wir haben die Kräfte, die mit den Ausländern zusammenarbeiten, immer verurteilt. Wir haben die Beständigkeit unserer Leute, den Wiederaufbau unseres Landes und ihren Widerstand gegen das Embargo gewürdigt. Seit damals sind wir davon überzeugt, dass sich der Irak in der Situation einer historischen Konfrontation befindet, die noch lange andauern wird. Das letzte Wort wurde nicht im Jahre 1991 gesprochen. Wir glauben nicht, dass das Embargo in einem oder zwei Jahren aufgehoben werden wird. Diese Situation verlangt nach der Einführung politischer Freiheiten. Auf dieser Basis haben wir zu einer patriotisch gesinnten Versöhnung aufgerufen, um die Widerstandskraft unserer Leute gegen Embargo und Angriff zu stärken.
Im September 2000 beriefen wir den Zweiten Kongress des Irakischen Nationalen Bündnisses in London ein. 104 Abgeordnete aus vielen Ländern nahmen teil. Der Kongress wurde zur Gänze von den Teilnehmern finanziert.

Haben die Amerikaner nicht versucht mit Ihnen Verbindung aufzunehmen?

Al-Kubaysi: Nie. Denn unsere Positionen sind ihnen wohlbekannt. Wir rufen zum Kampf gegen sie auf. Wir hielten Demonstrationen gegen sie vor den Amerikanischen Botschaften in Westeuropa ab, um ein Ende des Embargos zu fordern und gegen den fortgesetzten amerikanischen Völkermord an irakischen Kindern zu protestieren.

Was ist mit den anderen Oppositionskräften, die mit Amerika zusammenarbeiten, wie z.B. der Irakische Nationalkongress? Haben die nicht versucht, an Sie heranzutreten?

Al-Kubaysi: Das sind Geschöpfe des CIA. Das sind Gruppierungen, die eingefroren in Abgründen verborgen waren und nach Bedarf ausgegraben und ein wenig aufgetaut wurden. Viele ihrer Führungspersönlichkeiten waren übrigens Teil des Regimes. Als die Dinge begannen, schlecht zu laufen, packten sie einfach ihre Sachen und verließen das Land um auf die andere Seite überzulaufen.

Was ist mit dem Islamischen Revolutionsrat im Irak? Haben sie versucht, Sie zu kontaktieren?

Al-Kubaysi: Der Islamische Revolutionsrat im Irak ist ein iranisches Instrument. Seine Basis hat er unter einigen irakischen Gefangenen aus dem Iran-Irak-Krieg und der Iranischen Revolutionsgarde. Unter ihren Führern gibt es nicht einen gebürtigen Iraker. Sogar Baqir al-Hakim stammt ursprünglich aus Isfahan, im Iran. Und sie haben auch nicht versucht, mit uns Verbindung aufzunehmen.

Und die Kurden im Norden des Irak?

Al-Kubaysi: Im Norden gibt es die offizielle Kommunistische Partei und die beiden kurdischen Formationen, die schon vor 1991 existierten. Das sind wirkliche irakische Bewegungen. Was die Kurden betrifft, so stehen wir in Verbindung mit einigen Personen. Zu den politischen Bewegungen haben wir seit 1991 jede Verbindung unterbrochen. Von den Kommunisten haben sich zwei patriotisch gesinnte Blöcke abgespalten. Einer von ihnen ist mit uns im Nationalen Bündnis (der Block von Khalid Salam und Ahmad Karim). Der andere ist der Block der führenden Kader, der Mitglieder des Politbüros der Irakischen Kommunistischen Partei von Baqir Ibrahim al-Mousawi. Wir sind in wöchentlichem Kontakt mit ihnen. Sie wollen keinen Bündnissen beitreten, solange die Schwierigkeiten ihrer eigenen Organisation nicht geklärt sind. Die offizielle Irakische Kommunistische Partei steht unter dem Einfluss der Kurdischen Nationalen Bewegung, aber mehr als die Hälfte ihrer einfachen Mitglieder sind patriotisch gesinnte Individuen. Daran kann es keinen Zweifel geben.
Wenn es im Irak einen Ruf nach Versöhnung gibt und wenn es uns gelingt eine Atmosphäre von Toleranz und gegenseitigem Respekt zu schaffen, glaube ich, dass unsere Brüder in der Irakischen Kommunistischen Partei den Kurs ihrer derzeitigen Führer nicht akzeptieren, sondern in ihr Land zurückkehren würden, um ihren eigenen patriotisch gesinnten Kommunistischen Block zu bilden. Die eigentliche Basis der Kommunistischen Partei ist zweifellos patriotisch gesinnt. Aber die amerikanischen Anstrengungen gegenüber den Irakern im Ausland und der Mangel an Entspannung innerhalb des Irak bringt den patriotisch gesinnten Block in seine gegenwärtige Situation. Was die Führer der Kommunistischen Partei betrifft, die sind in kuwaitischem Geld ersoffen. Das US-Außenministerium hat eine Liste von 17 irakischen Organisationen herausgegeben, die finanzielle Unterstützung von den US-Behörden erhalten. Diese Liste enthielt auch den Namen eines Klubs oder Vereins irakischer kommunistischer Intellektueller in London.

Müssen wir aus all dem schließen, dass es keine irakische Opposition von gewisser Bedeutung und Glaubwürdigkeit im Ausland gibt, die eine Alternative zu dem Regime bilden könnte?

Al-Kubaysi: Nein, die gibt es nicht.

Auch nicht die mit den Iranern verbündete?

Al-Kubaysi: Sie sagten „Iraker“, nicht Verlängerungen der Iraner. Seien Sie sich der Tatsache bewusst, dass die Opposition auswärts entlang ethnischer und religiöser Linien gespalten ist. Wenn Amerika sie in den Irak zurück bringt, wird es Blutbäder geben, weil diese Oppositionsgruppen auf die Interessen ihrer jeweiligen ethnischen oder religiösen Gruppen fixiert sind. Nicht nur das, es gibt auch sechs oder sieben turkmenische Parteien und drei assyrische Organisationen. Die haben nie wirkliche irakische Organisationen aufgebaut, sondern vielmehr ein Klima und eine Basis für das Wachstum einens Bürgerkriegs gefördert. Es wird einen hohen Blutzoll geben, falls sie eines Tages an die Macht kommen sollten. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Bedeutung der Bewegungen unseres Irakischen Nationalen Bündnis und der Basis der Kommunistischen Partei (deren Führer derzeit einen destruktiven und unpatriotischen Kurs verfolgen).
Die wirklich patriotisch gesinnten irakischen Oppositionellen sind heute diejenigen, die nichts besitzen und von keinem fremden Staat unterstützt werden. Wenn sie in den Irak kommen würden, würden sie sich auf Grundlage ihrer patriotisch gesinnten Linie zusammenfinden. Auch die Kurden. Ich behaupte nicht, dass die kurdische Bewegung in ihrer Gesamtheit ein Geschöpf des Mossad und CIA ist, aber es gibt keinen Zweifel daran, dass Mossad und CIA sie für ihre Zwecke benützen.

Wenn Sie solche Positionen vertreten, warum sind Sie dann so lange nicht in den Irak zurückgekehrt?

Al-Kubaysi: Lassen Sie mich an dieser Stelle klar sagen, dass ich kein Krimineller bin, der aufgrund einer Art Amnestie zurückgekommen ist. Ich habe einen hohen Preis für meine Überzeugung gezahlt. Zum Beispiel wurden meine beiden Brüder 1981 ohne einen anderen Grund als den, meine Brüder zu sein, exekutiert. Eine solche feindselige Atmosphäre erfordert eine lange Zeit, bis sie in Vertrauen umgewandelt werden kann. Die Führung im Irak trat in der Vergangenheit an uns heran, als sie völlig darauf konzentriert war, die Aufhebung des Embargos zu bewirken. Unser Standpunkt war, dass die Voraussetzung für den Kampf gegen das Embargo die Schaffung einer Atmosphäre der Versöhnung mit den irakischen Patrioten war, nicht die Aufschiebung einer solchen Versöhnung. Lassen Sie mich klar sagen, dass wir nicht die Macht anstreben, auch nicht einen Anteil an der Macht. Aber wir wollen die Möglichkeit haben, in Verteidigung der Heimat zu kämpfen. Nach gelegentlichen Treffen über mehrere Jahre hinweg bekamen wir eine offizielle Einladung zurückzukommen, basierend auf einer Resolution der irakischen Führung, Gesetzesänderungen zu unternehmen, wie uns gesagt wurde, die politischen Pluralismus und Pressefreiheit für politische Parteien und auch eine Serie von Maßnahmen zur Schaffung einer Atmosphäre von Toleranz garantieren sollten. Wir hätten bereits vor zwei Monaten zurückkommen sollen, aber wir hatten die notwendigen Visa bis Anfang November nicht erhalten.

Wie wurden Sie empfangen? Wie verliefen Ihre Zusammentreffen mit den offiziellen Vertretern?

Al-Kubaysi: Wir wurden gut empfangen und die Treffen waren herzlich. Die offiziellen Vertreter lobten unseren guten Willen in den Irak zurückzukommen. Wir unterstrichen die Notwendigkeit des gegenseitigen Respekts und einer Atmosphäre von Versöhnung sowie die Forderung nach Freiheit für politische Parteien und der Presse auf der Grundlage des Bekenntnisses zum Widerstand gegen die Aggression und gegen Amerikas Projekte in der Region. Wir betonten, wie wichtig der Aufbau einer neuen nationalen Einheit sei und dass dies die grundlegenden Instrumente des Widerstandes seien. Vielleicht werden wir nicht in der Lage sein, militärisch zu gewinnen, aber wir können widerstehen und Widerstand ist es, was die Kosten des Angriffes bis zu einem Ausmaß erhöhen kann, dass es den Feind zwingt, sich zurückzuziehen. Wir hoffen, dass die Führung flexibel in der Handhabe der Waffen und Inspektionen sein wird, denn allein die Tatsache, dass der Krieg nicht begonnen wird, wäre ein Sieg für den Irak.

Fanden Sie die Führung gesprächsbereit bezüglich Ihrer Vorschläge für Pluralismus auf einer patriotisch gesinnten Basis und werden in dieser Hinsicht konkrete Schritte unternommen? Gibt es einen Arbeitsplan?

Al-Kubaysi: Es wurde ein Oberster Ausschuss gebildet, unter dem Vorsitz von Dr. Izzat Ibrahim, um eine Verfassung vorzubereiten und ein Gesetz für politischen Parteienpluralismus sowie ein Gesetz für Pressefreiheit. Es wurde uns gesagt, dass die Ausarbeitung der Entwürfe mindestens einen Monat in Anspruch nehmen wird. Danach werden die Gesetze dem Gesetzgebenden Rat vorgelegt werden müssen, was auch einige Zeit dauern wird. Doch uns vom Irakischen Nationalen Bündnis wurde versichert, dass wir diese Rechte sofort in Anspruch nehmen können, unter Verweis darauf, dass sie bereits in Erarbeitung begriffen sind.

Werden Sie von diesem Angebot Gebrauch machen?

Al-Kubaysi: Wir müssen nach Europa zurückgehen, um diese Angelegenheiten mit unseren Brüdern zu besprechen. Es ist möglich, dass einige von uns aufgrund dieses Angebotes innerhalb von drei Monaten kommen werden, um sich an die Arbeit zu machen und dass danach eine größere Zahl zu Beginn des Sommers kommen wird. Aber bis dahin kann, ja muss der irakische Staat diese Gesetze in die Praxis umsetzen um das Leben für die Bürger zu erleichtern und alle Maßnahmen unterdrückerischer oder zwanghafter Natur rückgängig machen. Zum Beispiel hoffen wir hinsichtlich der Konflikte unter patriotisch gesinnten Kräften, die seit 1959 im Gange sind, dass ein Erlass ausgestellt werden wird, wodurch alle, von welcher Partei auch immer, die in diesem internen Kampf, fielen oder zur Strecke gebracht wurden, als Märtyrer für den Irak und nicht Märtyrer dieser oder jener Partei betrachtet werden. Das wird vielen Familien helfen ihren Status zurückzugewinnen und es wird die verwaltungsmäßigen Hindernisse reduzieren, die derzeit der Ausübung ihrer bürgerlichen und natürlichen Rechte im Wege stehen. Und es wird das Regime nichts kosten. In gleicher Weise muss es Entschädigung für die Familien der Exekutierten geben und für die, deren Besitz enteignet wurde. Auch die Sprache, die gegenüber den Oppositionsgruppen benutzt wird, muss die Sprache der Versöhnung sein. Das Regime hat gesagt, dass jeder irakische Oppositionelle, egal wie weit er in seinen Aktivitäten gegen das Regime gegangen sein mag, zurückkehren kann, ohne verhört oder verfolgt zu werden. Sie haben gesagt, die einzigen, die Verfolgung zu befürchten haben, sind die, die an amerikanischen oder zionistischen Geheimdienstunternehmungen teilnehmen. Wir hoffen, dass diese Position in Ankündigungen und in offiziellen Aussagen zum Ausdruck kommen wird. Wenn ein Iraker auswärts einen falschen Weg beschritten haben mag, so ist dies auf die enormen amerikanischen Anstrengungen und das Fehlen jedes versöhlichen Dialoges im Irak zurückzuführen. Wir müssen diese amerikanische Anstrengung mittels interner Versöhnung unterbinden. Der größte Block der Oppositionellen ist nicht verräterisch, sondern patriotisch gesinnt. Wir haben Differenzen mit einigen von ihnen, doch sollten wir uns deshalb bekämpfen oder zu Feinden werden? Nein. Einige von ihnen haben uns in unseren Demonstrationen angegriffen, doch wir haben unseren Standpunkt ihnen gegenüber nicht aufgegeben.
Der Irak hat eine große Verantwortung gegenüber allen Arabern und der gesamten Menschheit, insofern als er sich der Konfrontation mit der US-Aggression stellt. Es ist angemessen für dieses Land, ein nationales Projekt zu haben, das ebenso groß ist.

Möchten Sie abschließend etwas hervorheben?

Al-Kubaysi: Ja. Ich will sagen, dass das Begrenzen der Konfrontation auf den Angriff gegen den Irak nicht im Interesse der arabischen Nation ist. Ich rede nicht davon, die Aggressoren außerhalb des Irak zu bekämpfen. Ich sage vielmehr, dass wir ein Modell des politischen Lebens im Irak aufbauen müssen, das die ganze arabische Nation einbindet. Es muss ein positives Modell für die ganze arabische Heimat sein. Wir müssen eine Form des politischen Lebens aufbauen, auf die wir stolz sein können, ein Modell auch für die Dritte Welt jenseits der arabischen Heimat. Die gesamte Menschheit wird eines Tages entdecken, dass sie in der Schuld der Iraker steht, da diese sich der amerikanischen Brutalität entgegenstellt haben. Wir müssen also den Amerikanern die Karte der „Diktatur“ aus der Hand nehmen, so wie wir ihnen auch schon die Karte der „Massenvernichtungswaffen“ entzogen haben. Wir wissen, dass sie keine Demokratie einsetzen wollen. Demokratie kommt nicht von Raketen und Kanonenbooten. Wir haben ein arabisches nationales Projekt des Wiederaufbaus und wir wollen das zionistische Projekt in unseren Ländern bekämpfen. Wir müssen deshalb eine kampffähige politische Kraft aufbauen. Das ist nicht nur eine Frage der Stabilität des Regimes. Die Frage ist vielmehr, wie man das Projekt arabischer Renaissance in den arabischen Ländern verbreiten kann.

Wir danken für das Gespräch.

Der Text wurde von der Redaktion leicht gekürzt.

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