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Über die Praktiken der MUND-Redaktion

6. Februar 2003

von G. Kernert

Seit Jahren spielt sich innerhalb der österreichischen (und nicht nur der österreichischen, sondern in vielen europäischen Ländern) Linken der hauptsächlich an den verschiedenen Positionen zur Israel/Palästina-Frage entzündete Konflikt zwischen den antiimperialistischen Kräften einerseits und den sogenannten „Antinationalen“ oder auch „Antideutschen“ andererseits ab.
Da der MUND ein wichtiges Diskussionsforum darstellt, wurde bzw. wird dieser Konflikt natürlich auch auf den Seiten des MUND ausgetragen. Im Frühjahr 2002 verkündete die Redaktion des MUND, keine undifferenzierten bzw. wertenden Beiträge zu diesem Thema mehr zu veröffentlichen, da die Argumente beider Seiten erschöpfend dargelegt seien und man/frau seitens der MUND-Red., wie später gesagt wurde, dazu beitragen will, die „österreichische Fixierung auf Israel“ aufzubrechen, also die Leute dazu zu bewegen, ihre Aufmerksamkeit auf andere wichtige Konflikte nicht zugunsten des I/P-Konfliktes zu vernachlässigen. Natürlich hat sich die MUND-Red. damit eine schwierige Gratwanderung auferlegt, da nach wie vor von beiden Seiten Beiträge zu I/P an den MUND geschickt werden und die MUND-Red. sich daher häufig damit auseinanderzusetzen hat, welcher Beiträge jetzt im Sinne des Beschlusses von Frühjahr 2002 wegzulassen sind und welche nicht unter die Auschlussgründe fallen, also veröffentlicht werden können.
Seit einigen Wochen spitzt sich der erwähnte Konflikt innerhalb der Linken erneut in mittlerweile äußerst bedenklicher Weise zu. Anlass war offensichtlich eine von der Antiimperialistischen Koordination (AIK) veranstaltete Podiumsdiskussion zum Thema „Ist Antizionismus Antisemitismus?“, zu der als Hauptredner Michel Warschawski vom israelischen Alternative Information Center geladen war, außerdem Mustafa Hadi von der palästinensischen Gemeinde, Dr. Ariel Muzicant von der israelitischen Kultusgemeide und Susanne Jerusalem von den Grünen, wobei Frau Jerusalem und Hr. Muzicant aus mittlerweile hinreichend diskutierten Gründen nicht teilgenommen haben. Diese Veranstaltung, bzw. eigentlich bereits deren Ankündigung, war für einige Leute aus dem „antinationalen“ Bereich Grund genug, ihre seit längerer Zeit periodisch vorgetragenen Angriffe gegen die AIK zu verstärken und offenbar diesmal besonders massiv und konzentriert zu versuchen, die AIK als antisemitisch darzustellen und damit in der Linken ihren Ruf zu ruinieren.
Bei dieser Gelegenheit drängt sich die Frage auf, wieso diese Personen eine von der AIK veranstaltete Diskussion über ihre (=AIK) eigene Position nicht in genau diesem Sinn, also der direkten inhaltlichen Konfrontation genützt haben. Einige Personen aus dem „antinationalen“ Bereich waren bei der Diskussion anwesend, haben sich aber mit einer etwa 30-sekündigen Ausnahme nicht zu Wort gemeldet. Die Vermutung liegt nahe, dass nur nach irgendetwas gesucht wurde, das als antisemitisch interpretierbar sein könnte, offensichtlich wurde man/frau aber nicht fündig, sonst wäre der MUND längst voll davon gewesen.
Dennoch ist der MUND eines der Hauptmedien, über die die Attacken gegen RKL, KOMAK-ML und vor allem AIK verbreitet werden. Höchste Zeit, die Rolle des MUND in diesem Konflikt aus meiner Sicht einmal etwas näher zu beleuchten.
Vor etwa zweieinhalb Jahren habe ich, damals noch als unorganisierter Sympathisant des palästinensischen Widerstandes, begonnen, den MUND zu lesen. Bald wurde ich auf den Konflikt zwischen der RKL als solidarische Kraft mit den PalästinenserInnen und der „Ökologischen Linken“, die sich mit Israel solidarisiert, aufmerksam. Die „Ökologische Linke“ hatte diesen Konflikt losgetreten, indem sie der RKL Rechtsextremismus unterstellte. Auffällig war dabei, abgesehen von inhaltlichen Aspekten, vor allem die Tatsache, dass die Beiträge der RKL, also der Gruppe, die eigentlich angegriffen worden war, zumeist zusammen mit einer sofortigen Reaktion der „Ökolinken“ veröffentlicht wurden. D.h., die Beiträge der RKL wurden der „Ökolinken“ vor Veröffentlichung zugespielt, damit diese noch im MUND des selben Tages versuchen konnte, die Argumente der RKL anzugreifen und dieser möglichst das Wort im Mund herumzudrehen. Schon damals habe ich mich gefragt, welche Interpretation des Wortes „Fairneß“ hier wohl im Spiel ist.
Zu dieser Zeit wurde von der RKL bzw. der ihr nahestehenden Bewegung für soziale Befreiung übrigens auch versucht, eine Diskussion zu dem Thema zu organisieren, was aber von „antinationaler“ Seite abgelehnt wurde. Jetzt, da der Konflikt erneut auszuarten droht, legt die Redaktion des MUND wieder ein äußerst auffälliges Verhalten an den Tag. Eine Reaktion von mir für die AIK auf Angriffe, die von einer E-Mail-Adresse namens „roegi“ aus gestartet worden waren, wurde, ohne dass dieser in irgendeiner Weise in meinem Beitrag erwähnt worden wäre, an den Journalisten Karl Pfeifer, einen bekannten Israel-Smpathisanten, weitergeleitet und dann zusammen mit Pfeifers Reaktion im MUND am 10.1.03 veröffentlicht. Die MUND-Red. konnte also nicht einmal den nächsten Tag erwarten, an dem dann sowieso die „roegi“-Reaktion kam. Es erfolgte eine neuerliche Reaktion meinerseits und eine erneute Reaktion Pfeifers, die natürlich wieder gleich am selben Tag veröffentlicht wurde und in der dieser einige Ereignisse im Zusammenhang mit der Entstehung des Staates Israel aus meiner Sicht falsch dargestellt hat und mir daneben auch noch unterstellt hat, ich hätte meine jüdischen Vorfahren als Rechtfertigung für meine Ablehnung des Staates Israel erfunden (Zitat Pfeifer: “ Muss jetzt die in gewissen Wiener linken Kreisen so beliebte „jüdische Großmutter“ als Legitimation für seine krausen Ansichten herhalten?“).
Meine Antwort, in der ich klargestellt habe, dass tatsächlich einige jüdischen Vorfahren von mir im KZ Theresienstadt ihr Ende gefunden haben, und in der ich auch die von Pfeifer erwähnten Ereignisse in Zusammenhang mit der Entstehung Israels ins meiner Ansicht nach richtige Licht gerückt habe, wurde dann nicht veröffentlicht, da sich die MUND-Red. plötzlich darauf besonnen hatte, ja eigentlich keine Beiträge zu I/P veröffentlichen zu wollen. Mittlerweile hat eine MUND-Redakteurin im Rahmen einer privaten Diskussion via e-Mail mir gegenüber immerhin eingestanden, dass das Verhalten der Redaktion am 10.1. nicht in Ordnung war und sie sich dafür einsetzen werde, dass die Reaktion nächstes Mal nicht gleich zusammen mit dem Beitrag veröffentlicht wird. Also kein Wort davon, dass es vielleicht auch nicht gerade fair war, Pfeifer einen Beitrag, in dem er gar nicht vorkam, überhaupt zur Stellungnahme zuzuspielen. Wenige Tage später hat sich dann endgültig gezeigt, was von der Ankündigung, nächstes Mal fairer vorzugehen, zu halten ist. Zunächst wurde ein massiver Angriff des DÖW auf die AIK, der auch nicht gerade frei von I/P-Bezug war, im MUND veröffentlicht. Ich habe dann sehr knapp reagiert, da ja im MUND angeblich keine Beiträge zu I/P veröffentlicht werden und I/P-Bezugnahme zur ausführlichen Beantwortung des DÖW-Angriffs unerläßlich ist. Die MUND-Red. hat es daraufhin für nötig befunden, den Beitrag des DÖW noch einmal zu wiederholen, um damit sozusagen im vorhinein meine Antwort zu beantworten. Dazu gab es auch noch eine Denk-Anleitung der MUND-Redaktion, wie diese Maßnahme zu verstehen sei.
Der Gipfel war dann die de facto-Nichtveröffentlichung des eingangs erwähnten ASt-Newsletters (MUND, 2.2.), in dem sich der ArbeiterInnenstandpunkt mit der AIK solidarisierte. Es wurde vom MUND lediglich ein Verweis auf die ASt-Homepage gebracht, der Text aber kam nicht in den MUND (trotz Fehlanzeige bei wertendem I/P-Bezug).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die MUND-Redaktion oder zumindest einzelne ihrer Mitglieder bei der Selektion und der Art der Veröffentlichung von Beiträgen kein großes Bemühen um irgendeine Art von Fairneß erkennen lassen.

G. Kernert

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