Italienischer Verteidigungsminister: Überflüge dienen dem Frieden!
Italienischer Verteidigungsminister: Überflüge dienen dem Frieden!
Im Falle eines Kriegs müßte man mit wochenlangen Überflügen über Italien rechnen, teilte der italienische Verteidigungsminister Antonio Martino den Verteidigungsausschüssen von Abgeordnetenkammer und Senat am 8. Januar 2003 in einem Schreiben mit, und bei einem seiner Hearings vor den Ausschüssen berichtete er, in bilateralen Verträgen zwischen den Vereinigten Staaten und Italien sei bereits eine Dauergenehmigung für US-amerikanische Überflüge festgelegt. (1)
Der Minister, der zu den Gründern der Mafiapartei Forza Italia (2) gehört – er ist im Besitz des Mitgliedsausweises Nummer Zwei (3) – hat für die Kriegsflüge eine höchst humane Rechtfertigung parat: „Diese Überflüge sind Bestandteile einer Strategie, durch die die Option einer friedlichen Lösung der Krise gestärkt wird.“ Letztere läge ja im vorrangigen Interesse der USA (1).
Die parlamentarische Linke will sich das nicht bieten lassen. Die Grünen, Rifondazione und die Partei der Italienischen Kommunisten laufen dagegen Sturm, ein etwas milderer, aber doch gewichtiger Protest kommt von den Linksdemokraten (DS).
Elettra Deiana von der Rifondazione: „Wenn die Regierung grünes Licht für Überflüge gibt, dann legitimiert sie in der Praxis das amerikanische Vorgehen, und zwar jenseits jeglicher Diskussion und parlamentarischer Kontrolle.“ Dadurch sei „die Entscheidung für die unmittelbare Beteiligung unseres Landes an einem möglichen Angriffskrieg“ gefallen und dies sei „ein Verstoß gegen Artikel 11 der Verfassung“ (1). Die italienische Verfassung verbietet Krieg als Mittel zur Beseitigung von Konflikten (4).
Stefano Boco von den Grünen: „Wenn der Luftraum freigegeben wird, dann macht sich damit die Regierung kritiklos die Doktrin des Präventivkrieges von Bush zueigen und zieht das Land in einen Krieg hinein.“
Der Linksdemokrat Marco Minnitti besteht auf zusätzlichen Autorisierungen aller Überflüge durch Regierung und Parlament. Im Kriegsfall könne es keine „automatische“ Genehmigung geben.
Pietro Fassino, Chef der Linksdemokraten – die könnte man als Pendant der Sozialdemokraten bezeichnen – wird spitz: „Was wir in erster Linie von der Regierung verlangen, das ist, dass sie sich nicht bloß darauf einstellt, was zu machen ist, wenn der Krieg bereits da ist, denn wenn man erreicht, dass er nicht stattfindet, braucht man keine Stützpunkte und keine Überflüge mehr.“ (1)
Das Thema Verfassung kommt in einem Parlamentarischen Antrag der Rifondazione zur Geltung. Neben den drei Linksparteien haben aber auch 50 Mitte-Rechts-Abgeordnete an Präsident Ciampi einen Friedensappell gerichtet, in dem unter anderem eine Aufwertung der UNO gefordert wird. Sogar Cossiga, Spitzen-Rechtsaußen der italienischen Politik über Jahrzehnte, zweifelt, ob ein kriegerischer Akt das „geeignete“ Mittel sei. Dezidiert stellt er sich gegen Martinos These, Überflüge könnten ohne Parlamentsbeschluß stattfinden. (5)
Links und rechts gegen den Krieg. Die österreichischen Abgeordneten werden wohl gemütlich dahintachinieren, wenn die Flieger wochenlang über „unseren“ Luftraum nach Italien brausen.
Im Jahre 1991 behinderten Aktivisten aus Deutschland, Österreich und Italien die Durchfahrt eines mit Panzern beladenen Zuges. Es gelang zumindest eine stundenlange Verzögerung und es war eine erste trinationale Aktion dieser Art. Österreichische Polizisten drohten dabei, auf Kriegsgegner zu schießen. Mit diesen Panzern sollten später im Irak zahllose lebende Menschen im Sand begraben werden. Jetzt handelt es sich darum, die Überflüge zu verhindern. Schwer? Fangen wir mit dem Nächstliegenden an: Gehen wir gegen die Kriegstreiber in unseren eigenen Reihen vor!
(1) A. G.: Martino: „Sono aerei di passagio“, il manifesto, 22. 1. 2003
(2) Diese Anmerkung bezieht sich nicht nur auf den inzwischen allgemein bekannten Einsatz von Mafiageldern in den Finanzunternehmen des Gewaltherrschers Berlusconi, sondern auf die Parteistruktur von Forza Italia selbst, die, wie die Antimafiazeitung „I Siciliani“ berichtete, von der Führung mit Hilfe einer eindeutig von der sizilianischen Mafia beeinflussten artifiziellen Basistruktur, den sogenannten „Klubs“ in einem Teil der Bevölkerung verankert wurde.
(3)Ministero della Difesa, http://www.difesa.it/ministro/.
(4) Die Linke bezieht sich häufig auf diesen Passus: „Italien lehnt Krieg als Instrument eines Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und als Instrument zur Lösung internationaler Streitfälle ab.“ Einen ähnlichen Passus gibt es nur in der japanischen Verfassung. Durch eine gesamteuropäische Verfassung würden derartige wertvolle gesetzliche Besitzstände der Einmzelverfassungen ausgelöscht werden. Friedensinitiativen fordern die Verankerung eines ähnlichen Passus in der kommenden europäischen Verfassung, was angesichts der derzeitigen Kräfteverhältnisse illusorisch erscheint. Außerdem sanktionieren sie damit den europäischen zentralistischen Einheitsstaat.
(5) C. Ros.: Giovanardi: sorvoli autorizzati d´ufficio, il manifesto, 23. 2. 2003
Freier Flug in den Irak, über Österreich und Italien!
Die italienischen Kriegsbasen sind ab sofort für den Angriffskrieg freigegeben! Die italienische Regierung hat ihr Placet erteilt. „Bloß aus technischen Gründen“, will uns Antonio Martino, der italienische Kriegsminister, glauben machen, bloß zum Auftanken (1).
Wird Aviano bloß auf die Funktion einer Tankstelle reduziert sein?
Die Überflüge, die wochenlang dauern werden, sind längst in bilateralen Verträgen abgesichert (2).
Wochenlang werden Mordmaschinen über Österreich dahindonnern, nach Aviano wohl und anderswohin, bloß zum Auftanken.
(1) Martino: Il governo concede le basi agli USA, Corriere della Sera, 29. 1. 2003
(2) Vgl. Aug und Ohr: „Italienischer Verteidigungsminister: Überflüge dienen dem Frieden!“ http://austria.indymedia.org/display.php3?article_id=19450