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Antikriegsproteste auch in Bagdad

16. Februar 2003

von Karin Leukefeld, Bagdad

Auch in Bagdad gingen am 15. Februar Zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen einen drohenden Krieg zu demonstrieren. Schon am frühen Morgen trafen sich in verschiedenen Stadtteilen auf beiden Seiten des Tigris Iraker aus der ganzen Stadt und zogen mehrere Stunden lang durch die Straßen. Am Nachmittag demonstrierten erneut Tausende von in Bagdad lebenden Arabern am Gebäude des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), darunter viele Palästinenser, die ein Meer von Fahnen mit sich führten. In Bagdad leben rund 100.000 Palästinenser. Den ganzen Tag über übertrugen das irakische Fernsehen und Rundfunk Bilder und Reportagen von Demonstrationen aus aller Welt. Den Menschen, die die Nachrichten verfolgten, war die Freude über die große internationale Unterstützung deutlich anzumerken. Allerdings ueberwog doch die Skepsis, ob die USA sich von den überwältigenden Protesten wirklich werde beeindrucken lassen.

Internationale Friedensaktivsten forderten am 15. Februar in Bagdad „Ja zu Inspektionen, Nein zum Krieg!“ Die Demonstration wurde organisiert von der italienischen Gruppe „Brücke nach Bagdad“, Human Shields und dem Irakischen Friedensteam (IPT). Auf der Al Rashid-Brücke, unweit des Pressezentrums begannen sie am Mittag offiziell mit der Kampagne „Stop one Minute, Stop the War“. Die Aufforderung an die Friedensbewegung in aller Welt ist, ab sofort täglich um die Mittagszeit für eine Minute die Arbeit einzustellen, um mit ihren Nachbarn über den Irak zu sprechen. Dieser Protest solle solange anhalten, „bis die Kriegsdrohung vorbei ist“, hieß es in einer Erklärung. „Ein Krieg ist das letzte, was die Iraker und die Welt“ heute brauchten.

Die rund 200 Demonstranten kamen aus den USA, Italien, Canada, Schweden, Irland, Australien, Spanien, Türkei, Polen, Norwegen, Indien, Südkorea, Großbritannien, Slovenien, Deutschland und Japan. Eine japanische Kampfkunstgruppe führte zu Trommeln und Gesang traditionelle Tänze auf, die nicht nur von den Irakern mit großer Begeisterung verfolgt wurden. Viele Menschen säumten die Straße, applaudierten und bedankten sich bei den „Friedensbotschaftern“ dafür, dass sie den weiten Weg in den Irak auf sich genommen hatten. Nicht nur die Belegschaft der Al Rashid-Bank war komplett vor die Türe getreten, auch junge Rekruten reckten ihre Hälse, um von den Balkonen ihrer Unterkünfte am Rande der Abu Nawasstrasse den bunten Aufmarsch verfolgen zu können. Manche Passanten ließen es sich nicht nehmen, eines der vielen Transparente mit zu tragen.

Er hoffe, dass der Krieg verhindert werden könne, sagte Ahmed Khazim aus dem ägyptischen Assuan am Rande der Demonstration. „Doch wenn ich sehe, dass schon jetzt 120.000 Soldaten dort im Golf stationiert sind, bedeutet das nichts Gutes.“ Er sei nach Bagdad gekommen, um sich freiwillig bei der irakischen Armee zu melden. Es sei kein Krieg von Christen gegen Muslime, das Christentum sei eine sehr friedliche Religion, sagte er. Christen und Muslime hätten die gleichen Propheten und für sie alle sei ein Leben in Frieden das Wichtigste. Die zögerliche Haltung der „Herrschenden“ in der ägyptischen Regierung sei für ihn nicht wichtig. Er sei einfacher Ägypter und wisse, dass das ägyptische Volk wie alle Völker der arabischen Staaten den Frieden wollten. Doch sollte es einen neuen Krieg geben, würden sie auch kämpfen.

Der Italiener Ivano aus Turin, Mitglied eines „Peace Observer Teams“ wollte als „Teil der großartigen Friedensbewegung“ gerade am 15. Februar in Bagdad sein. Mit seinen Freunden wolle er eine „Friedensbotschaft in das Herz des Mittleren Ostens“ tragen, sagte er im Gespräch mit der Autorin. Der „Krieg ist auch ein Angriff auf Leute wie uns,“ sagte er. Man müsse alles tun, „um diese Kriegsmaschine“ zu stoppen. Es sei zwar „sehr schwierig“, meinte er realistisch, aber „es ist unsere Pflicht, alles zu versuchen“.

Sogar aus dem wendländischen Hitzacker (Landkreis Lüchow-Dannenberg) war ein Kriegsgegner dabei. Thomas Schwand, der mit seinem alten Kastenwagen und einer Ladung Medikamente am 19. Januar aus Deutschland aufgebrochen war, sagte gegenüber der Autorin:“ Wenn man sich für den Frieden einsetzen und etwas gegen den Krieg tun will, dann muss man aus seinem Alltag auch einmal bewusst ausbrechen können.“ Auf seinem Weg sei ihm besonders in der Türkei sehr viel Sympathie und Unterstützung entgegengebracht worden. Dort sei ihm klar geworden, „wo die Völker in ihrer Mehrheit stehen. “ Dennoch gebe es eine Regierung, die „komplett entgegengesetzt handelt und die amerikanische Seite unterstützt.“ Auch bei der Sitzung des Sicherheitsrates, die er im Fernsehen im Pressezentrum von Bagdad verfolgen konnte, habe er gesehen, dass die Zukunft des Irak und der Region „in der Hand von 15 plux X Menschen“ liege, während die „Weltbevölkerung deutlich „Nein“ zu diesem Krieg gesagt habe. „In was für einer Welt lebe ich eigentlich,“ fragte Schwand. So eine Entwicklung sei „sehr, sehr gefährlich“.

Am späten Abend des 15. Februar erreichten schließlich die lang angekündigten Doppeldeckerbusse aus England mit weiteren „menschlichen Schutzschildern“ die irakische Hauptstadt. Bei ihrer Fahrt durch die Stadt wurden sie von einer langen Fahrzeugkolonne, Blaulicht und einem anhaltenden Hupkonzert einbegleitet.

Ob gewollt oder nicht, reihte sich auch der Gesandte des Papstes, Roger Kardinal Etchegaray, in die Friedensaktivitäten am 15. Februar ein, indem er im Rahmen seiner Friedensmission am Nachmittag mit dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein zu einem zweistündigen Gespräch zusammentraf. Über den Inhalt der langen Unterhaltung wurde bisher nichts bekannt. Am Vortag hatte Saddam Hussein während einer Sitzung des Revolutionären Kommandorates das sofortige Inkrafttreten eines neuen Gesetzes bekannt gegeben. Danach ist sowohl für Privatpersonen und –firmen als auch für den irakischen Staat der Import sowie die Herstellung von biologischen, chemischen und nuklearen Massenvernichtungswaffen verboten. Erst bei dem letzten Arbeitsbesuch von Hans Blix und Mohammad ElBaradei am 9./10. Februar hatten die obersten UN-Waffeninspekteure erneut die Forderung nach einem entsprechenden Gesetz für den Irak bekräftigt.

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