Erklärung zur Schließung der Tageszeitung Euskaldunon Egunkaria
Auf Anordnung des spanischen Nationalen Gerichtshof wurde am 20. Februar die baskische Tageszeitung Euskaldunon Egunkaria „vorläufig“ geschlossen und zehn leitende Angestellte der Zeitung und des Verlags unter dem Vorwurf der Unterstützung bzw. Mitgliedschaft in der baskischen Separatistenorganisation ETA verhaftet. Egunkaria, gegründet 1990, ist die einzige Tageszeitung, die vollständig in baskischer Sprache erscheint, und ein Forum, in dem alle Teile der baskischen Gesellschaft zu Wort kommen. Seit ihrem Bestehen erhielt sie Subventionen der baskischen Autonomieregierung. Konkrete Beweise dafür, dass die Zeitung und einige ihrer leitenden Angestellten Teil der Organisationsstruktur der ETA sei, wurden bislang – trotz zweijähriger Voruntersuchungen – nicht vorgelegt.
Das faktische Verbot von Egunkaria ist nicht der erste staatliche Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit im Baskenland. In nur fünf Jahren wurden vier Zeitungen oder Radiostationen unter gleichen Anschuldigungen geschlossen. Im Fall der Zeitung (und des Radio) Egin, die 1998 geschlossen wurde, wurde zwar ein Jahr später die Schließung aufgehoben, gegen die damals festgenommenen Mitarbeiter der Zeitung hat aber bislang kein Gerichtsverfahren stattgefunden. Es ist zu befürchten, dass dieses Muster auch auf Egunkaria angewandt wird.
Von den zehn Festgenommenen sind mittlerweile vier nach fünf Tagen Haft auf Kaution freigelassen worden. Der Chefredakteur von Egunkaria, Martxelo Otamendi, erhob nach seiner Haftentlassung den Vorwurf, er und seine Mitgefangenen seien gefoltert worden. Er gab u.a. an, ihm sei ein Plastikgegenstand in den After eingeführt und zweimal eine Plastiktüte übergestülpt worden, um Erstickungsanfälle zu provozieren.
Anstatt diese Vorwürfe zu untersuchen, bezeichnete der spanische Innenminister die Angaben Otamendis als „Lüge“ und einen „typischen Mechanismus, dessen sich auch ETA bediene“. Allerdings berichten amnesty international, das Anti-Folter-Komitee des Europäischen Rats und andere Menschenrechtorganisationen regelmäßig über Misshandlungen an nach dem Anti-Terror-Gesetz Inhaftierten. Der letzte Bericht der UNO-Kommission für Menschenrechte vom April 2002 dokumentiert für das Jahr 2000 76 Übergriffe gegen Gefangene, sowie 58 Fälle von Misshandlungen gegen Basken bei ihrer Festnahme, wobei es zu Schlägen, Scheinhinrichtungen, sexuellen Übergriffen, Elektroschocks und vielen anderen Formen von Misshandlungen gekommen sei.
Wir verlangen von der spanischen Regierung unverzüglich diese Folter Vorwürfe ernsthaft zu prüfen, anstatt rechtliche Schritte „gegen diejenigen zu unternehmen, die diese falschen Anschuldigungen erhoben haben“, wie es der spanische Innenminister angekündigt hat.
Die Tatsache, dass die Schließung von Egunkaria mittlerweile auf sechs Monate ausgedehnt werden soll, obwohl die spanischen Ermittlungsbehörden bislang konkrete Beweise für eine so drastische Maßnahme wie die Schließung einer Zeitung schuldig blieben, legt für uns die Vermutung nahe, hier soll ein unabhängiges Presseorgan mundtot gemacht werden. Ohne gerichtliche Überprüfung der Schließung erscheint uns das Verbot von Egunkaria als reiner Willkürakt. Will die spanische Regierung den Eindruck
korrigieren, sie würde sich undemokratischer und nicht-rechtsstaatlicher Mitteln bedienen, muss sie dieses Schließung sofort aufheben.
Ralf Streck, Freier Journalist
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