Sollen strategische oder zivile Ziele geschützt werden?
In den letzten Tagen meldete die Medienmaschine mit der zu erwartenden Häme Streitigkeiten innerhalb der Schutzschild-Gemeinde in Bagdad. Einige hätten es mit der Angst zu tun bekommen oder seien zur späten Ansicht gelangt, von der Regierung missbraucht zu werden, und hätten gar die Flucht ergriffen.
Wahr ist das insoweit, als es unter den in Bagdad versammelten internationalen Kriegsgegnern heftige Diskussionen über die Ausrichtung und die Ziele der Kampagne gab. Das ist angesichts der höchst heterogenen nationalen und politischen Provenienz der Teilnehmer nicht weiter verwunderlich.
Einerseits gibt es einen hauptsächlich anglosächsischen Block, der naiven Pazifismus mit maßloser Selbstüberschätzung verbindet. Ihr Protagonist, der Ex-Marine O´Keefe, hat scheinbar die in der US-Armee gepflegten Verhaltensweisen beibehalten und gebärdet sich als alleiniger Anführer der internationalen Aktion. Diese Strömung vertritt die Ansicht, dass die Schutzschilde den amerikanischen Angriff aufhalten könnten. Um den Ernst der Sache klar zu machen, müssten sie sich auf strategischen Zielen wie Kraftwerken, Brücken oder gar Ölraffinerien postieren, die bereits 1991 am ersten Tag angegriffen wurden und auch jetzt wieder die ersten Ziele sein werden. Obwohl sie darin mit den irakischen Behörden übereinstimmen, die dies aus verständlichen Gründen ähnlich sehen, provozierten sie kürzlich mit diesen einen Konflikt, der die ganze Aktion in Gefahr bringen könnte. In arrogant-westlicher Manier zeigten sie sich nicht bereit, sich über die zu schützenden Ziele mit den Behörden ins Einvernehmen zu setzen.
Auf der anderen Seite steht die Strömung, die realistischerweise davon ausgeht, dass die amerikanische Aggression ausgemachte Sache sei. Die menschlichen Schutzschilde verfolgten daher vor allem den politischen Zweck mit ihrer symbolischen Aktion, den weltweiten Widerstand gegen die Kriegstreiber zu stärken und keineswegs den militärischen, strategische Ziele zu beschützen – so wie es manche trotz ihrer pazifistischen Einstellung falsch verstanden hätten.
Die antiimperialistischen Kräfte bestehen auf dem zivilen Charakter der Ziele, auf denen sie sich stationieren. So waren sie mit dem Ziel aufgebrochen, ihre Zelte auf dem Bagdader Kinderspital aufzuschlagen, auch mit dem Gedanken, die Welt damit an das jahrelange Embargo und die Auswirkungen des amerikanischen Einsatzes von abgereichertem Uran zu erinnern. Nachdem die Behörden die Anfrage abgelehnt hatten, einigte man sich darauf, Plätze auf Wasseraufbereitungsanlagen und ähnlichen zivilen Zielen zu beziehen.
Der zivile Charakter wird auch durch die Breite und Heterogenität der beteiligten Aktivisten diktiert. Wir betrachten es als irreführend zu suggerieren, dass die Kriegsmaschine des amerikanischen Imperialismus durch den spektakulären Aufweis seiner moralischen Verrottetheit aufzuhalten wäre. „Rumsfeld würde nicht zögern, auch seine Großmutter zu bombardieren“ sagte John Catalinotto, einer der zentralen Organisatoren der amerikanischen Anti-Kriegsbewegung. Den Schutzschilden wurde sogar angedroht, als „enemy combatants“ verfolgt zu werden, also unter jene von den USA kürzlich eingeführte Kategorie von subhumanen Wesen zu fallen, denen auch jene rudimentäre Menschenrechte verwehrt werden, wie sie das Völkerrecht Kriegsgefangenen zugesteht. Sich ohne Gegenwehr vom stärkeren Aggressor töten zu lassen, ist in letzter Instanz Ausdruck völliger politischer Impotenz und Perspektivlosigkeit. Unsere Botschaft muss das Gegenteil aussagen: der Kampf gegen den westlichen Krieg und das imperialistische Weltsystem ist möglich, was aber nicht heißt, dass wir diesen sich mit Riesenschritten nähernden Krieg aufhalten können. Dennoch, die Kriegstreiber in den USA und Europa müssen mit einer kraftvollen Bewegung konfrontiert werden, die ihnen jegliche politische Unterstützung entzieht, die die militärischen Vorbereitungen politisch und physisch unterbindet (wie im Hafen von Thessaloniki 1999 während des Angriffs auf Jugoslawien) und die schließlich den Sturz der Kriegsregierungen anvisiert. Die Schutzschilde dienen der Bewegung insofern, als sie zeigen, wer der Aggressor ist und dass die Position der passiven Äquidistanz überwunden werden muss. Die Stellung der Bewegung muss auf der Seite Iraks sein mit dem Ziel, den Imperialismus zu schwächen. Die irakische Verteidigung – zu aller erst jene der Volksmassen – muss genauso unterstützt werden wie der Widerstand gegen die Okkupationstruppen.
Antiimperialistische Koordination