Bericht vom 24. März 2003
Am Montag, dem 24. März und viertem Jahrestag des Angriffs der Nato auf Jugoslawien, versammelten sich am Wiener Stephansplatz rund 150 Kriegsgegner – unter ihnen vor allem Jugoslawen und Jugoslawinnen, die bereits an der Bewegung gegen den Krieg gegen ihr Land teilgenommen hatten. Aufgerufen hatte die Jugoslawisch-Österreichische Solidaritätsbewegung unter dem Motto „Gestern Jugoslawien – heute Irak; gegen die amerikanische Weltherrschaft!“
Neben einem Vertreter der irakischen Gemeinde sprachen zahlreiche serbische und jugoslawische Persönlichkeiten. Die Humanitas, eine serbisch-orthodoxe Hilfsorganisation, richtete einen Spendenaufruf für die notleidende irakische Bevölkerung an ihre Landsleute.
Bereits auf der großen Friedensdemonstration vom 22. März in Wien waren mehrere Tausend Flugblätter verteilt worden. In zahlreichen teils heftigen Diskussionen wurde klar, dass innerhalb der Bewegung der Zusammenhang zwischen der Aggression gegen Jugoslawien und den Irak nach wie vor nicht hergestellt wird und die Propaganda über den „humanitären Krieg“ noch immer ihre Wirkung zeigt. Das drückte sich auch in der verschwindend geringen Beteiligung der Anti-Kriegsbewegung an der Protestkundgebung aus.
Politisch kann das nur insofern erklärt werden, dass es der Mehrheit der DemonstrantInnen nicht um die Solidarität mit den Verdammten dieser Erde geht, die gegen den Imperialismus Widerstand leisten, sondern um den Erhalt der vermeintlich friedlichen Neuen Weltordnung mit den ihr zugeordneten „westlichen Werten“. War der Westen 1999 noch geschlossen gegen Jugoslawien und konnte die Regierung Milosevic so als gefährlicher Schurke gegen diese Weltordnung dargestellt werden, so erscheinen heute die USA selbst als diejenigen, die den Frieden aus ihrem maßlosen Machtansprüchen heraus gefährden.
Obwohl wir im Gegensatz zu Handke die heutige Bewegung als großen Schritt nach vorne ansehen, so behält er doch im Kern mit seinen Angriffen Recht:
„Ich werde von Tag zu Tag zorniger. Plötzlich sind alle gegen den Krieg. Sogar Monsieur Jacques Chirac spricht davon, dass alles sein Recht haben muss. Aber in Jugoslawien, das mitgeholfen hatte, die Welt vom Nazitum zu befreien, war das Recht völlig egal (…) Das Recht war unwichtig, jetzt muss es plötzlich gewahrt werden. Deshalb will ich nicht mit dem Gesindel, das den Krieg gegen Jugoslawien befürwortet hat, in irgend etwas einstimmen. Die europäischen Staaten haben sich für alle Zeiten strafbar gemacht. Jetzt haben sie in Jugoslawien ihren Blutdurst gestillt – vor allem Deutschland hatte da ja einen gewissen Nachholbedarf -, und plötzlich sind alle diese Verbrecher für den Frieden.“
„Keiner spricht mehr von Jugoslawien, obwohl man Milosevic mit Saddam Hussein ebenso wenig vergleichen kann wie mit Hitler. Es ist ein semantisches Verbrechen, wenn man etwas Unvergleichliches wie die KZs mit irgendwelchen Internierungslagern vergleicht: Unter diesem Vorwand hat Deutschland Jugoslawien angegriffen. Alle tatsächlichen Verbrechen beginnen mit semantischen Verbrechen.“