Interview mit Al-Kubaysi, Wien, 30. März 2003
Al-Kubaysi ist Vorsitzender der Irakischen Nationalen Koalition, die sich als patriotische Opposition versteht. Neben klarer Opposition zum Regime von Saddam Hussein nimmt sie auch ebenso klar eine Stellung gegen den Krieg und das Embargo gegen den Irak ein.
Zwei Mitglieder der patriotischen Oppostion nahmen am 28/29. März in Wien an einem Kongreß gegen Embargo und Krieg teil.
Internationale Teilnehmer und Referenten des Kongresses
Interview mit Ahmed Karim, einem der Teilnehmer an dem Kongress in Wien
„Der Irak braucht die patriotische Opposition
AIK: Die Entschlossenheit des irakischen Widerstandes hat viele überrascht. Kann man aus heutiger Perspektive mit einem Anhalten dieses Widerstandes rechnen?
Ja, davon gehen wir aus. Tatsächlich ist das erst der Anfang, dieser Widerstand wird noch stärker werden. Bei allem Propagandageschrei war das Vorgehen der angloamerikanischen Aggressoren bis jetzt relativ vorsichtig, bis jetzt haben sie noch nicht versucht eine einzige größere Stadt einzunehmen, im Großen und Ganzen sind sie in der offenen Wüste geblieben. In einem solchen Gelände sind die irakischen Kämpfer im Nachteil, Gegenangriffe sind sehr schwierig. Das wird sich ändern, wenn sich der Krieg in die Städte verlagert, dann werden die feindlichen Verluste noch größer werden. Sie haben schon jetzt nicht nur Schwierigkeiten mit der irakischen Verteidigung, sondern auch mit dem Wetter und der Wüste. Der feine Sand setzt ihren empfindlichen hochentwickelten Waffensystemen zu, Sandstürme werden den ganzen April über auftreten und ihnen die Sicht nehmen, ab Mitte April beginnt der Sommer, die Temperaturen können dann 40 oder sogar 50 Grad betragen.
Letztlich werden sie aber an der Moral der Iraker zerbrechen. Wir verteidigen unser Land, dafür können wir auch hohe Verluste akzeptieren, so schmerzhaft sie sein mögen. Aber können die Amerikaner politisch den Verlust von Tausenden ihrer Soldaten verkraften? Ich glaube nicht.
AIK: Tatsächlich scheint es so, als würde nicht nur die Kampfmoral der Wehrpflichtigenarmee ungebrochen sein, sondern zusätzlich ein Widerstand des ganzen Volkes gegen die Aggression beginnen.
Diese Beobachtung ist richtig. Wir haben immer gesagt, dass die Iraker den Aggressoren keine Blumen streuen würden. Das haben nur die Verräter und CIA-Agenten der sogenannten Opposition behauptet. Diese Leute haben keine Verbindung mehr mit unserem Land, ihre Analysen haben sie auch für ihre westlichen Auftraggeber beschönigt. Die irakische Bevölkerung, zu mindest der arabische Teil ob christlich, sunnitisch oder schiitisch lehnt die Invasion ab und wird sie bekämpfen. Dabei ist es unwichtig wie die Leute zu Saddam und der Baath-Partei stehen. Gegen die Intervention werden wir alle unser Land verteidigen.
Der gesamte Süden ist in großer Mehrheit schiitisch, alle die jetzt umkämpften Städte Nadjaf, Kerbala, Nassiriya und Basra. Das Volk trägt Waffen, um sich zu verteidigen, wir halten es für möglich dass heute mehr als sieben Millionen Irakerinnen und Iraker bewaffnet sind – das sind die Zahlen der Regierung, aber sie decken sich mit unseren eigenen Beobachtungen. Erst gestern habe ich mit einem unserer Anhänger aus Nassiriya telefoniert. Gemeinsam mit seinem Sohn und seinem 88jährigen Vater kämpft er gegen die US-Marines, die in die Vororte eingedrungen sind. Und sie sind weder Angehörige der Armee, noch Mitglieder der Baath-Partei. Ein anderes Beispiel sind Kerbala und Nadjaf, sehr konservative und religiöse Städte (die größten schiitischen Heiligtümer befinden sich dort), wo nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen unter Waffen stehen.
Auf Grund dieser Verhältnisse glaube ich an den Sieg des irakischen Widerstandes. Die Amerikaner mögen einen Teil unseres Landes besetzen können, aber diese Besatzung wird niemals akzeptiert werden.
AIK: Welche Perspektiven hat die patriotische Opposition nach dem Krieg?
Wir glauben, dass der Kampf um Demokratisierung und Veränderung in unserem Land nicht vom Kampf gegen die Aggression zu trennen ist. Der Volkswiderstand, den wir heute sehen, wird die politischen Verhältnisse umwerfen, er wird die Iraker mit neuem Selbstbewusstsein ausstatten. Die Regierung hat schon vor dem Krieg mit einem Prozess der Öffnung begonnen, eine neue Verfassung ist in Vorbereitung. Dieser Prozess wird sich nach dem Krieg noch weiter vertiefen. Unsere Oppositionsbewegung, deren Führer lange Zeit ins Exil gezwungen waren, ist dabei in den Irak zurückzukehren. Am 3. April werden 25 unserer Leute aus Dänemark und 70 aus Syrien sich auf den Weg nach Bagdad machen, um in dieser Stunde der Gefahr bei unserem Volk sein zu können.