Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 23.04.2004
Mit Gefängnis zwischen „einem Jahr und sechs Jahren“ soll bestraft werden, wer „in einem internationalen bewaffneten Konflikt, an dem sich Spanien beteiligt, öffentlich Handlungen vornimmt, um diese Beteiligung in Misskredit zu bringen“. Das ist ein Auszug aus dem Artikel 49 eines neuen Gesetzesentwurfs des spanischen Verteidigungsministeriums zur Reform des Militärgesetzes. Auszüge aus dem Gesetzesentwurf hat am Dienstag die spanische Tageszeitung El Pais veröffentlicht. Mit der Vorlage soll das Delikt der Wehrkraftzersetzung wieder eingeführt und die Militärgerichtsbarkeit ausgeweitet werden. Zivilpersonen, die gegen Kriege protestieren, wie im Fall des Irak, sollen dann vor Militärgerichten abgeurteilt werden.
Die Veröffentlichung der Vorlage hat zu einem Entrüstungsturm geführt. So erklärte der Sprecher der Vereinten Linken IU Felipe Alcaraz, dieser Text könne von „jedem Diktator einer Bananenrepublik unterzeichnet werden.“ Der Generalsekretär der Republikanischen Linken Kataloniens ERC, Josep Lluàs Carod Rovira nannte Spaniens Ministerpräsident Josà© Maràa Aznar eine „Gefahr für die Demokratie“. Wenn der in dieser Geschwindigkeit weiter demokratischen Rechte abbaue, „werden wir bald im Gleichschritt in der Jugendfront marschieren“GARA
Während sich selbst traditionelle Partner der PP, wie die konservativen Nationalisten in Katalonien und den Kanaren entsetzt zeigten, zeigte sich der Oppositionsführer, die spanischen Sozialisten zurückhaltend. Man wolle erst die exakten Auswirkungen abwarten, sagte deren Chef Josà© Luis Rodràguez Zapatero. Offenbar haben die Sozialisten nichts dagegen, dass Zivilpersonen vor Militärgerichte gestellt werden sollen. Denn dass dies beabsichtigt ist, hat die Regierung bereits zugegeben.
Doch wegen der massiven Proteste gegen den Krieg rudert die nun heftig zurück, seit die Vorlage aus Verteidigungsministerium bekannt ist. Vor den Wahlen im Frühjahr 2004 will man wohl nicht noch mehr Porzellan zerschlagen.
Die Regierung von Aznar ist wegen der Kriegsunterstützung im Irak schwer angeschlagen. Sie bestätigte aber, ein neues Militärstrafgesetzbuch sei geplant. Das soll das aus dem Jahr 1985 stammendes Gesetz ablösen und die Kompetenzen der Militärgerichtsbarkeit erweitern. Begründet wird die Reform unter anderem mit „von Spanien eingegangenen internationalen
Verpflichtungen“.
Kafkaesk trat am Dienstag der Verteidigungsminister, Federico Trillo, vor die Presse. Er bestätigte dabei sogar die Existenz des Vorschlags, meinte allerdings, er habe von dessen Inhalt selbst erst aus der Zeitung erfahren. Den Fragen danach, wer den Vorschlag, auf Grund welcher Vorgaben und Anforderungen angefertigt hat, entzog er sich. Dafür klärt El Pais den
Minister heute über die Zuständigkeiten in seinem Haus auf. Wie alle Vorhaben sei auch dieser Vorschlag in einem Sekretariat des Verteidigungsministeriums ausgearbeitet worden.
Ohnehin entpuppen sich die scheinbaren Distanzierungen der Regierung von der Reform beim genaueren Hinsehen zwischen den Zeilen als Bestätigung des
Vorhabens. Der Verteidigungsminister erklärte, “ es macht keinen Sinn“ Strafen noch in dieser Legislaturperspektive einzuführen. Ähnlich äußerte sich auch der Vizepräsident, Mariano Rajoy. Er erklärte, die Reform habe „keine Priorität der Regierung“ und sie werde „in dieser Legislaturperiode nicht verabschiedet“. Nach einer wirklichen Distanzierung von einer weiteren Beschneidung fundamentaler Rechte klingt das nicht. Schon eher danach, dass der Vorschlag ausgearbeitet wurde, als noch nicht bekannt war, wie stark Aznar wegen seines Kriegskurses im Fall Irak an Vertrauen verlieren wird. So spricht alles dafür, dass die Volkspartei (PP) das Vorhaben nur zurückstellt und falls sie die Wahlen im Frühjahr 2004, entgegen aller derzeitigen Umfragen, doch noch gewinnt, wieder ausgräbt.