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„Die Roadmap ist ein amerikanischer Trick“

4. September 2003

Interview mit Ahmed Saadat, Generalsekretär der PFLP

Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die Regierung von Abu Mazen und was kann sie, gemessen an ihren politischen Aussagen, leisten?
Ahmed Saadat: Ein wichtiger Wesenszug dieser palästinensischen Regierung ist, wie aus der Rede des Ministerpräsidenten deutlich geworden ist, ihre Fixierung auf die Sicherheit. Der politische Diskurs der Regierung lässt dem Dialog zwischen den palästinensischen Organisationen und der palästinensischen Regierung keinen Raum. Was sie bezüglich der inneren Situation in Palästina angeboten hat (die Neuordnung von Verwaltung, Rechtswesen, Wirtschaft und Sozialwesen), ist ein ehrgeiziges Programm. Es wäre wünschenswert, dass die palästinensische Regierung der Umsetzung dieses Programms einen Weg bahnt, denn die nationalen und die islamischen Organisationen sowie die Regierung Palästinas sind sich dessen bewusst, dass die palästinensischen Einrichtungen, die zur palästinensischen Autonomiebehörde gehören, eine Erneuerung der Gesetzgebung brauchen. Nur so kann das palästinensische Volk über den Weg demokratischer Wahlen neues Vertrauen in diese Einrichtungen gewinnen. Doch glauben wir, dass das soziale und wirtschaftliche Programm durch die gegenwärtige Regierung nicht verwirklicht werden kann.
Die Beobachter sind der Ansicht, dass die gegenwärtige palästinensische Regierung die Regierung der Roadmap ist. Bringt dieser Plan irgendeinen Hoffnungsschimmer auf eine politische Lösung?
A.S.: Die Roadmap stellt einen politischen Plan dar, der letztendlich dazu dient, im Einklang mit der politischen Vision, die Sharon und seine Regierung dem palästinensischen Volk aufzwingen wollen, über die palästinensische Frage und die UNO-Resolutionen hinwegzusetzen. Die palästinensische Autonomiebehörde ist durch die Ernennung des Innenministers und den Austausch des Finanzministers allen Forderungen, welche die amerikanische Administration und Israel vorgebracht haben, nachgekommen. Diesmal hat die amerikanische Administration von den Palästinensern die Ernennung eines Ministerpräsidenten in Person von Mahmoud Abbas (Abu Mazen) gefordert. Ja, die Serie der Zugeständnisse, welche die palästinensische Autonomiebehörde gemacht hat, fügt sich ein in den Kontext der generellen Ausrichtung der palästinensischen Politik, die auf der Gewährung von Zugeständnissen, unter dem Etikett von Rechtsansprüchen, zu deren Beachtung die Palästinenser verpflichtet seien, beruht. Diese Grundausrichtung hat dazu geführt, dass der Vision von Bush, die Ausdruck einer Neuauflage des Planes von Sharon zur Beilegung des Konflikts ist, ein festes Fundament gegeben und der Name „Friedensplan“ und „Verwirklichung des Traumes und der Vision der Zweistaatlichkeit“ gegeben wurde. Doch tatsächlich ist die Vision von Bush Ausdruck einer Kriegserklärung gegen das palästinensische Volk und gereicht dazu, die Logik auf den Kopf zu stellen. Durch sie wird das palästinensische Volk, das gegen die Besatzung kämpft, in ein Volk, das Terror praktiziert, verwandelt. Die israelische Besatzung hingegen wird von einem Apparat der Unterdrückung und des Terrors gegen das palästinensische Volk in einen Staat, der das Recht auf Selbstverteidigung praktiziert und sich dem palästinensischen Terror widersetzt, verwandelt.
Denn die Vision von Bush enthält einen weiteren Punkt, der im Rahmen der Gestaltung der allgemeinen israelischen Politik seinen Platz hat. Er hängt zusammen mit der Auswechslung der palästinensischen Führung. Diese Vision beschränkt sich nicht auf die Personen, sondern umfasst Änderungen an der Ausrichtung der palästinensischen Politik, hin dazu, den israelischen Sicherheitsbedürfnissen und der israelischen Vision zu folgen.
Dies führt zum Verzicht auf die fundamentalen palästinensischen Anliegen, in erster Linie des Rechts der Flüchtlinge auf Rückkehr. So ist es die Vision von Bush, die das Fundament für den Bau dessen gelegt hat, was Roadmap genannt wird.
Die Roadmap bringt im besten Fall die Rückkehr des palästinensischen Volkes in den Teufelskreis der sinnlosen Verhandlungen, die nach sieben Jahren in Camp David in eine Sackgasse gelangten. Und die Roadmap erlegt sogar, im Sinne des Vertauschens des Provisoriums mit den Verhandlungen (unabsehbar lang sich hinziehenden Verhandlungen), schlimmere Bedingungen auf als die Bedingungen des Oslo-Abkommens. Es handelt sich also um ein Konzept, das mit der Vision von Sharon auf das Engste verwandt ist.
Außerdem verknüpft die Roadmap die Durchführung der ersten Schritte mit dem Stand dessen, was von der palästinensischen Seite an Verpflichtungen eingegangen wird, womit die Sicherheitsverpflichtungen gemeint sind. Die Regierung Mahmoud Abbas ist auf dem Fundament der Befolgung der Roadmap aufgebaut und konzipiert. Das Wesen des Programms der neuen palästinensischen Regierung besteht in seiner funktionalen Sicherheitsrolle. Es ist nicht verwunderlich, dass der Innenminister Mahmoud Abbas selbst ist, denn der Innenminister ist mit der Bewahrung der Sicherheit betraut, seine Funktion hat nur mit Sicherheit zu tun. Die Ankündigung der Roadmap ist nicht gleichbedeutend mit ihrer Umsetzung, denn Israel will den Palästinensern, aufgrund des Ungleichgewichtes der Kräfte und der unbedingten Unterstützung Amerikas für die israelische Politik (die Bedingung des Einstellens der Intifada und des Widerstandes), seine Diktate und Forderungen aufzwingen. Heute besteht die Funktion und die unmittelbare Aufgabe der palästinensischen Regierung bis auf Weiteres in der Ankündigung der Roadmap, eines Planes, der den Konflikt zwischen dem palästinensischen Volk und der Besatzung in die Reihen des palästinensischen Volkes hinein verlagert.
Die Bildung der palästinensischen Regierung zielt nicht darauf ab, Lösungen für die gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Notlage ausfindig zu machen, die das palästinensische Volk durchlebt, denn die Bildung der Regierung hat zwar die Autonomiebehörde und das Zentralkomitee der Organisation Fatah aus seiner inneren Krise geführt, steht jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Herausführen des palästinensischen Volkes aus seiner schwierigen Lage.
Und was für einen Ausweg sehen Sie?
A. S.: Ich rufe sämtliche nationalen und islamischen Bewegungen sowie die Autonomiebehörde dazu auf, einen konstruktiven politischen Dialog zu führen, der geeignet ist, Strategien und politische Visionen zu skizzieren, um das palästinensische Volk aus seiner schwierigen politischen Lage herauszuführen und die Verwirklichung der gerechten nationalen Ziele (die Rückkehr der Flüchtlinge, die Selbstbestimmung und die Errichtung des unabhängigen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt) zu erreichen. Das wird nicht auf dem Weg der Roadmap verwirklicht, sondern es erfordert vielmehr, das Abkommen von Oslo hinter sich zu lassen und sich von den Festlegungen und den Kreisen, die die Verhandlungen von Oslo bestimmten zu entfernen. Denn die israelische Regierung ist aufgrund des Kräfteungleichgewichts und der amerikanischen Autorität in der Lage, von den Palästinensern auf allen Ebenen die Gewährung eines neuen Zugeständnisses zu erzwingen das den israelischen Zielen dient. Wenn die Roadmap wirklich funktionieren sollte, dann läuft sie letztendlich darauf hinaus, dass die israelische Besatzung durch die direkte amerikanische Mandatsherrschaft über das palästinensische Volk ersetzt wird und das versucht wird, die palästinensische Unabhängigkeit lebendig zu begraben, sich an den Resolutionen des Sicherheitsrates vorbeizuwinden, der die Notwendigkeit der Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates, der über Souveränität und eigene Grenzen verfügt, festgeschrieben und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge als Kern der Palästinafrage bezeichnet hat.
Die gegenwärtige Phase lässt sich als schwierig charakterisieren. Sie verlangt von sämtlichen nationalen und islamischen Gruppen und den politischen Instanzen und Institutionen des Volkes einen hohen Grad an Verantwortlichkeit, die Bewahrung der inneren nationalen palästinensischen Einheit sowie die Erhaltung der Errungenschaften der Intifada und der internationalen Erfolge, wie z.B. der UNO-Resolutionen, die die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates, als Ausdruck des Rechtes des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, vorsehen. Die palästinensische Verantwortlichkeit verlangt Lösungen, die weiter reichen als zur Bildung einer Regierung oder zur Ernennung eines Ministerpräsidenten, denn diese Lösungen sind Angelegenheiten der Palästinenser, und es ist nicht richtig, dass sie von außen aufgezwungen werden. Dies bedroht die Stabilität.
Es ist nötig Druck auszuüben, damit die Verhandlungen vom Rahmen der direkten Verhandlungen unter amerikanischer Schirmherrschaft in den Rahmen der Vereinten Nationen verlagert werden. Den Vereinten Nationen obliegt es direkten Druck auf Israel auszuüben, mit dem Ziel der Umsetzung der Palästina betreffenden Beschlüsse des Völkerrechts. Die vordringliche Aufgabe, die den Vereinten Nationen heute zufällt, ist es, dem palästinensischen Volk internationalen Schutz zur Verfügung zu stellen und nicht amerikanisch-britischen Schutz, der in der Weise der Besetzung des Iraks verwirklicht wird. Durch den Schutz, den das palästinensische Volk für eine befristete Phase fordert, soll über die direkte Wahl vom Volk und ein modernes und demokratisches Wahlgesetz die Errichtung des palästinensischen Staates gefestigt werden. Das würde den Erfordernissen der Entwicklung der Demokratie in Palästina entsprechen und nicht den Sicherheitsbedürfnissen von Amerika oder Israel.
Die Roadmap stellt mit ihren willkürlichen Verdrehungen der Rechtsansprüche und der Bestimmungen einen politischen Deckmantel dar für die israelische Knute, die gegen das palästinensische Volk Verwendung findet.
Der Kampf des palästinensischen Volkes landet in der Schublade des Terrors, während der israelische Terror gegen das palästinensische Volk so charakterisiert wird, als sei er die Bekämpfung des „Terrors“. Auf diese Weise ist die Roadmap in ihrem Wesen ein amerikanischer Trick um sich auf der Grundlage der Vision von Bush an den UNO-Resolutionen, die die Errichtung des palästinensischen Staates vorsehen, vorbeizuwinden.
Die Roadmap hat Inhalte und Grenzen gemäß den israelischen Sicherheitsbedürfnissen festgelegt. Sie zielt im Wesentlichen darauf ab, Israel in die Lage zu versetzen, sich der Palästinafrage, des Widerstandes und der Intifada zu bemächtigen. Amerika will die Sache der Palästinenser durch die Rückkehr zu den Verhandlungen, die der Intifada vorausgingen, untergraben. Der amerikanische Plan richtet sich in seiner Gesamtheit gegen das arabische Vaterland. Israel ist ein Hauptverbündeter in diesem amerikanischen Plan. Dieser zielt zunächst darauf ab, den Widerstand in Palästina mittels Sharons Militärapparats zu zerschlagen, den Irak und die Machtzentren der arabischen Nation zu zerstören und danach dazu überzugehen dem Rest der arabischen Welt ihr Diktat auf zu zwingen, damit Amerika in die Lage versetzt wird, die Region des Nahen Ostens neu zu ordnen. Diese politische Sicherheitsordnung, die das Fundament für die totale amerikanische Hegemonie, unter Teilhaberschaft Israels als regionaler Hegemonialmacht bildet, zielt darauf ab, die Araber zu zähmen und sie zum Nachgeben zu zwingen, wie es sich auch in der arabischen Friedensinitiative zeigt, ohne dass Israel oder Amerika irgendeine Gegenleistung erbracht hätten.
Nach diesem Plan müsste die Lösung auf dem Weg direkter Verhandlungen zwischen den „Palästinensern und den Israelis“ kommen und nicht auf Grundlage der Bestimmungen und Beschlüsse des Völkerrechts. Durch diese Schaumschlägerei – das amerikanische Konzept der Verhandlungen ohne Endresultat – wird die Palästinafrage von Krise zu Krise geführt. Denn die Roadmap ist ein Plan, der weit davon entfernt ist, Resultat der vielen Opfer zu sein, die das palästinensische Volk über die Jahre der Intifada und des Widerstandes erbracht hat.
Die Bildung der palästinensischen Regierung war kaum angekündigt, da begann die israelische Regierung bereits Forderungen zum Thema Sicherheit vorzubringen. Wie sehen Sie im Licht dieser Lage die Intifada?
A. S.: Die palästinensische Intifada ist eher eine spontane Volksinitiative als ein Plan der nationalen und islamischen politischen Gruppen. Die Gruppen verbanden sich mit der Intifada, aber die Intifada war in ihrer Verbreitung, ihrem Umfang, zu umfassend, als dass sie von Seiten einer Gruppierung oder der palästinensischen Autonomiebehörde hätte gelenkt werden können. Solange die Gründe der Intifada und des Widerstandes fortbestehen (die israelische Besatzung), werden die Intifada und der Widerstand andauern, denn das palästinensische Volk ist sich dessen bewusst, dass die Einstellung der Intifada eine Forderung Israels ist, für die keine Gegenleistung erfolgen wird. Das palästinensische Volk braucht heute die Befreiung von der israelischen Besatzung, denn die Flammen des Widerstandes werden nicht erlöschen, solange seine Ursachen nicht aufgehört haben zu bestehen. Der Widerstand mag geringer werden, er mag schwächer werden, es gibt keinen geradlinigen Verlauf irgendeines Aufstandes, eines Widerstandes oder einer Intifada bei irgendeinem Volk: An einigen Punkten rückt er vor, an anderen weicht er zurück. So haben auch die Gespräche in Gaza (die Erklärung von Gaza) die Notwendigkeit des Festhaltens am Widerstand und der Intifada als einer palästinensischen Option zur Verwirklichung der nationalen Rechte des palästinensischen Volkes bekräftigt. Es gibt einen Volks- und Gruppenkonsens über die Notwendigkeit der Fortführung der Intifada bis zur Verwirklichung der legitimen und gerechten nationalen Ziele des palästinensischen Volkes: die Rückkehr der Flüchtlinge, das Recht auf Selbstbestimmung und die Errichtung des unabhängigen Staates und seiner unteilbaren Hauptstadt Jerusalem. Das sind palästinensische Angelegenheiten, die niemand ignorieren oder zerteilen kann, und die nationalen Rechte lassen sich auch nicht voneinander trennen.
Die Roadmap behandelt im Wesentlichen Sicherheitsfragen, ist es von daher nicht verständlich, dass die palästinensische Regierung politische Akzente vermissen lassen wird?
A. S.: Um auf die programmatischen Pläne der palästinensischen Regierung zu sprechen zu kommen: Diese sind fixiert auf die Beschwichtigung und die Verpflichtung zur Erfüllung der Forderungen der Road Map. Zwar hat ein palästinensischer Verantwortlicher verkündet, dass durch die Ernennung des Ministerpräsidenten und die Bildung der neuen Regierung, die Autonomiebehörde allen Erfordernissen der ersten Phase nachgekommen sein dürfte und es an der israelischen Regierung sei zu reagieren. Amerika und Israel jedoch sagen, dass die grundlegende und wesentliche Frage die Bewahrung der Sicherheit ist. Und Israel sagt, dass die Aufgabe der palästinensischen Regierung eine Sicherheitsaufgabe ist und dass sie die Sicherheit bewahren soll. So hängt der politische Fortschritt nicht im Mindesten vom Willen der Palästinenser ab. Keine Regierung kann den politischen Verlauf bestimmen, wenn sie als Ergebnis des Befolgens von Forderungen und des Drucks von Außen zustande gekommen ist. Wer akzeptiert, dass er unter politischem Druck steht, der muss den politischen Fortschritt von Seiten Israels erhoffen, über die wohlwollenden Gunstbezeugungen des Militärapparats. Denn Israel ist es, das mit Unterstützung Amerikas den politischen Fortschritt bestimmt und den Verlauf der Friedensregelung kontrolliert, während die Palästinenser fortfahren müssen, Zugeständnisse zu machen, für die sie als Gegenleistung nur die bloße Aussicht auf Versprechungen der Umsetzung dieser oder jener Einzelbestimmung der Roadmap bekommen. So wird der politische Fortschritt nicht auf der Grundlage palästinensischer Rechte erfolgen, die Israel wiederherzustellen hat. So wird die Rückkehr zum Provisorium nur zu einer Wiederherstellung derselben Krise führen, durch die der Verlauf der Verhandlungen vor dem Ausbruch der Intifada hindurchgegangen war. Und ich hoffe, dass die neue Regierung ihre Politik nicht auf den Hirngespinsten der Roadmap aufbauen wird. Denn dies würde zu einem inneren Widerspruch führen, da zur selben Zeit die palästinensische Sache der Mobilisierung sämtlicher Elemente der Kraft und der Standfestigkeit bedarf, um dem amerikanisch-israelischen Plan die Stirn zu bieten.
Es gibt Stimmen, die sagen, dass Israel die Palästinenser und die Araber dreimal besiegt hat: Das erste Mal bei der Katastrophe des Jahren 1948, das zweite Mal bei der Unterzeichnung des Abkommens von Oslo und das dritte Mal bei der Annahme der Roadmap.
Es gibt einen Unterschied, zwischen der Tatsache, dass Israel Regime besiegt und der, dass es die Völker besiegt. Denn es ist ein Faktum, das Israel militärische Siege und politische Erfolge errungen hat, angefangen mit dem Übergang vom bewaffneten Kampf zu Verhandlungen, die in die Unterzeichnung des Abkommens von Camp David mündeten, über das Herauslösen Ägyptens aus Konflikt, bis hin zur Tatsache, dass es im Rahmen der Verhandlungen von Madrid seine Bedingungen diktierte und was das Abkommen von Oslo hervorbrachte. Es mag sein, dass Israel einen Sieg über die palästinensische Autonomiebehörde errungen hat, doch einen Sieg über das palästinensische Volk wird es nie erringen, denn sämtliche so genannten Sicherheitspläne, die Israel entworfen hat, um die palästinensische Sache, den Widerstand und die Intifada zu eliminieren, sind im Fiasko geendet, sind doch die täglichen Ereignisse in Palästina eine Bestätigung dafür, dass der Widerstand von Dauer ist und dass der Widerstand die Kraft besitzt, die israelische Politik zu beeinflussen. Denn das Bestehen auf der Umsetzung der Roadmap ist ein Versuch, den Widerstand und die Intifada zum Stehen zu bringen. Doch der Sieg über das Volk, den Willen, die Kraft und den Widerstand ist keine leichte Sache. Die Intifada und der Widerstand werden andauern, bis die legitimen nationalen palästinensischen Ziele verwirklicht sind.
Amerika betont, dass die Verhandlungen über die Roadmap durchgeführt werden müssen. Wo bleiben dann die früheren Abkommen und Übereinkünfte?
A.S.: Die Roadmap ist die Rückkehr zu den Verhandlungen unter schlechteren Bedingungen als zuvor. Heute dreht sich das Gespräch um die internationale Aufsicht (die amerikanisch-britische Aufsicht), unter welcher die Gefängnisse der Autonomiebehörde gestellt worden: So war das Gefängnis von Jericho vor der Besetzung des Irak unter britisch-amerikanischem Mandat. Und es ist die Rede von der Aufsicht über die Sicherheit. Es gibt eine „palästinensisch-jordanisch-ägyptisch-amerikanische“ Sicherheitskommission, die den Wiederaufbau der palästinensischen Sicherheitsorgane beaufsichtigt. Es gibt eine Aufsicht über den palästinensischen Apparat und die palästinensischen Maßnahmen. So ist die Aufsicht schlimmer als die Besatzung.
Sharons Plan bietet keinen Raum für jedwede Errichtung eines palästinensischen Staates. Bedeutet dies nicht, dass Sharon fortfahren wird, sich der Gewalt und der Machtausübung gegen das palästinensische Volk zu bedienen?
A.S.: Sharons Programm (als Person, Partei und Regierung) zeigt keine Bereitschaft, die UNO-Resolutionen umzusetzen oder überhaupt zu akzeptieren, fordert Sharon doch das Recht auf Rückkehr noch vor der Umsetzung der Roadmap zu tilgen. So wird die Gewalt der Regierung Sharon gegen das palästinensische Volk nicht aufhören, denn Sharon glaubt daran, seine politischen Bedingungen durch Gewaltanwendung aufzwingen zu können, die von Seiten der amerikanischen Administration politisch gedeckt wird. Und der Gewalt Sharons stellen sich die Intifada und der Widerstand in den Weg, um Sharon die gebührende Antwort zu geben. Denn die Befreiung von der israelischen Gewalt erfordert die Umsetzung der UNO-Resolutionen, den Rückzug der israelischen Besatzung auf die Grenzen des Jahres 1967, das nationale palästinensische Recht auf Unabhängigkeit auf dem nationalen Boden und die Errichtung eines palästinensischen Staates mit einer Souveränität, die nicht durch irgendwelche Bedingungen oder Diktate beschränkt ist.
Was sind gegenwärtig die Verbindungen zwischen der palästinensischen und der irakischen Frage?
A. S.: Die Verbindungen bestehen in erster Linie in der Zugehörigkeit des palästinensischen Volkes und der Zugehörigkeit des irakischen Volkes zur arabischen Nation. Die israelische und amerikanische Aggression haben bewiesen, dass das palästinensische Volk den tieferen Zusammenhang zwischen dem Angriff auf den Irak und dem israelischen Angriff auf das palästinensische Volk kennt, denn die Völker merken sich die Namen der Schlachten und lernen aus ihnen mehr als das, was sie in Jahren sonst lernen. Die Völker lernen aus der unmittelbaren Beobachtung der Ergebnisse des Krieges, die sich in der Realität widerspiegeln, und es gibt ein weit reichendes arabisches Volksbewusstsein darüber, dass der Angriff auf die arabische Nation abzielt, nicht nur auf das Volk des Irak und Palästinas. Denn es ist dahin gekommen, dass die Reichtümer, die Kultur, die Identität, die Würde und die Zivilisation der arabischen Nation von Zerschlagung und Unterdrückung bedroht sind und dass der arabischen Nation von Seiten Amerikas neue Denkweisen aufgezwungen werden. Dieses amerikanische Programm ist kein Geheimnis, vielmehr ist es das, von dem Colin Powell unter dem Schlagwort der Entwicklung einer neuen „demokratischen“ Kultur „und der Entwicklung der Demokratie in der gesamten Region des Nahen Ostens“ geredet hat. Die Frage ist, ob sich dieses Volksbewusstsein nicht in den politischen Apparaten widerspiegeln muss, den Instanzen des palästinensischen Volkes, die aufgrund ihrer Stellung und ihrer Programme im Widerspruch zum neuen amerikanischen Plan stehen, der die Kontrolle über die Potentiale der arabischen Nation zum Inhalt hat. Denn das Volksbewusstsein muss sich in wirklichen Programmen widerspiegeln, die den Widerstand gegen die erlittene und bevorstehende Unterdrückung zum Inhalt haben und die zukünftigen Aufgaben festlegen. Wollen sie etwa abwarten, bis Amerika daran geht, Syrien oder den Libanon anzugreifen, und darauf Jordanien und womöglich Saudi-Arabien und womöglich als nächstes Ägypten oder Libyen? Die Araber müssen ihre Lektion lernen, denn der Preis war hoch, der dafür bezahlt werden musste, dass sie nicht bereit waren, den Irak zu verteidigen.
Sollen die Araber abwarten, bis es Amerika gelungen ist, dem irakischen Volk seinen politischen Plan aufzuzwingen?
A.S.: Der Kampf im Irak ist noch nicht zu Ende. Auch wenn der amerikanische Imperialismus in der Lage gewesen ist, das Regime zu besiegen, so kann er doch nicht das irakische Volk besiegen, denn die vielfältigen Formen des Protestes gegen die amerikanische Aggression zeugen von der Fortdauer des irakischen Widerstandes. So lautet die irakische Forderung heute, dass diejenigen, die die Geschicke des irakischen Volkes lenken, die Iraker selbst sein sollen, wobei die Iraker an der Einheit des Irak festhalten. Denn trotz des Vorhandenseins einiger opportunistischer Stellungnahmen von Seiten einiger Gruppen der irakischen Opposition, die die Parole der positiven Neutralität propagieren, ist sich das irakische Volk heute dessen bewusst, dass es einer Mobilisierung aller Schichten des Volkes im Rahmen einer fest gefügten Einheit und Front bedarf, um dem amerikanischen Imperialismus die Stirn bieten zu können. Von welcher positiven Neutralität reden sie da, angesichts des amerikanischen Überfalls, der das Volk des Irak zum Ziel hatte und den Reichtum und die Einheit des Irak? Was von Amerika heute im Hinblick auf den Irak behauptet wird, ist die Errichtung eines liberalen demokratischen Staates und zur selben Zeit will Amerika sich mit Machtmitteln „die Reichtümer des irakischen Volkes“ aneignen. Amerika will das Öl und die Bodenschätze des Irak rauben.
Amerika hat es unternommen durch den Diebstahls der Kunstwerke und anderer historischer Schätze die irakischen Zivilisation ihrer Vergangenheit zu berauben. Amerika hat die Kultur- und Bildungseinrichtungen zerstört um das Bild des Iraks unkenntlich zu machen. So vollzieht sich die Konfrontation mit den Amerikanern heute von Angesicht zu Angesicht und es findet sich kein Rechtfertigungsgrund für irgendeine politische Partei, sich ihren Pflichten im Hinblick auf den Kampf zu entziehen. Einheit aller Gruppierungen und Parteien ist gefordert, denn der Kampf zwischen ihnen fördert die Umsetzung des amerikanischen Plans, die auf eine Teilung des Irak abzielt. Den Irakern obliegt es, auf die Errichtung eines demokratischen politischen Systems hinzuwirken und dieses politische System wird nur dann national und demokratisch sein, wenn es sich auf die Grundlage des Kampfes gegen die neue imperialistische amerikanische Besatzung, des Hinwirkens auf ihre Vertreibung und der Verwirklichung der nationalen Unabhängigkeit für das irakische Volk stützt.

 

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