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Nakba – das arabische Wort für Katastrophe

4. September 2003

Zum 55. Jahrestag

Mit Nakba wird der Krieg von 1948 bezeichnet, durch den Israel seinen Staat konsolidierte. 1948 war die Festschreibung und das vorläufige Ergebnis einer langen Kette von Aggressionen um die Palästinenserinnen und Palästinenser aus ihrer Heimat zu vertreiben und sich an ihrer Stelle dort anzusiedeln.
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann eine zionistische Siedlerbewegung nach Palästina. Der Zionismus verstand die Juden als Volk und nicht als Religionsgemeinschaft, wodurch die Judenfrage auch eine nationale Frage wurde. Die historische Heimat dieser Nation sei Palästina, Eretz Israel. Die meisten Juden blieben dem Zionismus aber indifferent gegenüber. Erst durch den Völkermord an den Juden durch die Hand des Nationalsozialismus konnte der Zionismus verstärkt die einzige Lösung in der Gründung eines eigenen Staates in Palästina vermitteln. Die entscheidenste Ursache für die Ermöglichung der Kolonialisierung Palästinas war aber die europäische, im speziellen die englische Unterstützung seit Bestand der zionistischen Bewegung. Der Zionismus stellte für Europa zum einen die Möglichkeit der Fortsetzung der europäischen Kontrolle im arabischen Raum dar, zum anderen konnte die von Europa als Problem erzeugte „Judenfrage“ sowohl für die europäische als auch die zionistische Seite zufriedenstellend gelöst werden. Die europäischen Kapitalisten haben an der jüdischen Bevölkerung einiges gut zu machen! Aber die Gründung Israels hatte in erster Linie nicht den Sinn den Antisemitismus zu bekämpfen und die Opfer so gut es geht zu entschädigen, was wohl ohnehin nicht möglich ist, sondern den, die Juden aus Europa teilweise in Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialismus abzuschieben und gleichzeitig den Appetit des europäischen Kolonialismus zu befriedigen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Beendigung der britischen Mandatsmacht in Palästina schalteten sich auch die Vereinten Nationen in die Verhandlungen mit den Zionisten und Palästina um die Errichtung eines jüdischen Staates ein. Auch wenn von Seiten der Vereinten Nationen zu Anfang der Vorschlag einer Zwei-Staaten-Lösung kam, der von den Zionisten unterstützt wurde, glich dies wohl auf beiden Seiten einem Lippenbekenntnis, da die Ziele der Israelis relativ klar auf dem Tisch lagen und seitens der UNO nichts unternommen wurde diese zu vereiteln. Die Zionisten akzeptierten keine von Seiten der UNO festgelegten Grenzen zwischen Israel und Palästina, sondern weigerten sich, genaue Angaben darüber zu machen. Manche sahen die Grenzen ihres zu bildenden Staates zwischen Ägypten und dem Euphrat. Außerdem machten die Israelis klar, dass der Staat Israel aus einer zumindest stark überwiegend jüdischen Bevölkerung und einer autark jüdischen Wirtschaft bestehen sollte. Vor der Nakba lebten in Palästina ungefähr 1.300.000 Araberinnen und Araber und 550.000 Juden und Jüdinnen. Um das zionistische Vorhaben durchzusetzen und einen Staat nach ihren Vorstellungen zu gründen, vertrieben und massakrierten die Israelis eine ganze Gesellschaft in dem Krieg von 1948 – der Nakba. 418 Dörfer wurden zerstört und an die 750.000 Palästinenserinnen und Palästinenser zur Flucht gezwungen. Die 151.000 verbliebenen Palästinenser und Palästinenserinnen wurden bis 1966 unter eine Militärgesetzgebung gestellt, die unter anderem ihre Meinungs-, Presse- und Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte. Bis heute werden sie als Bürger zweiter Klasse behandelt, denen besonders in Bezug auf Eigentumserwerb und -erhalt Beschränkungen auferlegt sind.
Erzielt wurde dieser Exodus durch geplante Massaker an der palästinensischen Bevölkerung, die den Palästinensern und Palästinenserinnen zeigen sollten, wie Israel auch mit ihnen umgehen würde, wenn sie das Land nicht verließen. Das traumatisierendste Beispiel eines Massakers waren die Ereignisse im Dorf Deir Yasin, in dem am 9. April 1948 250 Frauen, Männer und Kinder getötet wurden. Aber die meisten Palästinenser und Palästinenserinnen verließen das Land nicht im Vorhinein in einer geplanten Flucht, sondern sie flohen bei unmittelbarer Bedrohung mit nichts, außer der Kleidung, die sie gerade anhatten.
Nachdem die PalästinenserInnen zur Flucht gezwungen worden waren, wurde ihnen jedes Rückkehrrecht abgesprochen. Weiters wurde 1950 ein Gesetz erlassen, das die Enteignung und Konfiszierung von palästinensischem Grundbesitz legalisierte und kurz darauf wurde juristisch festgelegt, dass jede/r Jude/Jüdin der Welt das Recht auf Rückkehr nach Palästina und die Erlangung der israelischen Staatsbürgerschaft besitze.
All dies wohnt der Logik des Staates Israel inne, dessen Grundmauern Rassismus, Apartheid und Kolonialismus sind. Trotz der tagtäglichen Beweise seiner Menschenverachtung seit seines Bestehens versucht Israel aber den Mythos des Opfers aufrecht zu erhalten, in dem es die Gründung des Staates Israels einzig als Antwort auf den Holocaust erklärt – obwohl der Zionismus lange vor diesem gegründet wurde. Eine weitere Rechtfertigung seiner Politik sieht Israels in der vielstrapazierten übergroßen Gefahr, die von den arabischen Staaten ausgehen würde und gegen die sich Israel wehren müssen. Tatsache ist aber, dass heute die Opfer in diesem Spiel die Palästinenser und Palästinenserinnen sind.
Mit Unterstützung der Vereinigten Staaten, Europas und der UNO besetzten die Zionisten nicht nur ein Land, sondern vertrieben seine Einwohner und zerstörten und seine Gesellschaft. Die USA und Europa lieferten ihnen Waffen und die UNO versuchte sofort durchzusetzen, dass die PalästinenserInnen Israel einen Teil ihres Landes zugestehen müssen, in dem die Zionisten einen antiarabischen rassistischen Staat errichten könnten. Diese Resolution war den Zionisten aber nicht radikal genug. Sie versuchten Palästina und seine Bevölkerung ganz von der Landkarte zu löschen. Nachdem das britische Mandat am 14. Mai 1948 beendet worden war, begann Israel Palästina Stadt für Stadt zu besetzen. Dabei besetzten sie nicht nur Städte, die laut dem zuvor von der UNO vorgeschlagenen Plan der Zwei-Staaten-Lösung in dem Israel zugestandenen Teil lagen. (Die palästinensische Seite hatte diesen Plan naturgemäß abgelehnt, da er Verzicht auf einen Großteil ihres Landes bedeutete.) Bis zur Ausrufung des Staates Israel wurden bereits dreihundert tausend Palästinenserinnen und Palästinenser vertrieben und erst da schritten die arabischen Länder ein und der israelisch-arabische Krieg begann.
Dieser Mythos, den der Staat Israel umgibt, greift soweit, dass sogar die Nakba von einem Proponenten der israelischen Linken, Uri Avneri, als unvermeidlich verteidigt wird. Und nicht nur die israelische Linke stellt sich hinter diesen Exodus. Auch in der österreichischen Linken wird das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge von vielen nicht verteidigt, da dieses den Bestand des Staates Israel gefährden würde. Und damit haben sie auch Recht. Der Bestand eines auf Apartheid basierenden Staates wird durch eine Umdrehung der Bevölkerungsanteile gefährdet. Es bleibt nur die Frage offen, warum Teile der Linken für die Aufrechterhaltung dieses rassistischen Regimes im Nahen Osten durch ihre Forderung der Zwei-Staaten-Lösung eintreten und nicht für ein demokratisches Land, in dem die beiden Nationalitäten in Frieden und Gerechtigkeit miteinander leben können.
Der Zionismus muss endlich auch von allen linken Kräften in Europa als das gesehen werden was er ist. Er ist keine Politik der Verarbeitung und der Wiedergutmachung an den Opfern des Holocaust, sondern der Zionismus ist genauso Teil und Strategie des Kapitalismus und Imperialismus, wie es auch der Nationalsozialismus war. Erst, wenn sich die Opfer zusammentun kann die heuchlerische Fratze des Imperialismus enttarnt werden.

Sonja Tschurlovits

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