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Raffiniert verdeckter „Transfer“ der Palästinenser

4. September 2003

von Tanya Reinhart

Am Vorabend des Krieges gegen den Irak wurden in verschiedenen Kreisen Befürchtungen laut, dass Israel unter dem Deckmantel des Krieges einen „Transfer“ der Palästinenser an der „Saumlinie“ (Kalkilya, Tulkarem) der nördlichen Westbank versuchen könnte. Eine Szene dieses Szenarios wurde letzte Woche von der Armee aufgeführt. Am 2. April um 3 Uhr morgens fiel ein großer Truppenverband in das Flüchtlingslager von Tulkarem ein, blockierte alle Straßen und Pfade mit Stacheldraht und verkündete über Lautsprecher, dass alle Männer im Alter zwischen 15 und 40 Jahren sich zu einem bestimmten Gelände im Zentrum des Lagers zu begeben hätten. Um 9 Uhr begann die Armee, die zusammengetriebenen Männer in ein nahegelegenes Flüchtlingslager abzutransportieren. Diesmal war es nur eine demonstrativ vorgeführte Szene, und den Einwohnern wurde gestattet, nach wenigen Tagen zurückzukehren. Aber die Prozedur dieser Show sorgte dafür, das ihre Bedeutung den Teilnehmern und Zuschauern nicht entgehen konnte. Man achtete insbesondere darauf, dass die Evakuierung mit Lastwagen erfolgte – eine exakte Wiederaufführung des Traumas von 1948. Einer der Einwohner beschrieb seine Gefühle, als er auf den Lastwagen verfrachtet wurde, so: „Alle Erinnerungen und Kindheitsgeschichten meines Vaters und Großvaters von der Nakba tauchten wieder auf.“ (Ha´aretz v. 04. 03. 03)
Viele interpretieren diese Show als „Generalprobe“ für die Möglichkeit eines bevorstehenden Transfer. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die gegenwärtige Regierung konzeptionell auf den Transfer vorbereitet ist, aber es ist nicht sicher, dass die „internationalen Bedingungen“ reif sind, dies in der Weise, wie gerade vorgeführt, durchzuführen. Der Krieg im Irak hat für die USA zu einer Situation geführt, die zu verwickelt ist, als dass ein weiterer Brennpunkt eröffnet werden könnte. Aber Transfer bedeutet nicht einfach nur Lastwagen. In der israelischen Geschichte der „Landnahme“ gibt es auch ein anderes Modell, das verdeckter und raffinierter ist. Im Rahmen des Projekts der „Judaisierung von Galiläa“, das in den 50er Jahren begonnen wurde, wurden die Palästinenser, die in Israel verblieben, der Hälfte ihres Landes beraubt. Sie wurden in kleinen Enklaven, von israelischen Siedlungen umgeben, isoliert und verloren nach und nach die Bindungen, die sie als Nation zusammenhielten. Ein solcher innerer Transfer findet nun in den besetzten Gebieten statt, und er ist während des Krieges noch ausgeweitet worden.
Am 24. März drangen die Bulldozer auf die Ländereien des Dorfes Mas´ha vor, das nahe der Siedlung von Elkana liegt, und begannen den neuen Verlauf der Grenzmauer zu markieren, welche das Dorf von all seinen Ländereien abschneiden wird, genau so wie Tausende von Dunams, die zu Bidia und anderen Dörfern des Gebietes gehören. Elkana liegt etwa fünf Kilometer von der Grünen Linie entfernt, aber der Verlauf des Zauns wurde im Juni 2002 geändert, so dass er auch Elkana innerhalb der israelischen Seite einschließen wird. Allerdings ist es selbst nach diesem Plan nicht erforderlich, diese Länderein von den Dörfern wegzunehmen.
Es war nicht nur Gier nach Land, welche die Bulldozer auf die Ländereien von Bidia und Mas´ha vorstoßen ließ. Diese Ländereien liegen im westlichen Teil des Berggrundwasserbassins – des großen Wasserreservoirs, das seinen Ursprung in der Westbank hat und dessen Wasser unterirdisch auch ins Zentrum von Israel fließen. Von den 600 Millionen Kubikmeter Wasser, welches das Bergreservoir jährlich liefert, entnimmt Israel in verschiedenen Gebieten etwa 500 Millionen. (1) Die Kontrolle über die Wasserreserven war immer ein zentrales israelisches Motiv für die Aufrechterhaltung der Besatzung. Die Labourregierungen der 70er Jahre legten die ersten Siedlungen, die sie genehmigten in Gebiete, die für Bohrungen als „kritische Stellen“ definiert wurden. Elkana war eine dieser Siedlungen, die aufgrund eines Planes gegründet wurden, der den (irreführenden) Namen „Schutz der Quellen des Yarkon“ erhielt. (2) Seit der Besetzung 1967 hindert Israel die Palästinenser daran, neue Brunnen zu bauen, aber auf den Ländereien von Mas´ha und Bidia, wie auch auf den Ländereien, die bereits von Kalkilia und Tul Karem abgeschnitten sind, gibt es noch viele funktionierende Brunnen aus der Zeit vor 1967. Deren fortgesetzte Nutzung könnte die Menge des Wassers etwas vermindern, welches von Israel entnommen werden kann.
Die Einwohner von Mas´ha und Bidia, die dafür kämpfen, ihre Ländereien und ihren Lebensunterhalt zu retten, haben entlang den Pfaden der Bulldozer aus Protest Zelte errichtet. „Friedenszelte“ werden sie von ihnen mit einem Schimmer von Hoffnung genannt. Palästinenser, Israelis und internationale Unterstützer haben sich Tag und Nacht in diesen Zelten aufgehalten und stellen sich vor den Bulldozern auf. Ich war letzten Sonntag dort. Ringsum in alle Himmelsrichtungen, Hügel und Hügel mit Olivenbäumen – weite Gebiete mit Grün und Weideland, das man nur dort findet, wo Menschen seit Generationen auf ihrem Land leben, sich seiner Kostbarkeit und Schönheit bewusst sind. Und all dies Land gerät nun in die gierigen Hände der Landnehmer, die seine Brunnen austrocknen und es an Immobilieninvestoren verkaufen möchten.

Tanya Reinhart

(1) Dies sind die Vor-Oslo-Zahlen für 1993, zitiert in Haim Gvirzman „Two in the same basin“, in Ha´aretz v. 16. 05. 1993. Nach Angaben der Palästinensischen Hydrologiegruppe beläuft sich die gesamte palästinensische Wasserentnahme aus einer jährlichen Ergiebigkeit des westlichen Teils des Berggrundwasserbassins von gewärtig 362 Millionen Kubikmeter pro Jahr beläuft sich lediglich auf 22 Millionen Kubikmeter pro Jahr (www.pengon.org, Report #1.)

(2) Gvirzman, a.a.O.

Übersetzung: Klaus von Raussendorff nach einer aus dem Hebräischen übersetzten englischen Fassung von Irit Katriel

Aus: Yediot Aharonot vom 10. 04. 2003

 

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