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Warum der linke Antiamerikanismus über den rechten obsiegen wird

17. Oktober 2003

Antwort auf einige Kritiken an unserem antiamerikanischen Konzept

Von Leonardo Mazzei, Moreno Pasquinelli und Costanzo Preve

Man sagt, der Antiamerikanismus sei zweifelhaft, weil er sowohl im Denken der extremen Linken als auch in jenem der extremen Rechten vorhanden sei. Wer eine Bewegung in seinem Namen vorschlägt, der erzeuge Verwirrung und gerät in Gefahr inakzeptable, weil rechtsextreme, Positionen zu rechtfertigen.

Das ist nicht richtig, zumindest in unserem Fall. Um das zu verstehen reicht es nicht aus zu wiederholen, dass die Ereignisse von 1999 und 2003, der Krieg gegen Jugoslawien und den Irak, einen qualitativen Sprung in den internationalen Beziehungen bedeutet haben, das sie die Zerschlagung der Reste des internationalen Rechts durch die USA bedeutet haben. Das ist wichtig, aber nicht genug. Man muss klarstellen, dass die Kritik am Amerikanismus (ein besserer Ausdruck als „Antiamerikanismus“) aus der „Linken“ und der „Rechten“ auf unterschiedlichen und unversöhnlichen philosophischen Grundlagen beruht.

Die Kritik am Amerikanismus, die sich im marxistischen Denken aufklärerischen Ursprungs entwickelt hat, stützt sich auf zwei theoretische Säulen.

Zuerst ist es eine Kritik an einem besonders ausgeprägten Kapitalismus, kapillar – und daher siegreich und hegemonial. Der amerikanische Kapitalismus ist perspektivisch der hegemonialste und siegreichste unter all den Modellen des Kapitalismus, weil er sich von Anfang an von allen feudalen Resten befreit hat, und es erreicht hat sein Sklavenhaltertum gegenüber den Schwarzen und seinen Genozid gegenüber den Indianern vergessen zu machen. Er ist hegemonial und siegreich, nicht nur ob seiner Militärtechnologie, sondern auch weil er seit fast einem Jahrhundert sich auf eine kulturelle Hegemonie stützen kann, auf die kapillare Kolonisierung der Vorstellungen. Es handelt sich um das einzig existente Modell für das Funktionieren eines globalisierten Kapitalismus, das in den USA vorweggenommen wurde.

Zweitens ist die Kritik am Amerikanismus auch eine Kritik an einer spezifischen Krankheit der traditionellen marxistischen Kultur, dem Ökonomismus. Nach dem Ökonomismus sind alle Kapitalismen gleich, weil sie alle auf die Ausbeutung von Mehrwert und den Export von Kapital stützen. Das ist natürlich richtig, aber auf diese Weise vergisst man, dass der Kapitalismus auch eine Art messianische Religion zum Export in die ganze Welt (wie dies etwa mit dem spezifischen Konzept der Freiheit gerade passiert) werden kann. Die Transformation des Kapitalismus von einem ökonomischen Modell in eine zum Export bestimmte messianische Religion ermöglich den Aufbau einer Art ideokratischen Imperiums, etwas was weder England, noch Frankreich, noch Deutschland jemals waren.

Wir fassen zusammen. Unsere Kritik am Amerikanismus ist auf der einen Seite eine Kritik am Ökonomismus, auf der anderen Seite eine Reaktion auf den historischen Prozess des Aufstiegs einer Form des totalitären, alle Bereiche des Lebens umfassenden, messianischen Kapitalismus.

Die Kritik am Amerikanismus, der sich innerhalb von verschiedenen wichtigen Teilen der Rechten entwickelt hat (wir wollen dabei nicht vergessen, dass der größte Teil der extremen Rechten immer proatlantisch war) hat völlig andere Grundlagen.

Die Kritik am Amerikanismus, der historisch die Kultur der Rechten im letzten Jahrhundert geprägt hat, ist eine Kritik am Egalitarismus des Geldes, dem man eine Metaphysik der Ungleichheit der Menschen basierend auf der Tradition entgegengestellt hat – oder besser eine idealisierte Konstruktion der Tradition.

Es ist ein wenig verwunderlich, dass eine Gesellschaft die derartige soziale Ungleichheiten kennt wie die USA, dafür kritisiert wird zu egalitär zu sein. Aber in der Kultur der Rechten wird das Geld nicht als der erste Faktor der Ungleichheit angesehen (wie das in der marxistischen Tradition der Fall ist), sondern als Faktor der Nivellierung und Egalisierung der Welt auf eine einzige Dimension (jene des Geldes selbst). Die Kultur der Rechten will eine Ungleichheit auf anderen Ebenen (kriegerischer Wert, Rasse und Herkunft…)

Der ehrliche Beobachter wird erkennen, dass diese beiden Kritiken am Amerikanismus nicht nur gegensätzliche philosophische Grundlagen haben, sondern sich auch nicht wirklich treffen können, weil sie qualitativ inkompatibel sind. Wir erkennen im Amerikanismus eine Ideokratie der menschlichen Ungleichheit mit imperialer Berufung, die Kultur der Rechten erkennt im Amerikanismus eine extreme Form der Gleichmacherei. Die offensichtliche gemeinsame Verwendung einiger Themen (etwa der Rolle des Geldes) kann die unterschiedlichen dialektischen Dynamiken nicht verbergen und erlaubt nicht die Kritik am Amerikanismus aus der Linken und der Rechten zu einem einzigen ideologischen Block zu vereinigen. Nur ein Beobachter ohne jede historische und philosophische Sensibilität kann zu so einem Ergebnis kommen.

Die Dinge stehen heute so: Ein Zusammenfließen von linker und rechter Kritik am Amerikanismus ist nicht möglich, es erreicht entweder die eine, oder die andere, Konzeption eine hegemoniale Position. Das liberale Denken und alle Söldnertruppen des recycelten Ex-Kommunismus haben es aufgegeben den Amerikanismus zu kritisieren, und glauben sie seien sehr mutig, wenn sie nur einige Exzesse – George Bush, die Neokonservativen, die Unterstützung für den Verbrecher Sharon – aufgreifen. Wir sind tief davon überzeugt, das die Kritik am Amerikanismus, die aus einer marxistischen und antifaschistischen Tradition kommt eine hegemoniale Position gegenüber der Konzeption der Rechten erreichen kann. Wir werden nun erklären warum.

Die Traditionen, die sich auf Marx stützen, haben immer einen gesunden Kern universalistischen Humanismus. Ungeachtet der großen Fehlschläge der Vergangenheit, über die es immer noch keine seriöse theoretische Rechenschaft gibt, ungeachtet der „strukturellen“ Defekte des Ökonomismus und der historischen Apologie, trägt die Kritik am Amerikanismus die auf Marx beruft doch ein universalistisches Projekt politischer und sozialer Befreiung. Damit ist auch eine gewisse Flexibilität, eine Fähigkeit sich selbst zu erneuern, gegeben.

Die Tradition der Kultur der Rechten, kann sich nicht mehr erneuern, weil ihre antiegalitären Träume, oder besser ihre Träume der „natürlichen Ungleichheit, die es wieder herzustellen gilt“ sich in einer Sackgasse befinden. Ihre Mythen sind heute leer, ihre untergeordnete Integration in den Amerikanismus erreicht. An der Macht sind schließlich Rumsfeld und Condoleeza Rice, D´Alema und Blair sind nur pathetische Vasallen.

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