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Zu den Ergebnissen der „Eurobarometer – Umfrage“

26. November 2003

Kommentar

Anfang November wurden die Ergebnisse einer von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Umfrage präsentiert, in der die Befragten u.a. bei 15 Staaten anzugeben hatten, ob sie in diesen eine Bedrohung für den Weltfrieden sähen.

59% der Befragten sahen in Israel eine solche Gefahr, danach folgten die USA und Nordkorea, bei denen je 53% zu dieser Einschätzung kamen. (Zum Teil deutlich) geringere Werte hatten u.a. der Irak, Afghanistan, Syrien, China und Russland.

Die schlechtesten Werte für Israel ergaben sich in den Niederlanden (74%), die „besten“ in Italien mit 48%.

Wenn es auch überraschen mag, dass nicht die USA an erster Stelle gelandet sind (mehr dazu später), so zeigt das Umfrageergebnis doch, dass die Bemühungen westlicher und israelischer PolitikerInnen und Medien, ein Bild von westlicher Zivilisation und arabisch-asiatischer Barbarei zu erzeugen, nicht durchwegs von Erfolg gekrönt sind.

Israelische und amerikanische VertreterInnen beeilten sich, tiefsitzenden Antisemitismus und antiisraelische Medienhetze für das Resultat der Befragung verantwortlich zu machen.
Auch von offizieller EU-Seite war man schnell bemüht, mit der Angelegenheit nichts mehr zu tun zu haben. In Namen der EU-Ratspräsidentschaft distanzierte sich Italiens Außenminister Frattini von den Ergebnissen. Diese würden nicht die Position der EU wiedergeben, welche Israel immer als ein fest in demokratischen und westlichen Werten verankertes Land gesehen habe.

Eine ganz andere Sprache spricht Peter Melvyn, Mitglied der österreichischen Sektion von „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“: Bei einer Pressekonferenz eben dieser Organisation am 4.11. in Wien meinte Melvyn, auf das Umfrageergebnis angesprochen, es sei typisch, dass ein Vertreter des Simon Wiesenthal –Zentrums in Los Angeles sofort „Antisemitismus!“ gerufen habe, anstatt auch nur eine Sekunde an den Gedanken zu verschwenden, dass es auch noch andere Gründe für das Zustandekommen eines solchen Bildes geben könnte.

Tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass bei manchen der Gefragten antisemitische Ressentiments die entsprechenden Antworten begünstigt haben.
Bezeichnend für die nach wie vor bestehende Einheit des westlich-imperialistischen Gefüges ist allerdings die Einhelligkeit der amerikanisch-israelisch-Europäischen Bemühungen, jenen Faktor zu negieren, der wohl wesentlich ausschlaggebender für das Ergebnis der Umfrage war, nämlich die israelische Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik gegen die palästinensische Bevölkerung und ihre Drohgebärden gegenüber Syrien und dem Iran. Davon war in keiner offiziellen Reaktion zu hören, ebenso wenig wie von den Gründen dafür, dass die USA immerhin als am zweitgefährlichsten eingestuft wurden.

In Wirklichkeit spricht das Ergebnis dafür, dass die, nach dem 11.September 2001 weltweit medial ausgerufene, Terrorhysterie zumindest bei weiten Teilen der europäischen Bevölkerung bislang nicht den Blick dafür verstellen konnte, welche Politik zu der immer bedrohlicheren Weltlage geführt hat. Der exzessive israelische Siedlungsbau auf palästinensischem Gebiet sowie der zu weiterem Landraub genützte Bau der Apartheidmauer werden ebenso wie der permanente amerikanische Krieg gegen alle, die „nicht für uns“ sind und die illegale Besetzung des Irak, völlig zurecht nicht als Wirkung sondern als Ursache für Anschläge gesehen, die ihrerseits an Heftigkeit zunehmen. Auch wenn Anschläge auf Zivilpersonen keineswegs gutzuheißen und darüber hinaus auch politisch kontraproduktiv sind, bleibt zu hoffen, dass weiterhin bei vielen Menschen die Fähigkeit, Ursache und Wirkung richtig zu erkennen, erhalten bleibt.

Was die in israelischen und amerikanischen Reaktionen postulierte Verantwortung der europäischen Medienberichterstattung für das unerwünschte Umfrageergebnis betrifft, so ist festzuhalten, dass auch in dieser eindeutig die Terminologie von arabischen Terror und westlichen bzw. israelischen Vergeltungsmassnahmen vorherrscht, von einseitiger Berichterstattung also sicher nicht im Sinn einer Benachteiligung der amerikanischen oder israelischen Sichtweise gesprochen werden kann.

2 abschließende Bemerkungen:

1. Die Tatsache, dass die USA einen besseren Umfragewert als Israel erzielt haben, deutet möglicherweise darauf hin, dass hier insofern eine falsche Wahrnehmung festzustellen ist, als immer noch häufig das Bild von einer israelisch-zionistisch gelenkten US-Verwaltung verbreitet ist, während in Wirklichkeit ja der Staat Israel ein Instrument der US-Interessen im arabischen Raum ist. Natürlich agiert die amerikanische Politik im Sinne des Zionismus, entscheidend sind aber dabei die Ansprüche der USA, nicht jene Israels.

2. Die EU selbst (die bei der Umfrage interessanterweise als ein Staat galt), wurde nur von 8% der Befragten als Gefahr für den Frieden gesehen. Das lässt 2 verschiedene Interpretationen zu, die aber wohl beide in gleichem Ausmaß zutreffen: Einerseits kann der Schluss gezogen werden, dass die geheuchelte deutsch-französische Friedensrhetorik im Zuge des Irakkrieges nicht als das erkannt wurde, was sie war, nämlich ein Versuch, wirtschaftliche und geostrategische Interessen gegen die USA zu verteidigen. Andererseits kann man auch herauslesen, dass eben sehr wohl erkannt wurde, wie gering die militärische Bedeutung der EU derzeit (noch) ist, trotz verstärkter dahingehender Anstrengungen, den eigenen imperialistischen Ambitionen künftig auch wieder stärker selbst mit militärischen Mitteln nachhelfen zu können.

Gunnar Bernhard

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