im Zuge der gewaltsamen Stürmung der Redaktionsräume der Zeitung „Ekmek ve Adalet“
Die Maßnahmen, die ich heute (am 18.11.2003) erlebt habe, werte ich als barbarische, steinzeit-alterliche Repression gegen die gesamte Anwaltschaft. Die Maßnahme diente lediglich dem Versuch der Abschreckung und Einschüchterung der Verteidigung. Sie wurde angeordnet und durchgeführt von der Staatsanwaltschaft Koblenz sowie ihre untergebenen Polizeibeamten aus Köln und Koblenz.
Ich werde mich nicht daran hindern lassen, meine Mandanten weiterhin zu verteidigen.
Nach einem Anruf, dass die Redaktionsräume der Zeitung Ekmek und Adalet (Brot und Gerechtigkeit) von der Polizei und der Staatsanwaltschaft gestürmt worden seien und vor Ort kein Anwalt präsent sei, habe ich mich als Verteidigerin des Inhabers Erol Günes sofort auf den Weg gemacht, um der Durchsuchung beizuwohnen. Ich kenne die Zeitung und die Repressalien der Polizei und der Staatsanwaltschaft gegenüber der Zeitung nur allzu gut und wollte daher der Durchsuchung beiwohnen. Herr Diez von der Staatsanwaltschaft Koblenz war wohl der Ansicht, dass eine Anwältin da nur stören könnte, und forderte mich daher zunächst auf, sofort die Räume der Redaktion zu verlassen. Ich erklärte, dass ich der Durchsuchung beiwohnen wolle und nirgendwohin gehen würde. Herr Staatsanwaltes Diez befahl darauf nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft Koblenz die sofortige Anwendung von Gewalt gegen mich. An die 20 mit kugelsicheren Westen bekleidete Polizeibeamte der Sondereinheit stürmten sich auf mich und drängten, schubsten und zerrten mich auf den Flur. Ich rief, so laut ich konnte, dass hier Folter an Anwälten durch deutsche Polizisten ausgeübt werde und dass sie dies nicht dürfen. Im Flur wurde mir die Handtasche mit den Verteidigungsunterlagen aus der Hand gezerrt, mein Arm nach hinten über die Schulter verzerrt. Auf meine Bemerkung, dass der Kollege Diez das nicht dürfe, dass die Maßnahme rechtswidrig sei, erklärte er in aufgebrachter Weise, dass er sich nicht als Kollege von mir sehe. Herr Diez sieht anscheinend Rechtsanwälte nicht als Juristen und Organe der Rechtspflege, sondern lediglich als Störfaktor an. Ich wurde mit nach hinten verzerrtem Arm eine Zeit lang festgehalten, bis Plastikhandschellen geholt wurden. Währenddessen schubste mich eine Polizeibeamtin, neben der ich stand, zur Seite. Ich schrie sie an, was ihr denn einfallen würde, und schubste zurück. Mir wurden die Hände mit Plastikhandschellen nach hinten gebunden. Ich wurde während der Durchsuchung der Redaktion auf dem Hausflur von zwei Beamten an den Armen festgehalten. Als der Inhaber der Zeitung gegen die Gewaltanwendung gegenüber seiner Verteidigerin verbal protestierte, wurde ihm die Kehle zugedrückt, der Mund mit den Händen zugehalten und ihm die Hände ebenfalls nach hinten verbunden. Ich wurde mit nach hinten gefesselten Händen zur Polizeiwache gebracht, wo mir persönliche Gegenstände und die Tasche mitsamt der Verteidigungsunterlagen gewaltsam entnommen wurden. Mein Widerspruch hiergegen wurde ignoriert, statt dessen wurden weitere Polizeibeamte zur Hilfe herbeigerufen. Einer davon gebärdete sich [wild] und rief „blöde Zicke, schrei nicht so rum“.
Nach Entnahme meiner Jacke, Tasche, Schmuck und allen persönlichen Gegenständen wurde ich in eine Zelle gebracht, wo zwei Beamtinnen mich aufforderten, mich auszuziehen, weil man mich körperlich durchsuchen (?) müsse. Auf die Frage, was das solle, ob sie ernsthaft bei mir Drogen oder ähnliches in meinem Körperinneren vermuten würden, erfolgte keine Reaktion. Stattdessen wurde Gewaltanwendung zur körperlichen Durchsuchung angedroht. Auf meine Bemerkung, dass dies Folter sei, hieß es von einer Beamtin „Gehen Sie doch dahin, wo sie herkommen, dann sehen Sie, was Folter ist.“ Dass ich deutsche Staatsangehörige bin und aus Deutschland komme, interessierte sie natürlich nicht. Unter Protest von meiner Seite und Gewaltandrohung von den Beamtinnen wurde ich schließlich dazu genötigt, mich splitternackt auszuziehen, damit sie meinen Körper besichtigen konnten. Was ihnen dies gebracht hat, weiß ich nicht. Ich bewerte diese Maßnahme als nichts anderes als den Versuch einer entwürdigenden, ehrverletzenden, psychologischen Erniedrigung meiner Person als Frau und als Rechtsanwältin. Mein Wunsch, sofort eine Anwaltskollegin oder einen Anwaltskollegen sprechen zu wollen und sofort die zuständige Rechtsanwaltskammer benachrichtigen zu wollen, wurde die ganze Zeit über ignoriert.
Nach dieser gewaltsamen körperlichen Durchsuchung wurde ich in einer Isolationszelle eingeschlossen. Meine erneuten Wünsche, über die Sprechanlage sofort eine Kollegin sprechen zu wollen, wurden erneut ignoriert bzw. mitgeteilt, dass gleich Polizeibeamte kommen würden, denen ich meine Wünsche weiterleiten könne. Nach insgesamt ca. 3 Stunden kam schließlich ein Beamter, der mir mitteilte, die Maßnahme sei einem Richter mitgeteilt worden und mitgeteilt worden, dass die Maßnahme beendet sei. Ich könne nun nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung entlassen werden. Trotz meines Widerspruchs und trotz der Bekanntheit meiner sämtlichen Personalien, was auch der Beamte zugab, wurde auch hier unter Androhung von Gewalt die Erkennungsdienstliche Maßnahme mit der Begründung der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ durchgeführt. Der von mir nach der Entlassung aufgesuchte Arzt und das Krankenhaus hielten die körperlichen Eingriffe fest. Gegen sämtliche barbarischen Maßnahmen werde ich Rechtsmittel einlegen.
PE von Vesile Yücel, Rechtsanwältin,
Protestbriefe an:
Staatsanwaltschaft Koblenz, z.Hd. StA Diez oder StA Schmengler
Karmeliterstr. 14, 56068 Koblenz
Tel: 02161/102-2144, Fax: 02161/102-2003