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Die AIK, eine Demonstration in Rom und die angebliche Querfront

1. Dezember 2003

In den letzten Wochen wurde die italienische Sektion der AIK auch in Deutschland und Österreich wiederholt wegen einer vermuteten „Querfront“ mit Faschisten angegriffen. Wir haben eigentlich Besseres zu tun, als uns mit solchen Absurditäten herumzuschlagen, dennoch nun eine kurze Erklärung zur Aufklärung. Anlass dieser Vorwürfe ist die geplante Demonstration gegen die Besatzung des Iraks in Solidarität mit dem irakischen Widerstand am 13. Dezember in Rom, die von der italienischen Sektion der AIK mitorganisiert wird.

Die Absurdität der Querfrontvorwürfe enthüllt sich schon bei einer allgemeinen Betrachtung der politischen Lage: Die Erben Mussolinis sind an der Regierung beteiligt, stehen in einem festen Bündnis mit den USA und führen tatsächlich Krieg im Irak. Berlusconi war Mitglied der rechtsextremen Geheimloge P2, Gianfranco Fini und seine Alleanza Nazionale sind auch organisatorisch die Nachkommen des Partido Nazionale Fascista. Seit dem Anschlag in Nassirija, bei dem 19 italienische Soldaten und Carabinieri umgekommen sind und die Illusion der „humanitären Intervention“ zusammengebrochen ist, befinden sich sowohl die Forza Italia als auch die Alleanza Nazionale gemeinsam mit der konservativen Presse in einem Taumel des dumpfen Nationalismus. Parlamentsabgeordnete haben erklärt, sie würden sich sofort freiwillig an die Front melden (wenn es denn das fortgeschrittene Alter zulassen würde) um gemeinsam mit den „Jungs“ die Ehre Italiens im Zweistromland zu verteidigen. Es ist keine Rede davon, dass „gemeinsame antiamerikanische Feindbilder“, die immer wieder vorgeworfen werden, uns mit irgendwelchen Rechtsextremen vereinen. Abgesehen davon, dass wir mit diesen Kreaturen nichts zu tun haben wollen, sie wollen nicht mit uns demonstrieren, sondern mit ihren „tapferen amerikanischen Verbündeten“ kämpfen. Die absolute Hauptströmung der italienischen Rechten befindet sich auf einem zivilisatorischen Kreuzzug gegen den Islam und die arabische Welt und fordert außerdem die gerichtliche Verfolgung der AIK. Der berüchtigte Staatsanwalt Taormina will den Notstandsparagraphen 270 gegen alle verwenden, die den Widerstand im Irak als legitim verteidigen. Senatoren der Rechten haben das Verbot aller Kräfte gefordert, die die italienischen Soldaten im Irak nicht „Befreier“ nennen.

Die parlamentarische Linke setzt all dem herzlich wenig entgegen. Die Linksdemokraten haben bereits erklärt keine Soldaten aus dem Irak abziehen zu wollen und verurteilen den irakischen Widerstand als „terroristisch“. Man bereitet sich eben auf die baldige Machtübernahme vor. Und ein großer Teil der Gruppen aus linksradikaler Tradition scheint dieses Spiel mitzuspielen. Rifondazione Comunista möchte die angestrebte Wahlallianz nicht gefährden und schießt sich deshalb auf eine Demonstration in Unterstützung des irakischen Widerstands ein, die einen Störfaktor für das parlamentarische Spiel darstellt.

Das ist der politische Hintergrund der Hexenjagd, die in den italienischen Medien geäußert werden. Die bürgerliche Rechte serviert eine Totalitarismustheorie, die Rechte schreit Terrorismus, die parlamentarische Linke ruft „Querfront“, um ihr politisches Spiel weiter treiben zu können und die eigene Basis gegenüber einer konsequenten Antikriegsbewegung zu immunisieren. Da sie die nächste Regierung stellen werden, gilt es im Vorfeld gefährliche Opposition auszuschalten. Denn die Stimmung gegen die italienische Kriegsbeteiligung ist gewaltig.

Aus was bestehen die Querfrontvorwürfe nun genau, die man auch in Deutschland und Österreich auf indymedia lesen kann? So viel Rauch und gar kein Feuer?

Der Aufruf für die Demonstration wurde Anfang September lanciert. Parallel dazu gibt es eine Erklärung des Organisationskomitees keine faschistischen Gruppen auf der Demonstration zu tolerieren, der antifaschistische Charakter der Demonstration wird klargestellt. Diesem Aufruf haben sich bis jetzt knapp 1.500 Personen und politische Gruppen angeschlossen. Die Mehrheit davon aus dem Milieu der radikalen Linken, Mitglieder und Funktionäre von Rifondazione Comunista, den Basisgewerkschaften, der Cuba-Solidarität… Es finden sich Namen wie Mara Malavenda, ehemalige Abgeordnete und Ikone des italienischen Linksradikalismus und der Basisgewerkschaften; Domenico Losurdo und Roberto Massari, auch international bekannte marxistische Intellektuelle (vor zwei Jahren hat der KSV Losurdo auf die Uni-Wien eingeladen); Hamza Piccardo, Vorsitzender einer muslimischen Gemeinde und Padre Benjamin; ein ebenfalls international bekannter Intellektueller aus dem Franziskanerkonvent von Assisi. (Liste der Unterstützerinnen und Unterstützer: http://www.iraqlibero.net/pag/ades.htm)

Und wo sind die Faschisten? Von den knapp 1.500 Unterschriften hat ein Redakteur der „Liberazione“ 9 (!!) Namen ausgegraben, die ihm einen faschistischen Hintergrund zu haben scheinen. Um eines klarzustellen: Das italienische Organisationskomitee ist kein Geheimdienst. Es ist möglich, dass echte Faschisten auf der Liste landen, wie Alex Cioni, der nach bekannt werden dieser Tatsache gestrichen wurde. Die Ausrichtung der Demonstration erfolgt vor allem aber politisch: Durch den Aufruf, durch die Veröffentlichungen des Organisationskomitees, das den antifaschistischen Charakter immer betont hat, durch die Auswahl der Rednerinnen und Redner. Wer diese Grundlage und damit auch die Hegemonie der antiimperialistischen Linken auf der Demonstration akzeptiert und beschließt die Demonstration zu unterstützen, der kann auch nicht einfach gestrichen werden. Echte Faschisten werden weiter vom Aufruf heruntergenommen werden, aber nicht jeder rechte Intellektuelle ist ein Faschist. Niemand der genannten ist Mitglied einer faschistischen Organisation, einige Namen sind schlecht recherchiert, andere waren Faschisten, sind das aber heute nicht mehr.
Antonello Cresti hat vor einigen Jahren tatsächlich in der „L´Officina“ der Fiamma Tricolore geschrieben, hat aber erklärt jede zukünftige Mitarbeit auszuschließen und befindet sich heute Umfeld der Rifondazione Comunista.
Maurizio Neri ist tatsächlich in den 80er Jahren wegen seiner Beteiligung am schwarzen Terrorismus im Gefängnis gesessen und hat noch 1998 auf der Liste der Fronte Nazionale kandidiert. Heute gehört er der Gruppe „socialismo e liberazione“ an, erklärt Antifaschist und Antikapitalist zu sein, weist jede ideologische Ähnlichkeit mit dem Nazimaoismus (eine rechtsextreme Strömung des Jahres 1968) zurück und bilanziert seine frühere politische Tätigkeit als Fehler. Faschismus ist kein genetischer Defekt. Zahlreiche Personen der radikalen Linken sind historisch zum Faschismus übergelaufen, das Gegenteil ist genauso der Fall. Es ist nicht einzusehen, warum über diese Personen die politische Isolation verhängt werden muss.
Enrico Galoppini hat tastsächlich ein Buch in einem rechten Verlag publiziert. Er gehört aber keiner faschistischen Organisation an, sein Buch ist nicht neofaschistischen Inhalts und er wurde auch in anderen Verlagen publiziert.
Tiberio Graziani ist nicht gemeinsam mit dem Neofaschisten Claudio Mutti für die Internet Seite „Eiserne Krone“ verantwortlich. Diese hat lediglich einen seiner Texte aus dem Netz gesogen und dann auf die Seite gestellt. Er erklärt kein Mitglied irgendeiner rechtsextremen Vereinigung zu sein.
Giancarlo Paciello wird vorgeworfen im „Diorama Letterario“ mitzuarbeiten, tatsächlich erklärt er das nie getan zu haben. Von 1965 bis zu ihrer Auflösung war er Mitglied der Kommunistischen Partei.

Wir werden diese Liste nun beenden, wir geben auch keine Biographie für die immer noch knapp 1500 Unterschriften an, die nicht beanstandet wurden. Keine der erwähnten angeblichen „Faschisten“ hat irgendetwas mit dem Zustandekommen des Aufrufs zu tun. Keiner wird auf der Demonstration sprechen, keine neofaschistische Organisation wird toleriert werden. Schließlich werden alle echten Neofaschisten als Unterstützer gestrichen werden, sollte sie das Organisationskomitee bemerken.
Die einzige Querfront die es in Italien gibt, das ist der nationale Konsens der Rechten und Linken sich weiter am Krieg im Irak zu beteiligen.

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