Ein realistischer Blick auf das Gefecht von Samarra
Großes Aufsehen erregte ein Gefecht in Samarra im nördlichen Irak, von dem in den europäischen Medien die von den Amerikanern lancierte Nachricht wiedergegeben wurde, dass die US-Streitkräfte 54 Mann der angreifenden Guerillas getötet hätten, die vorgeblich schwarze Feddayin-Uniformen trugen. Ein Combat-Offizier der Invasionsarmee gab „Soldiers for the truth“ einen realistischeren Einblick in die größte Kampfhandlung seit dem proklamierten Ende des Krieges.
Bereits zuvor war aufgrund von Aussagen des Spitalsdirektors jenes irakischen Krankenhauses, in das die Opfer des Gefechtes eingeliefert worden waren, die US-Version der Ereignisse widerlegt und von einer sehr hohen Zahl ziviler Toter gesprochen worden. Der Offizier bestätigt diese Aussagen.
Bei dem überfallenen Transport habe es sich nicht um Nachschublieferungen, sondern um einen „Währungstransport“ zur Finanzierung der Versorgung der Besatzungstruppen gehandelt, schwer bewacht durch Abrams-Panzer und Bradley-Kampffahrzeuge. Wenn die Widerstandskämpfer von der Route wussten, die nur ausgesuchten Kräften der irakischen Polizei mitgeteilt worden war, müssten sie über ausgezeichnete Verbindungen verfügen. Mit Beginn des Angriffs war auch klar, dass die irakische Guerilla über die Fähigkeit verfügt, zwei Operationen zu koordinieren und militärisch durchzuführen, und dies trotz der auf „überlegener Feuerkraft“ basierenden aktuellen „Operation Iron Hammer“ („Eiserner Hammer“) gegen den Widerstand.
Was mit den ersten Schüssen losbrach, schildert der US-Offizier in klaren Worten: „Es ist leicht vorstellbar, was dann passierte. Der Konvoi bewegte sich fort, auf absolut JEDES Ziel feuernd, das irgendwie nach einer Bedrohung aussah. RPG Feuer von einem Haus, der Panzer zerstört das Haus mit starkem Feuer und bedeckt das Gebiet umher mit 7,62 and 50 cal. MG Feuer. Gewehrsalven aus einer Allee, die Artillerie sprengt die Allee und beschießt die umgebenden Gebäude mit 7,62mm und 25mm HE Munition. Das war tatsächlich ein rollender …‚Feuerkampf…‘ durch die ganze Stadt.“ (1)
Das entspreche genau dem Konzept unter dem Schlagwort „Eiserne Faust“, seien doch die US-Soldaten angewiesen, jedes Gebäude, Heim oder Auto unschädlich zu machen, von dem Feuer oder eine Bedrohung ausgehe. Dabei sei es nicht von Belang, wer sich sonst noch darin befinde, ja das werde sogar als ein „Akt der Rache“ in Kauf genommen. Allerdings bringe diese Art des Vorgehens unter Rückgriff auf die überlegene Feuerkraft und schwere Waffen mit sich, dass nicht festgestellt werden kann, wer alles getötet wurde, denn niemand der Kommandos gehe in den Trümmern nachsehen. Unterschiedslose Vernichtung sei die einzige derzeit angewandte Taktik gegen den Widerstand, in der Hoffnung, die irakische Bevölkerung würde der Guerilla die Unterstützung entziehen, „knowing we will blow the hell out of their homes or towns if they don´t“ (2) Dies bringe der Guerilla jedoch immer weitere Rekruten, auch unter den vorher Unentschlossenen. Die Ankündigung von Colonel Frederick Rudesheim, dass sofort auf den Feindkontakt reagiert werden würde und müsse, zeige die an einer Feldschlacht orientierte Vorgehensweise, die in der Bekämpfung des Widerstandes aber nichts bewirke, als dass Konvois durch die Gegend zögen und alles ringsum in die Luft sprengen würden.
Die Guerillas in Samarra seien normal angezogen gewesen, nicht in schwarzen Feddayin-Uniformen, wie das Oberkommando zu berichten wusste. Viel von ihnen gesehen habe man jedoch nicht. Niemand habe sich auf die Suche nach Opfern gemacht, nachdem die Stadt in Schutt und Asche gelegt worden war, aber es habe sicher eine unannehmbar hohe Zahl getöteter Zivilisten gegeben. Das sei die von der US-Armee praktizierte „Aufstandsbekämpfung“. „Wir wenden die Iraker weiter gegen uns, und anstatt aus dem Loch herauszusteigen, graben wir uns unentrinnbar darin ein“ (3), kommentiert der Offzier.
Die zwar nicht objektiven, allerdings ehrlichen und zurechtrückenden Aussagen des US-Offiziers ermöglichen eine realistischere Einschätzung der Kampfhandlungen von Samarra, die die amerikanische Armee so gerne als „Triumph über angeheuerte Verbrecher und Feddayin“ an die Heimatfront verkauft. Nirgends sind „schwarzgekleidete Feddayin“ zu finden, sondern nur Leichen von Zivilisten unter dem Schutt ihrer gesprengten Häuser. Die Operation „Eiserner Hammer“ und ihr kalkulierter Einsatz der Zerstörungsmacht von ausgiebigem Artilleriebeschuss weist auf die ansteigende Eskalation des Konfliktes hin. In Vietnam war es gang und gäbe, von nordvietnamesischen Armeeangehörigen zu sprechen, wenn wieder einmal ein Bauerndorf ausgelöscht worden war. Fand man nach einer Stunde Artilleriebeschuss keine Leichen des „Vietcong“, so erfand man welche, um die Millionen Dollar verursachter Kosten zu rechtfertigen. Auf die Dauer führte dies zu einer massiven Fehleinschätzung der militärischen Erfolge gegenüber den vietnamesischen Befreiungskämpfern und zu einer Überschätzung „überlegener Feuerkraft“. Im Irak lässt sich, insbesondere seit Samarra, eine ähnliche Entwicklung verfolgen. Es bleibt also zu hoffen, dass der Widerstand weiter profitiert im Angesicht einer Besatzungsarmee, die die irakische Bevölkerung ohne Unterschied angreift und ermordet, um diese Massaker als „Erfolg gegen Aufständische“ zu verbuchen.
Martin Vinomonte
Quellen:
(1) http://fairuse.1accesshost.com/news1/sftt1.html
(2) Ebda.
(3) Ebda.