Frontiers of Dreams and Fears -– Grenzen von Träumen und Furcht (Palästina 2001)
Children of Shatila –- Die Kinder von Shatila (Palästina 1998)
Mit diesen beiden Filmen war die palästinensische Regisseurin Mai Masri am ersten arabischen Frauen-Film-Festival Ende Oktober 2003 in Wien vertreten. Zusammen mit „CHILDREN OF FIRE“ bilden die Filme eine Trilogie, die die Situation der Kinder und Jugendlichen im besetzten Palästina und im Flüchtlingslager Shatila im Libanon auf sehr eindrucksvolle Weise zeigt. Mai Masri, die in Nablus aufgewachsen ist und nun als Flüchtling im Libanon lebt, schildert das Leben unter den Bedingungen des Krieges und der Besatzung und das Leben als Vertriebene durch die Augen und Worte von Kindern und Jugendlichen. Es sind Kinder, deren Leben in mehrfacher Hinsicht von Grenzen eingeengt und beschnitten wird, die sie jedoch in Hinblick auf eine menschenwürdige Gegenwart und Zukunft mit einer Reife, Weisheit und Lebenserfahrung, die weit über ihr Kindsein hinausgehen, zu durchbrechen versuchen.
Mai Masri erklärt den Aspekt der Grenzen, die es niederzureißen gilt. Zuallererst bedeutet dies nicht unterzugehen im Elend der Lager oder unter der Besatzung und den tagtäglichen Beschränkungen, sondern das Potential und die menschlichen Fähigkeiten auch unter den widrigsten Umständen zu entwickeln. Die Kinder arbeiten selbstbewusst daran und in „Frontiers of Dreams and Fears“ nehmen zwei Mädchen – eines aus Shatila und eines aus dem Lager Dheisha im besetzten Palästina – über Internet Kontakt miteinander auf und demonstrieren sehr anschaulich, dass ihr Zugang zu Bildung und Medien nicht Selbstzweck oder Erfüllung individueller Träume bedeutet, sondern ein Mittel dazu ist, Grenzen zu sprengen und ihre Situation zu verändern.
Wie ein roter Faden zieht sich der Gedanke der Rückkehr nach Palästina durch den Film und kommt schließlich eindrucksvoll und berührend zum Ausdruck, als es nach Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon am Grenzzaun zu Israel zu einem Treffen der Menschen aus Shatila und Palästina kommt – Berührungen, Austausch von Geschenken und Worten und ein wenig Erde von palästinensischer Seite als Symbol für die Träume der Flüchtlinge.
Im Gespräch betont Mai Masri, dass das Recht auf Rückkehr ein unveräußerliches Recht der Palästinenser ist und es ist ihr gelungen, diesen wesentlichen Eckpunkt jeglicher Lösung des Konflikts in beiden Filmen zu vermitteln. Sie sagt es auch mit den Worten einer Jugendlichen in „Children of Shatila“, der es gelingt, die Enge des Flüchtlingslagers hinter sich zu lassen und eine gute Ausbildung in England zu bekommen. Nicht das neue, materiell bessere Leben lockt, sondern es bleiben der Traum, die erworbenen Fähigkeiten dort einzusetzen, wo man es selber möchte, und die Erfahrung, dass das Wort „reisen“ zu einem Wort geworden ist, das man als Flüchtling zu hassen gelernt hat.
Mai Masris Filme sind Filme des Widerstands, weil sie das Potential zeigen, das Kinder und Menschen sich bewahren können, wenn sie an ihren Träumen und Zielen von der Verwirklichung ihrer Menschenwürde festhalten. Es sind auch Filme des Widerstands, weil ihre Realisierung bedeutete, dass einige Kinder zeitweilig festgenommen wurden, ein Großvater eines Mädchens erschossen und die Regisseurin im Bein angeschossen wurde und es die Filme trotzdem gibt. Nicht zuletzt sind sie engagiertes politisches Kino, das nach den Worten Mai Masris eine weitere Grenze durchbrechen soll – die zur internationalen Öffentlichkeit. Das Unrecht wird in so starken Bildern vermittelt, dass für die Menschen, die die Filme sehen, Millionen von Flüchtlingen nicht mehr Zahlen bleiben, sondern Menschen sind, denen unsere Unterstützung und Solidarität gelten muss.
Es bleibt mir eigentlich nur ein Danke an die mutigen Kinder und die Regisseurin und die Hoffnung, dass sie möglichst viele Grenzen niederreißen.
Elisabeth Lindner-Riegler