Revisionsverhandlung gegen Friedensaktivistin in Heidelberg
Mehr als dreißig interessierte Zuhörerrinnen füllten am Dienstag den Sitzungssaal 8 des Heidelberger Amtsgerichtes um einer Revisionsverhandlung gegen eine Friedensaktivistin aus einem Ort im Odenwald beizuwohnen. Iris L. hatte einen Strafbefehl wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlicher Körperverletzung“ in Höhe von 1.400 Euro erhalten. Dem wollte sich die Kriegsgegnerin und ihr Anwalt nicht fügen.
Die Verhandlung unter dem Richter am Amtsgericht Will wurde dann auch ein Tribunal über die Frechheit und Arroganz US-amerikanischer Besatzermentalität. Die Prozessbeobachter konnten unter anderem erfahren, dass US-Agenten deutsche Bürger, die sich gegen Angriffskriege wenden, filmen, fotografieren, beschatten und bis vor die eigene Wohnung verfolgen. Die gemachten Fotos werden dann in Form von Steckbriefen in Einrichtungen der US-Army ausgehängt. Um Kriegsgegner zu desavouieren wurden auch nicht verschlossene Briefe von der US-Army im heimischen Rathaus abgegeben, welche dann durch die Gemeinde zugestellt werden sollen. Was übrigens, wie der staunende Chronist hören konnte, im vorauseilenden Gehorsam von deutschen Amtmännern anstandslos ausgeführt wird.
Der vermeintliche „Widerstand“ und die „Körperverletzung“ stellte sich dann im Laufe der zweistündigen Verhandlung als konstruierter Straftatbestand und brutalen Einschüchterungsversuch von Kriegsgegnern durch die US-Army dar.
Geschehen ist laut den Einlassungen der sieben Zeugen tatsächlich folgendes: Iris L. war auf öffentlichen Straßen mit dem Fahrrad auf dem Heimweg. Die aktive Kriegsgegnerin kam von der ahnwache gegen den Irakkrieg vor dem Heidelberger US-Hauptquartier. Sie wurde in der Rohrbacher Straße an einer Straßenbahnhaltestelle ohne ersichtlichen Grund von einem Fahrzeug der US-Militärpolizei verfolgt, überholt, an eine Hauswand gedrängt und vom Fahrrad gezerrt. Die Arme wurden ihr auf den Rücken gedreht und mit Kabelbindern aus Plastik gefesselt.
Die Festnahme erfolgte offensichtlich ohne Begründung und somit willkürlich. Der vom Gericht als Zeuge geladene US Feldwebel Christopher Edwin Armentrout begründete dies, unter dem vom Richter gerügten Gelächter des Publikums damit, das die zierliche Iris L. „sich am Bicycle festgehalten und mit ihm gekämpft habe“. Auch habe Iris L. versucht „amerikanisches Territorium“ zu betreten. Starke Entrüstung äußerte sich im Saal als der er suggerieren wollte, die Friedensaktivistin habe dabei auch noch „nach seiner Dienstwaffe greifen“ wollen.
Im Gegensatz dazu schilderten die hinzugekommenen deutschen Polizeibeamten Iris L. als „ruhig und nicht aggressiv“, sie habe keinen Widerstand geleistet, sich ausgewiesen und kooperativ verhalten. Ein Grund zur Festnahme sei nicht feststellbar gewesen. Das veranlasste die zusätzlich gerufenen Beamten des Bundesgrenzschutzes die sofortige Freilassung der jungen Frau zu verfügen. Die Plastikfessel, so ein BGS-Beamter, war „extrem fest gezogen“, hatten das Handgelenk der Iris L. „stark eingeschnitten und das Blut abgedrückt“.
Auch von der angeblichen Körperverletzung hatte niemand etwas bemerkt noch gesehen. Die US-Militärpolizistin Melanie T. hatte behauptet, beim Aufschneiden der Handfessel von der Festgenommenen getreten worden zu sein, konnte sich aber (trotz der angeklagten „vorsätzlichen Körperverletzung“) nicht erinnern ob ihr rechtes oder linkes Bein getroffen wurde. Aus dem „blauen Fleck“ wurde dann im Laufe der Aussage eine „Rötung oder so was ähnliches“. Der diesbezügliche schriftliche Bericht der US-Army sprach von einer „Verletzung“ am Bein. Verfasserin des dem Gericht vorgelegten schriftlichen Berichtes war eine Miss Tompson, die auf Nachfrage des Rechtsanwaltes von Iris L., der US-Zeugin Melanie T. unbekannt war: „Kenne ich nicht“. Das Verfahren gegen Iris L. wurde eingestellt.
Harry Siegert 26.11.2003