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Die Irakische Widerstandsfront wird bald ausgerufen

21. Dezember 2003

Interview mit Jabbar al Kubaysi

Jabbar al Kubaysi ist Führer der Irakischen Patriotischen Allianz (IPA), die sich bemüht, die irakische Widerstandsbewegung in einer breiten politischen Nationalen Widerstands- und Befreiungsfront zu einen.

Antiimperialistische Koordination: Wie kommentieren Sie die Verhaftung Saddams?

Jabbar al Kubaysi: Es war offensichtlich, dass Saddam unter dem Einfluss von Drogen stand, die ihm in eklatanter Verletzung der grundlegenden Menschenrechte verabreicht wurden. Nach meinen Informationen wurde Saddam bereits zwei Wochen früher gefangen. Die Okkupanten nützten diese Zeit, ihn „vorzubereiten“ und das Medienspektakel zu inszenieren, mit dem wir gefüttert wurden. Ohne die Mithilfe des Iranischen Geheimdienstes wäre die Verhaftung nicht möglich gewesen. Iranische Agenten treten oft in kurdischen Uniformen auf.

AIK: Die Beteiligung kurdischer Peschmergas war angesichts der Tatsache, dass Tikrit eine rein arabische Stadt ist, überraschend?

JK: Die kurdische Führung ist in voll entwickelter Allianz mit den US-Okkupanten, die sie als billige Infanterie benützen. Wenn man nur einige Dutzend Kilometer in den Norden Bagdads fährt, findet man mit kurdischen Soldaten besetzte Straßensperren, die die Durchsuchungen durchführen während amerikanische Soldaten das Kommando führen. Das ist nicht neu, aber wurde genau mit der Okkupation geltend.

AIK: Wird die Gefangennahme Saddams in einen Rückschlag für den Widerstand münden?

JK: Nein, im Gegenteil werden wir schon innerhalb weniger Wochen eine zunehmende Stärkung der Widerstandsbewegung erleben. Für einige Baathisten mag es eine zeitweilige Enttäuschung sein. Obwohl Saddam keine Kommandofunktion ausübte, verkörperte er doch den Anführer und die Dominanz seines Familienklans. Viele Parteimitglieder, die aus diesem Grund bis jetzt passiv geblieben sind, werden sich nun am Widerstand beteiligen. Indem die Fragmentierung der Baath-Partei ihren Höhepunkt erreicht, entscheidet jeder für sich selbst ohne auf die Befehlskette zu warten, die seit dem Kollaps des Regimes ohnehin nicht mehr operativ war.

Hinsichtlich der islamischen Strömungen ist ein wichtiger Vorwand, nicht mit anderen Kräften des Widerstandes zu kooperieren, verschwunden. Viele erinnerten sich an die Herrschaft Saddams und waren unwillig mit vermeintlichen Gefolgsleuten ihres ehemaligen Feindes zu kollaborieren. Die islamischen Führer mögen fortfahren dieses Argument zu benutzen, aber es hat nun endgültig jede Substanz verloren. So werden die verschiedenen Strömungen des Widerstandes enger zusammenrücken und auf diese Weise weiterhin an Wucht gewinnen.

AIK: Ist es möglich, dass Saddam kapitulieren wird, wie es Abdullah Öcalan tat?

JK: Absolut nein. Die von den Amerikanern freigegebenen Bilder zeigten ihn als eine Maschine, durch Medikation seines Willens beraubt. Aber wann immer er die Kontrolle über sich zu haben schien, verweigerte er die Kooperation mit seinen Peinigern.

AIK: Was denken Sie über das Tribunal, von dem die Amerikaner ankündigten, dass sie es gegen Saddam Hussein einsetzen werden?

JK: Das ist reine Propaganda. Es gibt im Irak nicht einmal irgendein legales Rechtssystem. Die Okkupation ist illegal, ebenso alle von Paul Bremer eingesetzten Gerichte. Die Menschen werden sie nicht respektieren. Wie kann ein überführter Verbrecher wie die US-Marionette Ahmed Chalabi, der Millionen von Dollars gestohlen hat, vorgeben Gerichtsbarkeit einzuführen? Lächerlich! Wie auch immer, sie werden sich nicht einmal ein inszeniertes Tribunal durchzuführen getrauen, ohne sorgfältige Vorbereitungen und Fälschungen, die mindestens ein Jahr oder so in Anspruch nehmen werden. Sie fürchten, dass Saddam eine Menge Geheimnisse enthüllen wird, die ihren Propaganda-Lügen widersprechen.

AIK: Wie entwickeln sich Ihre Bemühungen eine Widerstandfront zu formen?

JK: Nach Monaten intensiver Gespräche werden wir innerhalb weniger Wochen in der Lage sein, die Widerstandsfront auszurufen. Wir sind schon dabei, die programmatische Erklärung fertigzustellen. Die Kernelemente werden sein: 1) Die Befreiung des Irak von der Okkupation und der komplette Rückzug aller fremden Truppen, selbst wenn sie ein Mandat von den Vereinten Nationen haben. 2) Jede irakische Autorität, die von den Okkupanten eingesetzt wurde, namentlich Bremer´s sogenannter Regierungsrat, ist illegitim, wird zurückgewiesen und bekämpft. 3) Kollaboration mit den Okkupanten wird verboten. Polizisten und andere Leute im Dienste der Besatzung werden aufgefordert diesen aufzukündigen. 4) Die Anglo-amerikanischen Aggressoren müssen Reparation zahlen. 5) Die Widerstandsfront kämpft um die Bildung einer demokratischen Regierung.

AIK: Wie sieht mit einer demokratischen und antiimperialistischen verfassungsgebenden Versammlung aus?

JK: Das ist noch ein offener und zu diskutierender Punkt.

AIK: Welche Strömungen gibt es innerhalb der Front?

JK: Neben unserer „Irakischen Patriotischen Allianz“ gibt es verschiedene nationale, demokratische Kräfte, wie zum Beispiel die von Dr. Omar Nadmi und Subhi Abdul Hamid geführten Nasseristen, „Irak unser Haus“ von Abdel Latif al Mailmayah oder die „Irakische Unabhängige Versammlung“ unter dem Vorsitz von Ingenieur Khaled al Maini. Da ist auch das „Islamische Komitee“, das von Dr. Harith al Aldari geleitet wird. Die Verhandlungen mit einer in den mittleren Sechzigern von der Kommunistischen Partei abgespaltenen Gruppe mit dem Namen „Irakische Kommunistische Partei (Zentrales Kommando)“ und geführt von Ibrahim Allawi stehen kurz vor einem positiven Ergebnis.

AIK: Was ist mit der Gruppe von Muqtada al Sadre? Hat er kapituliert?

JK: Nein, „Kapitulation“ ist zu hart. Der gewaltige iranische Druck lässt ihn zurückweichen. Ich spreche nicht nur vom politischen Druck, der von Teheran ausgeübt wird, sondern auch von der direkten Präsenz Tausender von iranischen Agenten vor allem im Osten und im Süden des Landes. Wir hatten zwei Treffen mit Muqtada und er erklärte, dass er der Besatzung mit friedlichen Mitteln Widerstand leisten wird. Das bedeutet, dass er den militärischen Widerstand ablehnt. Aber keiner kann glauben, dass die Vereinigten Staaten überzeugt werden können ohne bewaffnete Selbstverteidigung. Was soll „legale Mittel“ bedeuten in einer Situation illegaler Okkupation? Unser bewaffneter Widerstand ist vollkommen legal nach Internationalem Recht und der UN-Charta, aber auch nach islamischem Recht und unseren nationalen Werten. Wir werden niemals akzeptieren, uns selbst zu entwaffnen und uns auf zahnlose friedliche Aktion zu beschränken, wie dies Muqtada erklärt. Wie auch immer, wir werden weiterhin versuchen, ihn zu überzeugen.

AIK: Gibt es irgendwelche schiitischen religiösen Gruppen innerhalb der Front?

JK: Nein, bislang keine, obwohl die Gruppe des verstorbenen Scheich al Madani sich bereit erklärte, beizutreten. Aber seit ihre Führer, die zwei Brüder des Scheichs, von den US-Besatzern gefangengenommen wurden, zögern ihre Gefolgsleute. Darüberhinaus haben wir viele einzelne religiöse Autoritäten und Scheichs. Sie haben beachtlichen Einfluss. Aber trotzdem wäre es falsch, sie als schiitische religiöse politische Gruppen zu präsentieren. Deren Platz ist noch frei und wir werden unsere Bemühungen fortsetzen ohne auf sie zu warten.

AIK: Ist die Baath-Partei auch in der Front?

JK: Es gibt keine offizielle Vertretung der Partei, da sie alle damit beschäftigt sind, sich selbst zu verstecken. Aber viele Mitglieder traten der Front bei oder unterstützen sie.

AIK: Und kurdische Kräfte?

JK: Was in den kurdischen Gebieten geschieht ist unglaublich. Die Kollaboration mit den Amerikanern beschränkt sich nicht nur auf die Führung, sondern erstreckt sich leider auch auf große Teile der Bevölkerung selbst. Das erklärt, warum wir keine kurdische Kraft finden konnten, die bereit ist, der Widerstandsfront beizutreten, obwohl wir es versuchten. Aber unsere Türen sind immer noch offen.

AIK: Viele Antikriegs-Aktivisten ebenso wie viele Araber setzen ihre Hoffnung auf Frankreich und Deutschland. Welche Bilanz zeichnen Sie hinsichtlich ihrer Rolle?

JK: Wir müssen unseren Befreiungskampf gänzlich auf unseren Volk und auf der Solidarität der Bewegungen des Volkes in der arabischen Welt und anderswo aufbauen. Die europäischen Regierungen mögen nicht mit der unilateralen US-Aggression einverstanden gewesen sein, aber sie sind definitiv nicht interessiert, unseren Widerstandskampf zu unterstützen. Sehen Sie sich Chirac an. Er empfing offiziell Jalal Talabani und Al Hakim, jene Verräter, die mit den Okkupanten kooperieren. Das werden wir nie vergessen. Nicht besser ist Schröder. Er gratulierte dem US-Präsidenten zur Gefangennahme eines anderen Präsidenten. Warum protestierte er nicht gegen diesen illegalen und kriminellen Akt? Weil wir ein Dritte Welt-Land sind, dem das Recht auf Selbstbestimmung und Souveränität verweigert wird.

AIK: Welche Botschaft möchten Sie der Antikriegsbewegung zukommen lassen?

JK: Vor einigen Tagem gab es eine Antikriegs-Konferenz in Kairo gegen die Okkupation. Wie auch immer, der Iraker, der dort sprach, pflichtete dem Widerstand nicht wirklich bei. Derselbe Mann hatte den japanische Premierminister getroffen, der dabei ist, Truppen in den Irak zu schicken. Bei dem Treffen versicherte er, dass jene, die die zwei japanischen Diplomaten getötet hatten, Kriminelle wären. Das ist nicht zu akzeptieren. Alle Besatzungskräfte und ihre Helfer sind legitime Ziele des Widerstandes. Um sich selbst zu retten, müssen sie das Land verlassen, ansonsten werden sie bewaffneten Angriffen ausgesetzt sein. Im Gesamten rief der Kongress dazu auf, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und eine neue Periode zu beginnen. Aber wie können wir die Aggression vergessen, die Invasion und die Okkupation? Alle unsere Politik beginnt mit diesem einen Faktum. Ich fordere die Antikriegsbewegung auf, Seite zu beziehen. Neutralität ist unmöglich. Wir werden weiter kämpfen, bis unser Land befreit ist. Das ist unser Recht und unsere Pflicht. Jene, die tatsächlich für Frieden und Gerechtigkeit sind, müssen unser Recht auf Selbstbestimmung akzeptieren und den Widerstand unterstützen. Alle anderen helfen auf die eine oder andere Art dem imperialistischen Feind.

AIK: Und das arabische Volk?

JK: Wir wissen, dass die übergroße Mehrheit des arabischen Volkes den Widerstand unterstützt, im Irak genauso wie in Palästina, da wir alle Söhne derselben Nation sind. Der Widerstand wird weiter wachsen und unser Volk einen. Wir werden gemeinsam kämpfen, bis die Invasoren verschwunden sind.

AIK: Werden Sie in der Lage sein, eine internationale Solidaritätsdelegation in Unterstützung des Widerstandes zu empfangen?

JK: Ja, sicherlich. Wir laden alle ehrlichen Antikriegs-Aktivisten ein, ihre Solidarität auszusprechen. Indem sie in den besetzten Irak kommen, können sie nur die Besatzer oder den Widerstand wählen. Es gibt keine andere Seite.

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