Site-Logo
Site Navigation

Seltsame Arbeiterkommunisten

13. Januar 2004

von W. Pirker

Der schwarze Kanal

„Protestiert gegen die Kampagne …›10 Euro für den irakischen Widerstand…‹!“. Dieser Aufruf wurde nicht etwa von der Jungen Union verfaßt, sondern von der Deutschland-Organisation der Arbeiterkommunistischen Partei Irans. Das ist eine obskure Politsekte, wie sie CIA und Mossad nicht besser hätten erfinden können. Sogenannte Arbeiterkommunisten treiben – mit allerdings sehr beschränkter Wirkung – auch im Irak ihr Unwesen. Ihr Einfluß auf die arabische Straße ist gleich Null. Umso nützlicher sind sie als Kronzeugen des linken Kapitulantentums im Westen, das in einer aggressiven Solidaritätsverweigerung gegenüber den Anti-Okkupationskräften im Irak zum Ausdruck kommt.

„Der Widerstand“, heißt es in dem Aufruf, „steht für das nationalistische-völkische und/oder politisch-islamische Lager. Er steht für Reaktion, Brutalität und Unterdrückung, aber er steht nicht auf der Seite von Freiheit und Emanzipation, er kämpft nicht für Menschen- und Frauenrechte, er kämpft nicht für die Sache der einfachen Menschen, der Arbeiter und Erwerbslosen“. Das ist nicht die Sprache nahöstlicher Militanter, das ist die Sprache deutscher Antinationaler, die sich in der Denunziation einer nationalen Befreiungsbewegung als „nationalistisch-völkisch“ äußert. Das ist vor allem nicht die Sprache der einfachen Menschen, der Arbeiter und Erwerbslosen, sondern die verwestlichter Intellektueller, die ihre von der irakischen Wirklichkeit völlig abgehobenen Vorstellungen über „neue“, die „Zivilgesellschaft“ konstituierende „soziale Bewegungen“ in einer zwar durch das Baath-Regime modernisierten, aber immer noch arabisch-traditionellen Gesellschaft verwirklichen wollen.

Den deutschen und österreichischen Unterstützern des irakischen Widerstandes wird vorgehalten, gemeinsam mit den westlichen Regierungen gegen „die Sache der freien Gewerkschaften, Arbeiterräte, Frauen- und Menschenrechtsgruppen, gegen die freiheitsliebenden, säkularen und fortschrittlichen Kräfte aktiv“ geworden zu sein. So wird eine Realität konstruiert, die mit der realen Besatzungssituation nicht das geringste zu tun hat. In Wahrheit suggeriert das den Gedanken, daß der völkerrechtswidrige Systemwechsel in Bagdad die Voraussetzungen für einen gesellschaftlichen Aufbruch, für die Durchsetzung von Frauen- Menschen- und Minderheiten- sowie sozialen Rechten möglich gemacht habe. Doch auf den Bajonetten des Besatzungsregimes wird keine fortschrittliche Gesellschaft im Irak entstehen, sondern nur im Kampf gegen die Okkupation. Es steht dabei außer Frage, daß sich der Widerstand langfristig nur behaupten wird, wenn er über die rein militärische Aktion hinausgeht und politischen Charakter annimmt. Die Aufgabe wird immer dringender, alle Strömungen des zivilen und bewaffneten Widerstandes in einer Nationalen Befreiungsfront zusammenzuführen. Andernfalls wird sich eine Stabilisierung der Fremdherrschaft nicht vermeiden lassen. Welche Kräfte sich in einer solchen Volksfront auf Dauer durchsetzen werden, hängt nicht zuletzt von der Bereitschaft der linken Kräfte ab, sich am Kampf für die Wiederherstellung eines unabhängigen irakischen Staates, der fortschrittlich und aufgeklärt werden soll, zu beteiligen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Die Arbeiterkommunisten aber wollen nicht an der Bildung einer zusätzlichen zivilen Front gegen die Okkupation mitwirken, sondern ihre Vorstellungen von Freiheit und Emanzipation gegen den bewaffneten Widerstand ins Feld führen. In ihrer, dem bürgerlichen common sense folgenden Darstellung erscheint die Guerilla als totalitäres Monster, als SA des „völkischen“ arabischen Nationalismus und des politischen Islamismus. Und wenn die eine Seite als quasi faschistisch denunziert wird, erscheint die andere Seite – trotz deklamatorischer Gegnerschaft zur Okkupation – allemal als aufgeklärt und demokratisch. Ganz so, wie die USA ihre nahöstliche Mission darzustellen belieben.

Seit Beginn der Balkan-Kriege hat sich die postmoderne Linke damit hervorgetan, Menschen- und Minderheitenrechte gegen das Recht auf nationale Selbstbestimmung in Stellung zu bringen. Das hat sie für das System unverzichtbar gemacht. Ihre „emanzipatorischen“, „zivilgesellschaftlichen“ Visionen bilden den linken Überbau der neoliberalen Architektur. Von „Arbeiterkommunisten“ erfundene Arbeiterräte, die im Gegensatz zum Kampf um nationale Befreiung gedacht werden, stellen für die imperialistische Befriedungspolitik keine Bedrohung dar.

Werner Pirker

Thema
Archiv