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„Wir sind dem WSF auf den Fersen……“

22. Januar 2004

Moreno Pasquinelli, 49, ist Sprecher des „Antiimperialistischen Lagers“, einer der internationalen Mitinitatoren vom „Mumbai Resistance“ (MR).

Welches Resumee ziehen Sie von MR?

Um ehrlich zu sein, es gab eine Zeit da haben wir gezweifelt, denn wir waren ziemlich isoliert. Noch vor einem Monat wurden die Unterstützer des irakischen Widerstands in Italien als islamonazikommunistischer Block beschimpft. Heute sehen wir unsere Slogans auf allen Wänden von Mumbai und selbst im linken Flügel des WSF neigt sich die Stimmung auf unsere Seite. Die indischen Organisatoren rollten uns den roten Teppich aus, um Vertreter des irakischen Widerstands zum WSF zu bringen. Doch wir und auch die Iraker lehnten ab. Wir haben immer gesagt, dass wir für die grösstmögliche Einheit sind, aber auf antiimperialistischer Grundlage. In Mumbai hat sich der Unterschied vor allem an drei Fragen kristallisiert: Unterstützung für den irakischen Widerstand oder Gleichsetzung des Widerstands mit Terrorismus, das Recht auf bewaffneten Widerstand gegen den präventiven Krieg der USA und die Ablehnung der NGOs.

Und in Indien selbst?

Hier hat sich ein kleines Erdbeben abgespielt. Viele Organisationen von Bauern, Dalits und Muslime – der Unterklassen – sind im Laufe der Vorbereitung zu MR übergegangen. Bei der Abschlusskundgebung füllte sich der halbe Platz mit den grünen Fahnen der Bauern aus Karnataka, die sich selbst als Anhänger von Gandhi bezeichnen und mit bewaffnetem Kampf nichts zu tun haben wollen. Die Vertreter der nationalen Minderheiten zum Beispiel Kaschmirs oder der Sieben Schwestern [der Nordosten Indiens] gaben ihr Vertrauen ebenfalls MR. Auch was die kommunistische Bewegung betrifft, war praktisch alles links von CPI/M [langjährige Regierungspartei von Westbengalen] und von CPI/ML (Liberation) [der rechte Flügel der ehemaligen Naxaliten] bei uns. Vielfach sind auch untere Aktivisten aus diesen Parteien zu uns ubergegangen. Wie anders ist zu erklären, dass ganz Mumbai mit Plakaten und Wandmalereien voll ist – aber nicht vom WSF, sondern von Aktivisten des MR. Man muss sich vorstellen, dass diese Mainstream-Kommunisten noch vor wenigen Jahren die NGOs ablehnten. Dass sie sich nun mit ihnen ins Bett legen, stösst auf weitverbreitetes Unverständnis. Es ist kein Zufall, dass sich das WSF doch noch zu einer Abschlusskundgebung durchringen musste um nicht gänzlich als Debatierklub zu erscheinen. Unsere war dabei eine politische Massenkundgebung, ihre eine Party. Wir waren gleichviel, aber wenn Sie die Tausenden mitrechnen, die in den Zonen des Bauernkrieges an der Reise gehindert wurden, waren wir was die Aktion betrifft stärker. Auch in den indischen Medien wurden wir als ernsthafte Herausforderung wahrgenommen.

Doch am WSF nahmen ebenfalls zahlreiche Organisationen der Unterklassen teil.

Ja, natürlich. Aber diese zogen demonstrierend durch den Veranstaltungsort, während in den Foren die europäische Mittelklasse und die indischen Funktionäre auf Englisch diskutierten. Am MR wurde alles in Hindi oder andere lokale Sprachen übersetzt. Für die vielen Analphabeten sang und tanzte der ehemalige Guerillero Gaddar, der allen Indern verständlich ist.

In Indien wird kolportiert, dass das nächste WSF wieder in Porto Alegre stattfinden soll. Wie kommentieren Sie das?

Das wäre ein veritables Eigentor, wenn nicht das Ende des WSF. Die Regierung Lula zeigt gerade, dass eine andere Welt im Rahmen des Kapitalismus eben nicht möglich ist. Die Massen warten auf soziale Reformen wie beispielsweise eine echte Landreform, während Lula die IWF-Programme implementiert. MR wird seine Fortsetzung in einem Porto Alegre Resistance finden und diesmal werden wir die Mehrheit der kämpfenden Massenorganisationen auf unserer Seite haben.

MR kritisierte das WSF, man würde nur unverbindlich diskutieren, aber keine Aktionen setzen. Aber ausser dem internationalen Aktionstag vom 20. März, der am ESF in Paris beschlossen wurde, findet sich in der Abschlusserklärung nichts.

Wir haben beschlossen am 20. März unter der Parole „Unterstützt den irakischen Widerstand“ teilzunehmen. Unser Vorschlag einen unabhängigen antiimperialistischen Aktionstag auf dieser Basis am Jahrestag der Intifada durchzuführen wurde zwar nicht beschlossen, aber mit Sympathie aufgenommen und an ein internationales Koordinationskomitee verwiesen. Aber das indische Organisationskomitee nahm in die gleiche Richtung zielende Vorschläge an. Es arbeitet an der Gründung von Komitees „Freier Irak“, sie werden versuchen sich an einer Solidaritätsdelegation für den irakischen Widerstand zu beteiligen und sie haben ihr Interesse an der Koordinierung der weltweiten Kampagne für den irakischen Widerstand bekundet.

Darshan Pal, die Gallionsfigur des MR, weisst bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass MR nicht gegen das WSF arbeitet, sondern den Dialog und die Zusammenarbeit anstrebt. Wie passt das zusammen?

Um gehört zu werden, muss man zuerst selbständig sein, eine eigene antimperialistische Stimme haben. Mit dieser rufen wir den linken Fluegel des WSF zum gemeinsamen Kampf gegen Neoliberalismus und Globalisierung, das heisst gegen das amerikanische Empire und seinen Krieg. Alle, die gegen die USA, das Herz des Imperialismus und Kapitalismus, kämpfen, müssen sich zusammenschliessen. Die moderate Führung des WSF um die französisch-brasilianische Achse soll dort hingehen, woher sie ihr Geld erhalten, nämlich zu jenem Fluegel des Imperialismus, der das System durch Humansierung retten will. Wir hingegen, wollen es zerstören.

Franz Dinhobel

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