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An die kurdische Befreiungsbewegung

2. Februar 2004

von Jörg Ulrich, Initiativ e.V.

Mit großer Besorgnis beobachten wir die letzten Entwicklungen der kurdischen Organisationen in ihrer Annäherung zu den Entwicklungen im Irak. Besonders bedauern wir die Erklärungen der Organisation, die sich selbst in der Tradition der Arbeiter Partei Kurdistan (PKK) sieht und unserer Meinung in ihrer aktuellen Haltung zu der US- amerikanischen Aggression gegen die Völker der Welt, einen historischen und folgenschweren Fehler begeht, der die fortschrittlichen Teile der kurdischen Bewegung objektiv gegen alle fortschrittlichen Bewegungen des Mittleren Ostens stellt.

In Erklärungen der kurdischen Organisationen (Yekom, Kadek, Pja) zu ihrer Haltung zum bevorstehenden Angriff auf den Irak 2003, nahmen diese eine Äquidistanz zu den Kriegsparteien ein. In mehreren Erklärungen[1] wird 2003 verbreitet, daß „weder die USA noch Baath der Demokratie dienlich sein
werden“. Als Alternative wird das „Projekt“ Abdullah Öcalans vorgestellt, das für den Mittleren Osten eine „Entwicklung der Demokratie auf der Basis des demokratischen Willens der Völker“[2] vorsieht, ohne dabei zu benennen, was oder wer diese Basis konkret darstellen soll. Verwiesen wird in den Erklärungen meist auf eine „demokratische Zivilgesellschaft“, eine Kategorie, die im bürgerlichen Teil der Globalisierungsbewegung um Toni Negri entstanden ist und die heute dazu dient diejenigen Bewegungen zu denunzieren, die sich der neoliberalen Weltoffensive widersetzen. Mit der Erklärung des Kadek vom 11.04.03 wird aber aus der vor dem Krieg eingenommenen Äquidistanz eine eindeutige Positionierung für den US- Aggressor: „Diese Regimes (des Mittleren Ostens d.A.) haben letztendlich der Intervention den Boden bereitet, in dem sie sich dem demokratischen Wandel verschlossen haben. Mit der Schwäche des Kampfes der Völker für Demokratie blieb nur eine militärische Intervention als einzige Alternative“. Gleichzeitig ruft der Kadek dazu auf „konstruktiv“ an der Besatzung des Irak mitzuarbeiten und bietet den USA die Hilfe an im Irak ein „demokratisches Regime aufzubauen[3]. Zwar folgert der Kadek in seiner Schlusserklärung[4] richtig, daß „der Sturz des irakischen Regimes im Gefolge der US-Intervention einen Prozeß angestoßen hat, der zu einer nahezu vollständigen Auflösung des Status quo im Mittleren Ostens führt. Angesichts dieses Prozesses, haben die führenden regionalen Mächte Anstrengungen unternommen, um diesen Wandel aufzuhalten“, doch auf welcher Seite der Kadek und sein Umfeld sich dabei positionieren, halten wir für höchst bedenklich. Vor allem die Haltung zum irakischen Widerstand, der in der Abschlusserklärung nur im Kontext der Interessen des Iran, der Türkei und Syriens als eine „Allianz von Unterstützern des Saddam-Regimes“ delegitimiert wird, lässt uns befürchten, daß die kurdische Befreiungsbewegung sich durch solche „Manöver versucht als „konstruktive“ Kraft innerhalb des Besatzungsregimes zu etablieren.
Die in der Abschlusserklärung des Kadek verbreitete Illusion, daß die Intervention letztendlich einen „Status Quo“ beseitigt hat, der zu einer „Demokratisierung“ nicht fähig war und nun mit dem amerikanischen Kapitalismusmodell unweigerlich die demokratische Entwicklung komme, lässt die kurdische Befreiungsbewegung zu einem Vorreiter für die „Amerikanisierung“ der ganzen Region werden. Hinzu kommt, das der Kadek in seiner Abschlusserklärung zu dem Schluss kommt, daß die „mittelöstliche Intervention der USA“ eine „Demokratisierung“ unvermeidbar werden lässt – auch wenn dies auf Grundlage von Abhängigkeit geschieht“ und sich damit ganz klar mit dieser Haltung an die Seite der USA begibt, gegen die Völker und Bewegungen, die gegen die „Demokratie“ der Weltbank und des IWF für ihre nationale Souveränität und Unabhängigkeit kämpfen. Auch der aus dem Kadek entstandene kurdische Volkskongress nimmt diese Linie im November 2003 wieder auf und gibt den USA im voraus grünes Licht für eine Intervention gegen Syrien und Iran, falls diese von sich heraus keine „demokratischen Reformen“ einleiten sollten.

Unserer Meinung kann eine solche Haltung nur zu einer Katastrophe für die kurdische Bewegung führen und stellt diese gegen alle antiimperialistischen Bewegungen der Region. Eine demokratische Republik des Mittleren Ostens, kann als Basis nur eine breite demokratische und antiimperialistische Front haben, die die Besatzung zurückschlägt und auf der Basis der wiedergewonnen nationalen Souveränität einen demokratischen Staat aufbaut. Die kurdische Bewegung kann in dieser antiimperialistischen Front eine bedeutende Rolle spielen.

Der Widerstand heute im Irak ist die Voraussetzung für eine neue Dynamik in den Kämpfen der Völker und Klassen für ihre Befreiung. Mit jedem Tag an dem das irakische Volk in seinem Widerstand den US- Imperialismus im Irak bindet, verhindert er neue Kriege, entlastet er die Fronten der Genossinnen und Genossen in Asien und Lateinamerika. Der irakische Widerstand steht heute stellvertretend für den Kampf um das Völkerrecht, der Demokratie und der Menschenrechte. Vor dem Hintergrund, das viele aus unseren Reihen viele Jahre an eurer Seite gearbeitet haben und selbst in der Kurdischen Befreiungsarmee gekämpft haben für ein freies und souveränes Kurdistan, verurteilen wir eure Annäherung auf das Schärfste und fordern von der Führung der Befreiungsbewegung, eine umfassende Neuorientierung ihrer Politik und Praxis einzuleiten.

Jörg Ulrich
Für Initiativ e.V

[1] KADEK (Freedom and Democracy Congress), in: Presseerklärung vom
11.04.03
[2] Partei der freien Frau, PJA (Partiya Jina Azad), in Presseerklärung vom
04.04.03
[3] KADEK (Freedom and Democracy Congress), in: Presseerklärung vom 11.04.03
[4] KADEK Präsidialrat, 26. Juni 2003

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