Montag 1. März: Kundgebung vor der Vertretung der Europäischen Kommission
Etwas mehr als 10 Jahre nach dem Ende des real existierenden Sozialismus und kurz vor dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union kehrt die soziale Revolte zurück nach Mitteleuropa. Ausgelöst durch massive Einschnitte in das Sozialsystem revoltieren vor allem in der Ostslowakei Mitglieder der Romaminderheit. Der soziale Kahlschlag entzieht der rassistisch unterdrückten und völlig verarmten Bevölkerungsgruppe die Lebensgrundlage: Das Resultat des entfesselten Kapitalismus – Hungerrevolten, zwei Autostunden von Wien. Die slowakische Regierung hat freilich eine andere Erklärung parat: „Wucherer“ hätten die Roma „angestachelt“. Eine Verschwörung der Zigeuner und Juden? In jedem Fall hat die Regierung des EU-Beitrittslandes einen Militäreinsatz gegen die Hungernden angeordnet.
Die Roma stellen mit neun Prozent der 5,4 Millionen Einwohner der Slowakei nach den Ungarn die größte nationale Minderheit. Rund ein Drittel der Roma soll nach Angaben der OECD unter Bedingungen leben, die jenen in der sogenannten „Dritten Welt“ gleichen. Vor allem in der Ostslowakei sind Siedlungen, in denen Roma von der Restbevölkerung isoliert leben und in denen es weder Kanalisation noch Wasser- und Stromanschluss oder andere kommunale Dienstleistungen gibt, die Norm. Die Arbeitslosenrate in diesen Siedlungen beträgt de facto 100 Prozent. Kein Wunder also, dass in ostslowakischen Städten wie Drahnovice, Cierna nad Tisou oder Trhoviste Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte von aufgebrachten Roma geplündert wurden und es zu harten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kam. Gerade die slowakischen Polizei brachte es in den vergangenen Jahren immer wieder mit rassistischen Übergriffen gegenüber Roma zu Schlagzeilen in der internationalen Presse. Daher sind gerade jetzt, auch durch den bereits erfolgten Militäreinsatz im Aufstandsgebiet, brutalste Repressionsmaßnahmen zu befürchten.
Der Rassismus gegenüber der Romaminderheit ist jedoch längst nicht nur in der extremen Rechten oder in den staatlichen Repressionsapparaten verbreitet, sondern auch in den slowakischen Unterschichten, die selbst den von Brüssel diktierten und von Bratislava exekutierten Sozialabbau erdulden müssen. Schon länger versucht die slowakische Regierung, nachdem das Land Ende der 90er Jahre unter Ministerpräsidenten Meciar ins Fadenkreuz des Menschrechtsrechtsimperialismus kam und angesichts der Bombardierung Jugoslawiens kapitulierte, sich als neoliberaler Musterschüler zu präsentieren. Durch die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes von 19 Prozent, als Jörg Haiders „Flat-tax“ auch in Österreich ein Begriff, sollten finanziell potente Investoren angelockt werden. Durch eine massive Senkung der Sozialhilfe für Langzeitarbeitslose ( einen Halbierung auf 1.450 Kronen pro Person, was 35,70 Euro entspricht) und die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent wollte die slowakische Regierung die durch die „Flat-tax“ entstandenen Budgetlücken wieder stopfen. Diese Maßnahmen treffen durch die sich stetig erhöhenden Lebenserhaltungskosten vor allem die Ärmsten der Armen: Arbeitslose, unselbstständig Beschäftige in unsicheren Arbeitsverhältnisse und Pensionisten. Da die Roma gerade in den untersten sozialen Schichten aufgrund ihrer Diskriminierung überrepräsentiert sind, werden sie am härtesten davon getroffen. Alle slowakischen Regierungen im letzten Jahrzehnt nutzten die besondere Stellung der Roma in der Gesellschaft aus um den Unmut weiter Bevölkerungsteile zu kanalisieren indem die Minderheit zum Sündenbock für diverse Mißstände, wie etwa Kriminalität oder hohe Arbeitslosigkeit, erklärt wurden.
Das durch die neoliberalen Deregulierungen geschaffene soziale Pulverfass wird so durch die Instrumentalisierung des Rassimus geteilt, um dessen Explosionskraft, die nicht nur die Regierung in Bratislava sondern auch die EU in Schwierigkeiten bringen könnte, zu mildern. Dies bedeutet, dass es gerade jetzt die Pflicht aller antikapitalistischen und antiimperialistischen Kräfte ist sich in Solidarität mit dem aufständischen Roma zu üben. Denn die Ereignisse in der Slowakei zeigen das wahre Gesicht der EU-Osterweiterung: Ein Neokolonialismus, der Hungerrevolten auslöst.
Kundgebung:
Montag, 1. März, 16.00 Uhr, Oper (Die Vertretung der Europäischen Kommission befindet sich in den Ringstraßengalerien)
Bisherige Unterstützer:
Revolution
Antiimperialistische Koordination
Solidarität mit Mario Bango
Die Verfolgung der Roma hat Tradition. In Bratislava sitzt der antifaschistische Aktivist und Angehörige der Volksgruppe der Roma, Mario Bango, hinter Gittern, weil er sich gegen einen rassistischen Übergriff zur Wehr gesetzt hat. Auch er benötigt internationale Solidarität. Link zur Mario Bango Kampagne: http://freemario.webpark.cz/