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Freie Wahlen im Irak?

14. März 2004

Leitartikel

Im Januar dieses Jahres gab es im besetzten Irak einen größeren Konflikt wegen der Pläne der US-amerikanischen Aggressoren zumindest teilweise die Macht an ein Marionettenregime abzugeben. Dieser Schritt, der dazu gedacht ist der US-amerikanischen Herrschaft eine irakische Deckung zu verschaffen, wurde für Mitte dieses Jahres angesetzt.
In massiven Demonstrationen den ganzen Januar hindurch forderten jedoch bedeutende Teile der irakischen Bevölkerung die US-Pläne heraus, indem sie einer Erklärung des hohen schiitischen Klerikers al-Sistani folgten, der zu freien Wahlen aufgerufen hatte. Der Druck von unten wächst, auch wenn es Versuche des Klerus gibt, den Volkszorn zu dämpfen.
Die Tatsache, dass die Besatzer darauf antworteten, indem sie Gerüchte verbreiteten, sie wollten ihre planmäßigen Termine verschieben, aber gleichzeitig dezidiert Wahlen ablehnten, zeigt deutlich ihre politische Schwäche. Einerseits wollen sie sich nicht gegen den schiitischen Klerus stellen, der zur Zeit ihre einzige Stütze darstellt – da ihr „Übergangsrat“ jegliche Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Die offene oder verdeckte Kooperation der meisten Geistlichen hindert noch immer die wichtigsten Sektoren der schiitischen Bevölkerung daran, aktiv den Widerstand zu unterstützen. Andererseits sind die USA nicht bereit Wahlen zu garantieren, da sie befürchten, dass ihre direkten Verbündeten diese verlieren würden. Sie haben kein Vertrauen in ihre Hauptverbündeten. Das zeigt ihre strategischen Schwierigkeiten im Aufbau eines vertrauenswürdigen und verankerten Marionettenregimes in angemessener Zeit.
Nichtsdestotrotz zeigt der Ruf nach „freien Wahlen“ nicht nur die Zweideutigkeit des Klerus, sondern auch seine anhaltende Fähigkeit die Massen zu täuschen.
Wahlen, die unter Besatzung abgehalten werden, können niemals frei sein. Alles hängt von der Gnade des Aggressors ab. Man darf nicht vergessen, dass die USA die ungeschlagenen Meister „frisierter“ Wahlen in ihrem eigenen Land und auf der ganzen Welt sind. Ihr Medienapparat wird jede Betrügerei decken und jede Operation als „freie Wahlen“ titulieren, die ihre Marionetten an die Macht bringt, unabhängig von den diktatorischen Akten und den Grausamkeiten, die sie begangen haben. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an den peruanischen Schlächter Fujimori, um nur einen zu nennen. Der einzige Grund, weshalb die USA bis jetzt im Irak noch keine Wahlen in ihrem Sinne abgehalten haben, ist der, dass sie noch nicht den nötigen Apparat an Henkern installieren konnten.
Der einzige Weg zu Demokratie im Irak ist der komplette Rückzug aller amerikanischen und anderer imperialistischen Truppen. Das kann nicht durch Wahlen erreicht werden, auch wenn diese von der Uno überwacht werden sollten. Zuerst muss der irakische Widerstand Hand in Hand mit der internationalen Solidaritätsbewegung die Aggressoren besiegen und das Land befreien.
Derzeit ist der Widerstand im sunnitischen Bereich fest verankert und umfasst die Mehrheit der Bevölkerung. Solange von Seiten der USA keine ernstzunehmenden Versuche gemacht werden die sunnitische Bourgeoisie mit ihrer nationalistischen Tradition in ihr Regime einzubinden, wird das auch so bleiben. Im schiitischen Bereich erweist sich der Konflikt um die Wahlen als ein kluger Schachzug des Klerus. Auf der einen Seite verleiht er dem Wunsch des Volks nach Souveränität Ausdruck, auf der anderen Seite setzt er sich aber vom Widerstand ab, der alleine die Voraussetzung für wirklich freie Wahlen, nämlich das Ende der Besatzung, schaffen kann. So gelingt es dem Klerus die schiitischen Massen im Wesentlichen noch vom Widerstand fernzuhalten. Doch welche politische Rolle der Klerus zu spielen in der Lage sein wird, bleibt völlig unklar. Wahlen setzen ein Parteiensystem voraus, das es im Irak noch kaum gibt. Ob die USA ihr Marionettensystem mittels Wahlen mit Legitimität ausstatten können oder nicht, wissen daher nur die Auguren.
Eine breite politische Front des Widerstands könnte dieses Szenario der Schaffung einer Quisling-Regierung mit guter Wahrscheinlichkeit unterbinden. Unterschiedlichen Quellen zufolge machen diesbezügliche Bestrebungen Fortschritte. Die entstehende Front verfügt über Komponenten aus allen politisch-kulturellen Strömungen, selbst aus der schiitischen. Aber noch scheint es nicht so weit zu sein.
Zunächst jedoch darf es keiner ausländischen Macht – nicht einmal der Uno, hinter der sich die imperialistischen Mächte selbst verstecken – obliegen die Bildung eines neuen Regimes über das irakische Volk zu vollziehen. Dem unveräußerlichen Recht auf Selbstbestimmung folgend ist es ausschließlich Sache des irakischen Volks selbst, über sein Schicksal zu entscheiden.
Bevor irgendwelche Wahlen abgehalten werden können, muss eine Konstituierende Versammlung stattfinden, wo die Volksmassen über Inhalt und Form der Regierung, die sie zu installieren wünschen, inklusive dem Modus der Wahlen, entscheiden. Die einzige Kraft, die fähig ist, solch eine Konstituante auf die Beine zu stellen, ist der Widerstand mit der Basis der Volksmassen.

Willi Langthaler

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