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Kleine Spende mit großer Wirkung

14. März 2004

Die Kampagne „“10 Euro für das irakische Volk im Widerstand““ in der BRD

Die internationale Kampagne, beschlossen auf dem Antiimperialistischen Sommerlager 2003, sorgte in den letzten Monaten in der BRD für allerlei Aufregung und kontroverse Diskussionen. Während ein Teil der verbliebenen antiimperialistischen Kräfte die Kampagne aufgriff und unterstützte, waren verschiedene Teile der „Linken“ und Friedensbewegung damit beschäftigt, sich panikartig vom Widerstand des irakischen Volks und seinen Unterstützern zu distanzieren.

Gegen Krieg und Besatzung, für das Recht auf Widerstand

Ausgangspunkt der Kampagne war die Massenbewegung gegen den imperialistischen Krieg der US-Regierung und ihrer Verbündeten gegen den Irak und ihren „permanenten Krieg gegen den Terror“. Die logische Konsequenz aus der Ablehnung dieses Krieges kann nur die Ablehnung des Kriegsziels der Aggressoren sein: die Besetzung eines weiteren Landes, um es optimal ausbeuten zu können und die eigenen globalen Hegemonialbestrebungen weiter auszubauen.
Auch der Aushebelung des Völkerrechtes, das Angriffskriege auf souveräne Staaten untersagt, gilt es – gerade auch im Hinblick auf die Geschichte Deutschlands – mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. Es ist eben auch dieses Völkerrecht, das laut Art. 51 den Angegriffenen das Recht auf Widerstand – inklusive des bewaffneten – garantiert. Dieses Recht zu verteidigen und das irakische Volk in seinem vielfältigen Kampf gegen Entrechtung, Unterdrückung und Ausbeutung zu unterstützen, ist der Grund für die Kampagne. Denn der Widerstand gegen die Besatzung und für einen souveränen Irak kann die Möglichkeit schaffen, den Anfang vom Ende der Neuen Weltordnung unter Führung der USA einzuläuten. Er ist es, der momentan weitere Angriffskriege verhindert.

Panorama und die Folgen: „Deutsche unterstützen Attentäter im Irak“

So lautete die Überschrift für einen Beitrag über die Kampagne. John Goetz, Volker Steinhoff und Ivo Bo…­…ži hatten sich aufgemacht, um im Auftrag des ARD-Magazins Panorama über „kriegerische Absichten“ in der Friedensbewegung zu berichten. Unter der Behauptung, für das immer einen Antikriegsstandpunkt einnehmende ARD-Magazin Monitor über die Gründe des Abflauens der Antikriegsproteste in Deutschland berichten zu wollen, filmten sie tagelang auf dem Kasseler Friedensratschlag sowie während eines Infostandes und einer Diskussionsveranstaltung des Initiativ e.V. zur Kampagne an der Duisburger Universität. Die am 11. Dezember 2003 im ARD ausgestrahlte Sendung gab die Äußerungen der Friedensaktivisten verkürzt wieder. Aus einem während der Veranstaltung gezeigten ORF-Beitrag des österreichischen Journalisten Tuschla – „Inside the Iraqi Restistance“ – wurde ein Propagandavideo irakischer Militanter, aus einer symbolischen Kampagne zur Unterstützung einer breiten Bewegung für einen demokratischen Irak eine Sammelaktion für „den Terrorismus“. Ivo Bo…­…ži, neben seiner Tätigkeiten für „antideutsche“ Webseiten auch Autor der kriegstreiberischen Jungle World, profitierte mehrfach von dieser Sendung. Kurze Zeit nach Ausstrahlung veröffentlichte er die Erkenntnisse der Sendung erneut in seinem Artikel „Für eine Viertel Kalaschnikow“1. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.

Einigkeit in der Ablehnung des Widerstandes auf der einen Seite ……

Kurzerhand formierte sich eine Allianz von Pazifisten über Anarchisten und Uno-Befürwortern bis hin zu Arbeiterkommunisten. Einig in der Ablehnung des Widerstandes fielen sie auf den reißerischen Panorama-Bericht herein. Sie waren entweder nicht fähig, den eigentlichen Sinn dieses Beitrags, den Versuch einer Spaltung der Antikriegsbewegung, zu durchschauen, oder sie machten ihn sich sogar zu nutze.
„Wer Geld für Waffen sammelt und das Abschießen von Soldaten gutheißt, ist weder Pazifist noch Humanist und stellt sich damit selbst außerhalb der Friedensbewegung“2, distanzierte sich Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK bereits einen Tag nach der Sendung in einer Erklärung. Die Zeitung Graswurzelrevolution phantasiert gar Verbindungen zur französischen Neuen Rechten als Mittel der Diffamierung herbei und nennt die Unterstützung des Widerstandes „anachronistisch“ um sich dann, genau wie Grässlin, ausschließlich auf „die Suche nach Kräften im Irak, die sich zivil und demokratisch der Besatzung entgegenstellen“ zu machen.
Diese beiden Äußerungen stehen exemplarisch für die Positionen eines Teils der „Linken“ und der Friedensbewegung. Sie erkennen Widerstand nur dann als solchen an, wenn er gewaltfrei ist, also den eigenen Vorstellungen entspricht. Die realen Kräfteverhältnisse und die Brutalität der Aggressoren als Ursache werden ausgeblendet, die Bewegung gegen die Besatzung gespalten. Denjenigen, die eine breite Bewegung mit unterschiedlichen Widerstandsformen gegen die Besatzung unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen politisch unterstützen, sagen sie die Unterstützung von Terror und politische Nähe zu faschistischen Kräften nach.
Hinzu kommen oftmals antiislamische Ressentiments und die Ablehnung jeder Strömung des arabischen Nationalismus, die die Gegner des realen Widerstandes argumentativ, wenn auch ungewollt, das Vokabular der Besatzungsmächte übernehmen lässt. Die Arbeiterkommunistische Partei des Iran, die den Angriffskrieg gegen Afghanistan befürwortete, startete gar einen Protestaufruf, da „die Kampagne …‚10 Euro für den irakischen Widerstand…‘ Geld für Waffen sammelt, die auf unschuldige Menschen, Kinder, Jugendliche, Frauen, Arbeiter, die auf Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, die auf die freiheitsliebenden und emanzipatorischen Aktivisten im Irak gerichtet sind.“3 Nur die Deutschland-Vertreter der offen proamerikanischen kurdischen Parteien, PUK und KDP, welche die angloamerikanische Aggression tatkräftig unterstützen und dafür mit Posten im sogenannten „Übergangsrat“ belohnt wurden, gehen noch einen Schritt weiter. Sie fordern in einem Flugblatt offen die Kriminalisierung antiimperialistischer Organisationen: „Für Deutschland würden wir es begrüßen, wenn dieses Land endlich gegen jene Elemente vorgehen würde, die von Deutschland aus den Terrorismus im Irak, offen und öffentlich unterstützen, einschließlich der Sammlung von Finanzmitteln, für die Fortsetzung des Terrors im Irak und in Kurdistan (z.B. die Kampagne …‚10 Euro für den irakischen Widerstand…‘).“4

…… Unterstützung der Kampagne auf der anderen

Eine erfreuliche Anzahl von Solidaritätserklärungen und die bisher nahezu hundert Unterzeichnenden des Aufrufs zeigen jedoch ganz klar, dass die Propaganda-Show des Panorama-Teams eher das Gegenteil dessen bewirkt hat, als sie eigentlich bezwecken wollte. „Wer den berechtigten Widerstand gegen die US-Besatzungsherrschaft im Irak als …‚fortgesetzten Terror…‘ bezeichnet ……, betreibt das Geschäft der Aggressoren …… Eine fortschrittliche Perspektive für den Irak wird es deshalb nicht mit den Besatzern, sondern nur ohne sie geben …… Der Widerstand gegen die Besatzungsmacht ist geradezu die Voraussetzung für einen unabhängigen und souveränen Irak“5, schreibt Claus Schreer, einer der Interviewten des Panorama-Teams, in einer persönlichen Erklärung.
Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des deutschen Freidenkerverbandes wertet die Panorama-Sendung als „…… den Versuch, die Solidarität mit dem Widerstand des irakischen Volks gegen die Besatzer zu diffamieren und zu kriminalisieren“, um dann unmissverständlich klarzustellen, „die Terroristen sind nicht jene, die Widerstand leisten, sondern die Bombenwerfer auf Belgrad und Bagdad. Für letztere spenden wir nicht.“
Die an der Kampagne beteiligten Organisationen und Unterzeichner des Aufrufes haben bereits jetzt Einiges erreicht. In zahlreichen Initiativen, Vereinen und Parteien wurde eine Debatte über die Besatzung des Irak und das Recht auf Widerstand der irakischen Bevölkerung ausgelöst. Einige Teile der Linken haben sich dem Kampf gegen die Besatzung angeschlossen, andere durch ihre Haltung gezeigt, auf welcher Seite sie wirklich stehen.
Werner Pirker, Journalist der Tageszeitung Junge Welt kommentierte dies folgendermaßen: „Als kürzlich in einem Panorama-Bericht die ganze Friedensbewegung der …‚Sympathie mit dem Terror…‘ bezichtigt wurde, sah sich die Nomenklatura der Bewegung aus dem Schlaf gerissen, um dann umso heftiger auf die …‚Gewaltverherrlicher…‘ einzuschlagen. Aber immerhin war man nun gezwungen, das Thema Besatzung aufzugreifen und den Irakern wenigstens das Recht auf friedlichen Widerstand einzuräumen. Das lässt hoffen, dass sich die Bewegung gegen den Krieg doch noch in eine breite Bewegung gegen die Okkupation überleiten lässt. Dann hätten wenige sehr viel bewirkt.“6

Komitee „Freier Irak“

Die Arbeit gegen die Besatzung des Irak wird jedoch über die Kampagne hinausgehen. Wie in zahlreichen anderen Ländern hat sich auch in der BRD bereits ein Komitee „Freier Irak“ gegründet. Um den Kampf für den sofortige Abzug der Besatzungstruppen und einen demokratischen, souveränen Irak zu unterstützen, hat sich das Komitee zum Ziel gesetzt, als Teil der internationalen Bewegung gegen die Besatzung an der Schaffung einer Gegenöffentlichkeit mitzuwirken. Wichtig werden hierbei die Vorbereitung von Aktionen in der BRD anlässlich des internationalen Aktionstages für das Recht auf Widerstand im Irak am 25. September sein.
Die antiimperialistischen Kräfte können sich hierbei – das musste selbst Panorama einräumen – der Sympathie über eines Viertels der Bevölkerung in der BRD sicher sein. Im Irak dürfte der Prozentsatz indes höher liegen.

Henning v. Stoltzenberg

1 Jungle World, „Mindestens eine Viertel Kalaschnikow“, 17. Dezember 2003
2 Stellungnahme des DFG-VK: „Widerstand ja – aber gewaltfrei“, 12. Dezember 2003
3 Erklärung der Arbeiterkommunistischen Partei Irans – Deutschlandorganisation, 28. Dezember 2003
4 Erklärung der Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak in Deutschland, 2. Februar 2004
5 Erklärung Claus Schreer, 1. Januar 2004
6 Kommentar Werner Pirker, Thema Widerstand, 14. Februar 2004

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