Site-Logo
Site Navigation

„Wir brauchen Basiskomitees zur Unterstützung des Widerstandes“

14. März 2004

Interview mit Abu Ahmad Fuad

Das folgende Interview führte Georg Kreisel im Rahmen der Kairo-Konferenz im Dezember 2003 mit Abu Ahmad Fuad, Vertreter der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP).

Was haltet ihr von der Roadmap und dem Genfer Abkommen?
Wir waren von Anfang an gegen die Madrider Konferenz und ihre Resultate. Später waren wir auch gegen das Oslo-Abkommen und seine Ergebnisse. Die Roadmap, die Genfer Erklärung – wir weisen alle diese Initiativen zurück. Warum? Alle diese sogenannten Friedenspläne beeinträchtigen unsere nationalen Rechte und bei jedem neuen Abkommen macht die Palästinensische Nationalbehörde größere Zugeständnisse. Die Roadmap ist ein US-amerikanisch-israelisches Projekt. Das zeigt sich sowohl in ihrer politischen Dimension als auch in den Vorschlägen für eine Umgestaltung der Palästinensischen Behörde. Jedes Projekt, das von der US-Regierung vorgeschlagen wird, kann nur im Interesse unseres Feindes sein, nicht in unserem Interesse. Nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens wurden vermehrt Siedlungen gebaut und später kam Sharon an die Macht. Nach der Roadmap wurde mit dem Bau der rassistischen Mauer begonnen. Sie konfiszieren weiterhin Land, sie morden, sie werfen Leute ohne Grund ins Gefängnis …… Der wichtigste Aspekt der Roadmap ist die Liquidierung der Widerstandsorganisationen und die Garantien für die Sicherheit Israels. Letztlich bietet die Roadmap den PalästinenserInnen eine Art Selbstverwaltung, nicht einmal einen unabhängigen palästinensischen Staat. Unsere Einschätzung der Genfer Erklärung ist äußerst negativ. Ihr Herzstück ist die Ablehnung des Rechts auf Rückkehr für die palästinensischen Flüchtlinge. Es gibt fast fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge außerhalb Palästinas – diese Leute wurden aus Akka, Jaffa, Galiläa usw. vertrieben – aus den 1948er-Gebieten. Die Uno-Resolution 194 garantiert diesen Menschen die Rückkehr in ihre Heimat, aus der sie vertrieben wurden. Seit die Resolution verabschiedet wurde, sind fünfzig Jahre vergangen, doch sie wurde nicht implementiert. Dennoch garantiert sie uns das Recht, in unser Land zurückzukehren. Das ist der wichtigste Grund, warum wir die Genfer Erklärung ablehnen, doch es gibt auch andere Gründe: Die Leute, welche die Erklärung unterschrieben, waren von niemandem dazu ermächtigt. Sie handelten als Einzelpersonen, doch natürlich wurden sie von Arafat – als Einzelperson – unterstützt. Weder die PLO noch die PNA hatten sie autorisiert. Daher kann niemand dieses Abkommen akzeptieren und auch wir lehnen es ab – so wie alle anderen Fraktionen des palästinensischen Widerstands.
Hier in Kairo gab es vor einigen Tagen Gespräche der verschiedenen palästinensischen Organisationen und in den westlichen Medien wurde behauptet, dass sie ergebnislos endeten. Meines Wissens nahm die PFLP an diesen Gesprächen teil.
Erstens – Es stimmt, dass dieses Treffen nicht das erwartete Ergebnis hatte. Es gibt zwei politische Hauptströmungen in der palästinensischen Bewegung. Fatah und noch fünf weitere Organisationen sind für einen Kompromiss und für Zugeständnisse an den Feind. Wir und fünf weitere Organisationen sind gegen diesen politischen Kompromiss und die Zugeständnisse. Daher ist es nicht einfach, unter diesen zwei Strömungen ein Übereinkommen zu erzielen. Wir erachten es als sehr wichtig, eine vereinigte Führung des palästinensischen Widerstands aufzubauen, in der alle vertreten sind, die am Widerstand teilnehmen. Diese vereinigte Führung sollte die Kompetenz haben Entscheidungen zu treffen und diese auch umzusetzen. Die andere Strömung lehnte diesen Vorschlag ab. Sie verlangten von uns, sie zu ermächtigen politische Schritte auf Grundlage der Roadmap zu unternehmen und dabei auch in unserem Nahmen zu handeln – das lehnten wir ab, denn es gibt derzeit keine kollektive Führung. Es gibt keine demokratisch gewählte Führung des palästinensischen Widerstands. Daher verlangen wir, dass das palästinensische Volk seine Vertreter in der PLO wählen kann. Solange es keine demokratisch gewählte Führung der palästinensischen Bewegung gibt, kommen wir einer Lösung nicht näher – nur eine solche demokratisch gewählte Führung hätte das Mandat, Entscheidungen zu treffen. Diese Differenzen bei den Gesprächen in Ägypten werden die Fortsetzung der Intifada, des Widerstands, nicht beeinträchtigen.
Was sind die Perspektiven der Intifada?
Solange die Besatzung besteht, werden die Intifada und der Widerstand weitergehen – es ist kein Ende in Sicht. Das israelische Regime bedient sich aller Mittel der Unterdrückung, doch trotz seiner Macht ist es ihm nicht gelungen, die Intifada zu beenden. Wenn wir eine politische Übereinstimmung und eine demokratische Einheit der verschiedenen Organisationen erzielen könnten, dann wäre das für die gegenwärtige Situation sehr hilfreich.
Zurück zu Kairo: Was ist eure Einschätzung der Kairo-Konferenz? Es ist bemerkenswert, dass es gelungen ist Linke, Nationalisten und die Muslimbrüder zusammen zu bringen. Was könnte das Ergebnis dieser Konferenz sein? Wie kann sie den palästinensischen Widerstand unterstützen? Auch in Palästina haben wir gesehen, dass Zusammenarbeit zwischen linken und z.B. islamischen Kräften möglich ist.
Wie ihr wisst, ist dies die zweite Konferenz dieser Art, die erste fand vor einem Jahr statt. Vielleicht war diese Konferenz erfolgreicher als die vorhergehende, denn es gab eine breitere Beteiligung von Einzelpersonen, Organisationen und politischen Strömungen, und es gab eine Annäherung der Standpunkte. Das Wichtigste ist, das Gesagte in praktische Aktionen zu übersetzen. Wenn wir z.B. über die Unterstützung des palästinensischen oder des irakischen Widerstands sprechen, müssen konkrete Schritte erörtert werden – politische Schritte, Informationen etc. Wir erwarten von unseren Freunden aus Europa und den USA, die an dieser Konferenz teilnahmen, dass sie unsere und ihre eigenen Standpunkte in ihren jeweiligen Ländern darstellen. Das wichtigste Ereignis war die Änderung der öffentlichen Meinung in Europa über Israel und die Vereinigten Staaten. Wir müssen weiter daran arbeiten. Die Zahl der Menschen, die in Israel und den USA die Hauptgefahr für den Weltfrieden sehen, könnte sich weiter erhöhen, denn die Aktionen dieser Regierungen bringen Tod und Zerstörung. Es ist wichtig, dass es Basiskomitees für die Unterstützung des palästinensischen und irakischen Widerstands in diesen Ländern gibt. Die arabischen Völker haben die Aufgabe, Druck auf ihre Regierungen auszuüben, damit sich ihre Position ändert; ebenso ist es die Aufgabe der europäischen Völker, Druck auf ihre Regierungen auszuüben, damit diese ihre politische Position ändern.
Danke für das Gespräch.

Thema
Archiv