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Sudan: Vom Darfuf nach Khartum?

11. Mai 2004

von Anton Holberg

Für linke Palästinenser ging einst der Weg nach Jerusalem über Amman ebenso wie für Khomeini während des Krieges mit dem Irak über Karbala. Weist die deutliche Verschärfung des Tons zwischen den USA und teilweise auch der EU und der sudanesischen Regierung unter Omar Bashir darauf hin, dass insbesondere die USA jetzt zu dem Ergebnis gekommen sind, dass ihr Weg nach Khartoum über das Darfur führt?
Seit etwa anderthalb Jahren findet im Darfur, der zum Tschad hin gelegenen Westprovinz des Sudans ein im wesentlichen von der, Sudanese Liberation Army` (SLA) und dem ,Justice and Equality Movement` (JEM) getragener Aufstand gegen die Zentralmacht statt. SLA und JEM rekrutieren sich aus der zwar fast völlig muslimischen aber sprachlich und kulturell schwarzafrikanischen bäuerlichen Mehrheitsbevölkerung der Region. Sie fordern im Wesentlichen die Beendigung der bisherigen wirtschaftlichen und politischen Marginalisierung des Darfur-Gebietes. Ihnen entgegen steht zum einen die sudanesische Armee und zum anderen als ,Janjaweed` bezeichnete Milizen arabischer nomadisierender Viehzüchterstämme der Region. Ein unter Vermittlung der tschadischen Regierung am 8.April zustande gekommener Waffenstillstand ist – erwartungsgemäß – nicht umgesetzt worden, und die Entwicklung hin zu einem der, wie es die UNO schon im März nannte, „größten humanitären Katastrophen in der Welt“ scheint sich unaufhaltsam fortzusetzen.
Die UN spricht in Übereinstimung mit einer Reihe anderer Quellen von über 10.000 Toten, einer Million Menschen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden, und mindestens 100.000, die in den Tschad geflohen und dort in der Halbwüste unter elendigsten Bedingungen nahe der Grenze leben. Gegen Ende Mai wird mit dem Beginn der Regenzeit gerechnet, was die Versorgung der Flüchtlinge mit Hilfsgütern noch wesentlich schwieriger machen wird. Anfang Mai sprach der als der US-Regierung besonders nahestehend bekannte UN-Generalsekretär Kofi Annan davon, dass die sudanesische Regierung mit Hilfe der erwähnten Milizen im Darfur eine „ethnische Säuberung“ durchführe und rief die ,internationale Gemeinschaft` zur militärischen Intervention auf. Am 4.5. dann marschierten die USA aus Protest gegen die Wiederwahl des Sudans zur UN-Menschenrechtskommission aus der entsprechenden Sitzung. Zwei Tage später warf der Vorsitzende des Unterausschusses für Afrika im US-Congress, der Republikaner Ed Royce, der sudanesischen Regierung eine Politik der verbrannten Erde vor der Zerstörung von ganzen Dörfern und Bewässungssystemen und der Unterstützung für die Janjaweed-Milizen. Gleichzeitig betonte er, dass es nach mehreren Jahren nun immer unwahrscheinlicher sei, dass die Verhandlungen zwischen Khartoum, und der südsudanesischen SPLA, die wesentlich auch durch US Vermittlung zustande gekommen waren, noch einen positiven Abschluss finden würden. „Afrika hat schon viele missglückte Friedensabkommen gesehen“, sagte er weiter, „und Khartoums wahre Farben zeigen sich, leider, im Darfur“. Am 6.5. teilte Charles R.Snyder, Staatssekretär für afrikanische Angelegenheiten im US-Außenministerium dem Ausschuss des für internationale Beziehungen des Repräsentantenhauses mit, dass die Darfur-Rebellion für Khartoum eine größere Gefahr darstelle als der seit 20 Jahren andauernde Bürgerkrieg im Südsudan. Hier werde erstmals der Nordsudan militärisch bedroht. Hinzu komme, dass sich 50% der sudanesischen Armee aus Angehörigen nicht-arabischer Völker aus der Darfur Provinz rekrutiere und dass die dortige Bevölkerung eine wichtige Basis für die islamistische Partei von Hassan al-Turabi sei. Dieser galt als Spiritus Rector des Militärputsches, der 1989 Al-Bashir an die Macht gebracht hatte, wurde aber vor einigen Monaten von Al-Bashir entmachtet und festgesetzt. In einem von Turabi verfassten Buch mit dem Titel ,Das schwarze Buch` wird die Regierung in Khartum beschuldigt Leute aus der Region von führenden Posten in der Regierung fernzuhalten.
Während die SLA ebenso wie die SPLA Teil des eher säkularen Oppositionsbündnisses der ,Nationaldemokratischen Allianz` ist, gilt die JEM als Verbündeter Turabis. Ein anderer Beobachter wies darauf hin, dass ein Nachgeben Khartums gegenüber den Forderungen der Darfur-Rebellen entsprechende Forderungen in anderen benachteiligten Regionen wie der der kuschitischen Beja im Osten und der schwarzafrikanischen – ein hier nicht etwa ,rassisch`, sondern kulturell zu verstehender Begriff – Nuba nicht weit nördlich der Grenze zum Südsudan nach sich ziehen könnte. Die sudanesische Regierung hat die Vorwürfe der ethnischen Säuberung zurückgewiesen. Bereits am 27.1. hatte ihre Botschaft in Berlin erklärt, dass das traditionelle Bandenunwesen und die Kriminalität im ,wilden Westen` des Sudans von politischen Gegnern und der eritreischen Regierung instrumentaliert würden. In Hinblick auf die arabischen Stammesmilizen spricht die Erklärung von der „infamen Janjaweed-Bande“, die die berüchtigste von ihnen sei, und betont, dass die Regierung alles Notwendige tun werde, um Ruhe und Ordnung in der betroffenen Region herzustellen. Die seitdem stets wiederholte Zusicherung, für die Untaten der Janjaweed nichts zu können, stößt allerdings anderen Ortes auf wenig Glauben. Die US-Menschenrechtsorganisation ,Human Rights Watch` stellte in einem Bericht am 23.4. fest: „Die Janjaweed sind nicht länger nur von der sudanesischen Regierung unterstützte Milizen. Diese Milizen arbeiten in Übereinstimmung mit Regierungstruppen unter völliger Straffreiheit für ihre massiven Verbrechen“. Überzeugender als diese Behauptung einer US amerikanischen NGO ist aber vielleicht die Aussage von Eltigani Seisi, bis 1989 Gouverneur von Darfur. Er bestätigte kürzlich in London, dass Khartoum die Milizen gegründet habe und sie ganz offen unterstütze. Schließlich deutet auch die Tatsache, dass Tschads Präsident Idriss Debà©, dessen Regierung bislang von Seiten der Darfur-Aufstandsbewegungen Einseitigkeit zu Gunsten der sudanesischen Regierung vorgeworfen wurde, die ihrerseits behauptete, die Darfur-Rebellen würden von der tschadischen Opposition bewaffnet, Khartoum am 8.5. in einer Rundfunkansprache offiziell aufforderte, die Angriffe von pro-Regierungsmilizen gegen tschadisches Territorium zu verhindern. Sein diplomatischer Berater Allami Ahmat wies darauf hin, dass die Janjeweed entgegen den geschlossenen Abkommen von Khartoum nicht entwaffnet worden seien. So unglaubwürdig also die Versuche der Regierung Al-Bashir sind, bezüglich der eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Darfur ihre Hände in Unschuld zu waschen, so zutreffend ist zweifellos ihr Hinweis darauf, dass der Kern des Problems angesichts der physisch Charakteristika eines Großteils auch der ,arabischen` Bevölkerung des Sudan nicht Rassismus und angesichts des seit langem islamischen Charakters der nicht-arabischen Ethnien im Darfur -Fur, Zaghawa und Messalit – nicht die Religion ist. Vielmehr geht es wie der Staatssekretär im Außenministerium Najeib al-Khair Abdel Wahab am 9.5.noch einmal betonte grundlegend um Konflikte über die Ressourcen dieser zunehmend trockenen Region zwischen Viehzüchtern und Bauern und auch innerhalb der jeweiligen Gruppen.
In diesem Sinn kann es in der Tat nicht ausgeschlossen werden, dass Khartums praktische Haltung in diesem Konflikt weniger mit sprachlichen Gemeinsamkeiten mit den arabischen Beduinen- und Baggara-Stämmen zu tun hat, als einfach damit, dass es politische Organisationen der nicht arabischen Bevölkerung waren, die in den Aufstand getreten sind.
Es bleibt nun die Frage, was der Grund für die konfrontative Haltung insbesondere der US-Regierung ist. Wenn der sudanesische Außenminister Osman Ismail am 7.5. die jüngsten Vorwürfe und impliziten Drohungen der USA mit dem Hinweis auf deren Menschenrechtsbilanz im besetzten Irak konterte, dann hat er zwar nichts zu den Menschenrechtsverletzungen des sudanesischen Regimes gesagt, wohl aber auf einen zentralen Punkt hingewiesen: Die Menschenrechte sind es auch im Sudan nicht, die die US-Regierung – ebenso wenig wie irgendwelche anderen – wirklich bewegen, wenngleich die Regierung das aus innenpolitischen Gründen niemals zugeben könnte. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass insbesondere die USA die Zeit gekommen sehen, das Regime in Khartum doch noch los zu werden. Im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Interesse der sudanesischen Regierung und nicht zuletzt auch US-amerikanischer Konzerne an der Ausbeutung der Erdölfelder im und an den Grenzen des Südsudans war es in den letzten zwei Jahren etwa zu einer langsamen Entspannung zwischen der US-Regierung und dem Sudan gekommen.
Entsprechend machten, wie es schien, die Friedensverhandlungen zwischen Khartoum und der SPLA in Kenia Fortschritte. Die Militärregierung Al Bashirs beendete auch die Unterstützung für ausländische islamistische Kämpfer und brach schließlich mit Al-Turabi. Ohne Zweifel änderte das aber nichts daran, dass sie den USA tief verdächtig blieb und diese auch ihre Ölgeschäfte im Südsudan lieber mit einer anderen Regierung machen würden. Im Darfur gibt es für die USA oder irgendeine andere imperialistische Macht keine wirtschaftlichen Interessen. Solche, und hier in zunehmendem Maße das Erdöl betreffende Interessen gibt es allerdings vom Golf von Guinea bis weit in den Tschad hinein. Entsprechend sind die USA dabei im gesamten Sudan-Gürtel vom Atlantik bis zum Tschadsee eine ihnen und ihren Erdölinteressen dienende militärische Infrastruktur ins Leben zu rufen, beispielsweise durch Militärberater für lokale Spezialtruppen, die die Erdölinfrastruktur nicht zuletzt auch gegen zunehmend an der Region interessierte islamistische Kräfte sichern sollen. Ganz im Osten haben sich die USA bereits – hier unterstützt von der Bundesmarine – in Djibouti festgesetzt, während Eritrea nicht nur als pro-amerikanisch gilt, sondern überdies noch als eine israelische Basis auf dem Kontinent. Israel ist aus naheliegenden Gründen stets zur Stelle, wenn es gilt, irgendein arabisches Land zu destabilisieren. Die Beziehungen der USA zu den Regierungen in Uganda, Kenias, Äthiopien, Eritrea, dem Tschad und auch Ägypten sind recht eng. Was fehlt, um die Kette vom Atlantik zum Roten Meer oder Indischen Ozean komplett zu machen, ist der Sudan. Allerdings lehnen Sudans in der NDA zusammengeschlossene Oppositionskräfte eine militärische Intervention der USA ab, und das mit größerer Glaubwürdigkeit als es seinerzeit Teile der irakischen Opposition getan haben. Präsident Al-Bashir seinerseits hat bereits die US-Forderung, eine amerikanische Untersuchungskommission nach Darfur zu lassen zurecht als „eine internationale neokolonialistische Verschwörung zur Spaltung Sudans und Demoralisierung seiner Streitkräfte“ bezeichnet.

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