Site-Logo
Site Navigation

Söldner im Irak

11. Juni 2004

von Anton Holberg

Ob alle Soldaten der US-geführten Besatzung im Irak wirklich zur Koalition der Willigen gehören, muss nach den Ereignissen insbesondere des letzten Monats bezweifelt werden. Sicher jedoch gehört eine nach den USA das zweitstärkste Kontingent noch vor den Briten stellende Gruppe von Menschen dazu, die zudem noch einige besondere Vorteile bieten: Ihre Mitglieder erledigen Aufgaben, die selbst den professionellen Soldaten der Besatzungsarmee zu gefährlich sind, und sie werden, wenn die Sache schief geht, nicht in den offiziellen Verluststatistiken geführt, was sich insbesondere im US-amerikanischen Wahljahr für den obersten Kriegsherrn in Washington auszahlen mag. Ihr einziger Nachteil: Sie sind mitunter – gestaffelt nach Hautfarbe – recht teuer. Die Rede ist von den rund 20000 bei propagandistischem Bedarf als „zivile Mitarbeiter“ geführten Söldner aus aller Herrn Länder, die von den schon seit Jahren im Zuge der allgemeinen Privatisierungswelle – also auch der des Krieges – aufblühenden Söldnerfirmen, die heute – ebenfalls dem Stil der Zeit folgend – generell als „Private Military Contractors“ (PMC) oder gar als „Berater für internationale strategische Sicherheit“ firmieren, angeheuert wurden.
Wie der Überfall auf den Irak und mehr noch die wachsende Unwilligkeit der irakischen Bevölkerung, sich mit dem Ergebnis abzufinden, das Geschäft belebt hat, kann exemplarisch am Fall einer dieser „aggressive Sicherheit“ verkaufenden Firmen, der Global Risk Strategies gezeigt werden. Hatte sie vor dem Angriff der USA auf Afghanistan erst zwei Mitarbeiter, so arbeiten heute im Irak tausend Mann für sie im Bereich des Objekt- und Personenschutzes. Alleine britische Söldnerfirmen haben dem Direktor der Londoner PMC Janusian zufolge ihren Umsatz seit der Besetzung des Irak von 320 Millionen Dollar auf 1,8 Millionen erhöht. Die Dienstleistungen der PMC finden im Irak umfassende Verwendung gleichermaßen bei privaten Firmen, den Besatzungsbehörden selbst, der Uno oder auch im Bereich von Entwicklungsprojekten. Im Haushalt der staatlichen US-Entwicklungshilfe, die vom irakischen Widerstand offenbar weniger als humanitärer Segen, denn als Teil des Besatzungsprojekts betrachtet wird, sind die Ausgaben für die privaten Sicherheitsfirmen letztlich von sieben auf zehn Prozent erhöht worden. Die US-Söldnerfirma Blackwater, der auch Besatzungschef Paul Bremer seine persönliche Sicherheit anvertraut hat, behauptet, dass inzwischen ein Viertel des Haushalts aller „Entwicklungshilfeprojekte“ im Irak an PMCs gehe.
Zu den Aufgaben, die von PMCs wahrgenommen werden, gehören etwa die Bewachung des internationalen Flughafens von Baghdad durch die Firma Custer Battles, der Schutz der Ölfelder und Pipelines durch die britisch-südafrikanische Erinys, zu deren 100-Millionen-Dollar-Vertrag die Aufgabe gehört, zu diesem Behufe eine 14000 Mann starke private irakische Truppe zusammenzustellen, die britische Global Risk, die die Mitglieder der US-Besatzungsbehörde schützt, die britische Armor Group, die das gleiche für die Mitarbeiter der US-Konzerne Bechtel und KBR tut, oder die US-Firma DynCorp, die – bislang mit zweifelhaftem Erfolg – die neue irakische Polizei trainiert. Die Trennung zwischen den Aufgabenbereichen der Armee und der PMCs ist des Öfteren fließend, beispielsweise wenn im vergangenen Jahr eine US-amerikanische PMC herangezogen wurde, um den Ort zu sichern, an dem ein vom Widerstand nahe Falluja abgeschossener US-Transporthubschrauber niedergegangen war, und um die Rettungsoperation durchzuführen.
Dass die Auftraggeber dieser Firmen so eindrucksvolle Geldbeträge für ihre Leistungen aufbringen müssen, liegt nicht zuletzt auch an den bisweilen exorbitanten Gehältern der Söldner. So berichtete kürzlich Al-Ahram Weekly, dass die dort bezahlen Gehälter bereits der britischen Kommandotruppe SAS Kopfschmerzen bereiteten, weil sie zahlreiche ihrer teuer ausgebildeten Soldaten an den Privatsektor verloren habe. In Bagdad kostet ein Vier-Mann-Team ehemaliger SAS den Schutzbedürftigen täglich fünftausend Dollar. Der normale SASler kassiert ein Monatsgehalt von 10000 Dollar und mehr, seine Chefs schon 150000 Dollar im Jahr. Allerdings geht es auch billiger. Die dem Empire so treu ergebenen und einst in der Kopfjagd geschulten nepalesischen Gurkhas, von denen die ArmorGroup 700 angeheuert hat, müssen sich mit einem Zehntel dieses Gehalts zufrieden geben. Das ist so, obwohl sie etwa im vergangenen Jahr das von Dick Cheneys ehemaliger Firma Halliburton unterhaltene Rashid-Hotel bewachten und sogar am Präsidentenpalast ausgemacht wurden. Und man wird ihnen auch kaum wie ihren irakischen Kollegen mangelnde Disziplin ohne „weiße Aufsicht“ nachsagen können. Diese jedenfalls setzen denn ihr Leben angesichts der 70prozentigen Arbeitslosigkeit im Land auch schon für nur 150 Dollar im Monat aufs Spiel.
Dass die Söldner – jedenfalls die ausländischen – so teuer sind, hat zum einen mit ihrer Gefährdung zu tun. So wurden beispielsweise die vier US-Söldner der Firma Blackwater, deren Leichen dann an einer Brücke in Falluja aufgehängt wurden, von den Widerstandkräften erwischt, als sie Anfang April versuchten, im Konvoi durch ein Stadtviertel zu fahren, in das sich die GIs schon lange nicht mehr trauten. Andererseits sind nicht wenige von ihnen auch ausgewiesene Kenner in einem Gewerbe, in dem der normale Soldat generell weniger Praxis nachweisen kann, und manche sogar bekannte Persönlichkeiten. So arbeiten etwa für die erwähnte Firma Blackwater im Irak 122 ehemalige Angehörige der chilenischen Armee. Ehemalige, weil sie wegen ihrer Aktivitäten zur Zeit der faschistischen Pinochet-Herrschaft aus der Armee herausgesäubert werden mussten. Jetzt arbeiten sie für 18000 Dollar monatlich indirekt für die CIA, die ja auch schon ihrem früheren Dienstherrn 1973 an die Macht verholfen hatte. Ein anderes rund dreitausend Mann zählendes Kontingent rekrutiert sich aus Südafrikanern, die ihre einschlägigen Erfahrungen im Dienste des Apartheid-Regimes gemacht haben. Das kam ans Tageslicht, als am 28. Januar 2004 bei einem Bombenanschlag auf das Shaheen-Hotel Frans Strijdom ums Leben kam. Er gehörte der südafrikanischen Presse zufolge zur Polizeispezialeinheit „Koevoet“, die berüchtigt für ihren Einsatz gegen die Befreiungsbewegung in Namibia war. Bei der gleichen Gelegenheit wurde Deon Gouws verletzt. Er war Mitglied der Geheimpolizei „Vlakplaas“ und der Todesschwadron CCB. Als solcher war er ein Kollege von Gray Branfield, der Anfang April von irakischen Aufständischen getötet wurde. Nachdem er bis 1980 in einer paramilitärischen Einheit in Rhodesien tätig gewesen war, ging Branfield nach Südafrika und war 1981 als Mitglied der CCB an der Ermordung des ANC-Repräsentanten in Zimbabwe beteiligt. Im Vergleich zu diesen Herren war der vom Widerstand entführte und dann erschossene italienische Söldner ein kleines Licht – offenbar auch im Rotlichtmilieu von Genua, von wo aus sein wohl eher bescheidener Erfolg ihn dann in den Irak führte. Dass Leute dieses Schlags wenig Probleme damit haben, „Eingeborene“ abzuschießen, ist offensichtlich. Ende 2003 schossen Söldner, die bei Samarra einen Geldtransport sichern sollten, als dieser angegriffen wurde, wild um sich und töteten acht zufällig vorübergehende Zivilisten, darunter mehrere Frauen.
Das Wort von der „Befreiung“ des Irak durch die USA mutet bei solchen „Befreiern“ etwas merkwürdig an.
Anton Holberg

Thema
Archiv