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Zerstörung und Demütigung

11. Juni 2004

Militäroperationen der israelischen Armee jenseits der Medienaufmerksamkeit –- Tag für Tag

Seit Beginn der Neuen Intifada werden im gesamten Westjordanland laufend Militäroperationen durchgeführt. Städte werden von der israelischen Armee besetzt, nach einer gewissen Zeit ziehen die Truppen wieder ab, und dieser „Abzug“ wird von der israelischen Regierung als Zeichen für ihre Friedensbereitschaft dargestellt und vom Rest der Welt als solches anerkannt.
So geht es, wie in diversen anderen Städten des Gazastreifens und des Westjordanlands, auch in Nablus zu. Seit September 2000 lebt man auch in Nablus ständig mit der Frage im Hinterkopf, wann die Armee wohl das nächste Mal einmarschieren wird um Hass, Tod, Zerstörung und Demütigung zu hinterlassen. Nablus ist, wie gesagt, nur ein Beispiel für die grausame Art und Weise, in der der Tsahal („Israelische Verteidigungsarmee“) vorgeht. Man kann kaum noch Anzeichen dafür finden, dass diese Operationen gezielt gegen als terroristisch bezeichnete Gruppierungen gerichtet sind. Fakten belegen, dass die Menschen, die unter diesen illegalen Vorstößen zu leiden haben, hauptsächlich Unschuldige sind: Frauen, Kinder, alte und gebrechliche Menschen, aber natürlich auch junge Männer, was allein noch kein Beweis dafür ist, dass sie Terroristen sind, so wie es oft dargestellt wird.
Um nur ein – relativ aktuelles – Beispiel für einen solchen Vorstoß hervorzuheben, sollte man die Militäroperationen nennen, die im Dezember 2003 / Januar 2004 in Nablus stattgefunden haben. Beim Einmarsch der Armee am 26. Dezember wurde eine Ausgangssperre in vielen Teilen der Stadt – darunter auch in der Altstadt und im Flüchtlingslager Balata – verhängt. Eine Straßensperre teilte die Stadt in zwei Teile, sodass die Bewegungsfreiheit noch um ein weiteres Stück eingeschränkt wurde. Die israelische Regierung rechtfertigte diesen Einmarsch wie üblich mit dem „Recht auf Selbstverteidigung“. Doch die Ereignisse gingen mal wieder weit über die Grenzen der Selbstverteidigung hinaus: Wohnhäuser und historische Gebäude wurden zerstört, Menschen wurden bei Zusammenstößen zwischen der Armee und Widerstand leistenden Palästinensern getötet und schwer verletzt, ganze Familien wurden gezwungen ihre Häuser zu verlassen und für die Dauer der Operation auf der Straße zu leben und weitere Wohnhäuser wurden evakuiert und zu Militärstützpunkten umfunktioniert. Alle Zufahrtsmöglichkeiten nach Nablus wurden abgeriegelt und nur mehr humanitäre Lieferungen durchgelassen, wodurch der lebenswichtige Handel lahmgelegt wurde. Es fehlte an Grundnahrungsmitteln für die Bevölkerung, wodurch es zu Hungersnot kam. Erst nach längeren Verhandlungen mit dem Militär konnten Hilfsorganisationen Brot unter der Bevölkerung verteilen. Zusätzlich zu dem Mangel an lebenswichtigen Gütern litten die Menschen unter der Kälte: Die Zerstörung mancher Wohnhäuser hatte viele obdachlos gemacht, oder zumindest die Fenster ihrer Wohnungen zerstört. So war ein großer Teil der Bevölkerung dem Winter ausgesetzt und damit gezwungen sich durch offene Feuer zu wärmen.
Bereits während der Invasion im März/April 2002 hatte die Unesco die Altstadt von Nablus als einen „herausragenden universellen Schatz“ des Weltkulturerbes bezeichnet. Dieses wurde während der Operationen auch teilweise komplett zerstört oder beschädigt. Trotz Aufforderungen der Unesco wurde auf Baudenkmäler wie den Qasr Abd al-Hadi keine Rücksicht genommen.
Ein weiterer Aspekt dieser Militäroperationen in Nablus ist der juristische: es kam zu Verstößen gegen wichtige Prinzipien des internationalen humanitären Rechts, wie zum Beispiel das Recht auf Hilfeleistung, das dem palästinensischen Volk verweigert wurde. Demnach ist die Besatzungsmacht verpflichtet die Menschen mit den notwendigsten Gütern zu versorgen, was in diesem Fall nicht geschah. Auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wurde missachtet: Laut Artikel 57 der Genfer Konvention müssen die zivile Bevölkerung und zivile Objekte verschont bleiben. Zerstörte Wohnhäuser, kulturelle Gegenstände und getötete Zivilisten bezeugen die Nichteinhaltung dieser international anerkannten Gesetze.
Die Militäroperation – sowie auch sämtliche andere Vorstöße der israelischen Armee in Nablus und anderen palästinensischen Gebieten – sind demnach sowohl gesetzlich als auch menschlich verwerflich.
Doch traurigerweise ist dies nur eines von vielen Beispielen für die menschenverachtende Politik Israels in den Autonomiegebieten. Diese scheint keine Grenzen zu kennen: Ermordungen von Funktionären, Polizisten, Frauen, Kindern und Jugendlichen sind zwar mit Sicherheit einige der schlimmsten Beispiele, die die Vorgangsweise des Tsahal belegen, aber sie sind nicht die einzigen. Welche Normalität bleibt noch im Leben eines Kindes, das vom Militär daran gehindert wird in die Schule zu gehen? Was soll eine Familie, deren Haus ohne ersichtlichen Grund abgerissen wurde, tun? Wovon soll ein Bauer leben, dem man sein Land enteignet und seine Bäume entwurzelt? Und welche Hoffnung soll im Leben eines Menschen bleiben der mitansehen muss, wie seine Familie misshandelt und ermordet wird? All das sind konkrete Situationen, wie sie alltäglich in Palästina geschehen. Und als ob das alles nicht genügen würde, kommen auch noch die Demütigungen durch Soldaten hinzu, die die Menschen ertragen müssen, die Verhaftungen von Kindern, und die Gleichgültigkeit der ganzen Welt gegenüber dieser Art von Leben.

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