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Die Holocaust-Industrie und die „Holocaust-Religion“

19. Juni 2004

von Shraga Elam, München, 6. Nov. 2002

Vor zwei Jahren popularisierte der Politologe Norman Finkelstein den Begriff „Holocaust Industrie“. Er brachte damit dem breiteren Publikum eine bestehende Kritik gegen den Missbrauch der Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg durch jüdische Organisationen zur Kenntnis.

In der Folge werde ich versuchen, mich mit dieser wichtigen und notwendige Kritik auseinanderzusetzen.

Es geht weder Norman Finkelstein noch mir und anderen kritisch eingestellten Jüdinnen und Juden darum, die grausame Geschichte unserer Eltern und Verwandten zu verharmlosen und oder gar zu negieren. Ganz im Gegenteil! Es geht um ein Plädoyer für die einzige moralisch vertretbare Lehre aus den NS-Zeiten: „nie wieder Völkermord“, „nie wieder Verfolgungen“ und für eine saubere, differenzierte geschichtliche Aufarbeitung, ohne Ausklammerung von unbequemen Abschnitten. Es geht um einen Protest gegen die Ausbeutung der Vergangenheit für verwerfliche Zwecke und gegen eine rassistische mythische Geschichtsschreibung.

Die starke Tabuisierung des Themas – vor allem in Deutschland – macht schon alleine die Schwächen der Vergangenheitsaufbereitung manifest. Eine Normalisierung des Umgangs mit den schrecklichen Ereignissen während der Nazi-Zeit wird gar nicht angestrebt, sondern, ganz im Gegenteil, gar als Verharmlosungsversuch bekämpft.

Ich traute meinen Ohren nicht, als ich an diesem Sonntag im ZDF den bekannten Philosophen Peter Sloterdijk hörte, wie er für die Aufrechterhaltung der Tabuisierung plädierte.

Dieser anachronistische anti-emanzipatorische Ansatz ist gefährlich für die Gesamtgesellschaft. Offen denkende Menschen werden dadurch zu Kriminellen gemacht und in eine rechtsradikale Ecke gedrängt.

Meine Grundthese ist, dass diese Tabuisierung und dieser Missbrauch, welcher mehrheitlich von der Führung der zionistischen Bewegung betrieben wurde – und wird, auch nicht im Interesse der Mehrzahl der Jüdinnen und Juden ist.

Es geht mir primär um eine Grundsatzkritik gegen Nationalismus im Allgemeinen. Denn das Beispiel Zionismus, wie ich in der Folge darzulegen versuchen werde, zeigt einmal mehr, dass die sogenannten nationalen Befreiungsbewegungen gar nicht im Interesse des `Volkes` sind, sondern lediglich bestimmten Gruppen Vorteile bringen.

So belegen zahlreiche Forschungen wie z.B jene der israelischen Historikerin Idith Zertal , dass die Errichtung eines Judenstaates absoluten Vorrang vor den Rettungsversuchen des bedrohten europäischen Judentums erhielt. Solche wurden mehrheitlich nur dann unternommen, wenn sie den nationalen Zielen nützlich waren, d.h., dafür instrumentalisiert wurden. War dies nicht der Fall, so scheute sich die Jewish-Agency-Führung – also die vorstaatliche Regierung sozusagen – nicht vor der Sabotage der Rettungsversuche und auch nicht vor der Zusammenarbeit mit den Nazis .

So schrieb 1962 der Rettungsaktivist und Forscher Shabtai Beit-Zvi an den damaligen Premierminister David Ben-Gurion:

„Der Zionismus führte einen Krieg gegen jeden jüdischen Menschen, der aus Europa flüchten wollte, um Asyl ausserhalb von Erez-Israel zu finden (…) Trotz ihres bösen Verhaltens gegenüber den europäischen Juden, zögerte die zionistische Bewegung, deren Katastrophe als unterstützendes Element für die eigenen Zwecke auszunützen, und plante öffentlich und offen, von der Situation nach dem Krieg zu profitieren… klare Beispiele dafür werden Sie in Ihren eigenen Reden finden. „

Das Image Israels als Zufluchtsort für verfolgte Juden entpuppt sich also als absoluter Mythos, und mehrere Beweise legen die Schlussfolgerung nahe: Hätte es den Zionismus nicht gegeben, so wären die Rettungschancen für sehr viele Juden während der NS-Zeit bedeutend größer gewesen.

Beim Analysieren des Missbrauchs der jüdischen Katastrophe können wir zwischen sozusagen zwei Ebenen unterscheiden: der politisch-ideologischen und der ökonomischen. Entsprechend können wir von einer „Holocaust-Religion“ und von einer Holocaust-Industrie reden.

Am Anfang dieser Religion standen zwei wichtige Grundsätze, die sehr pragmatisch umgesetzt wurden und eigentlich die Gründung der Holocaust-Industrie, d.h., die finanzielle Ausschlachtung des jüdischen Leidens unter den Nazis ermöglichten.

Der erste Grundsatz lautet „Die Negation der Diaspora“ und der zweite, wie es der damalige wichtigste zionistische Führer, David Ben-Gurion, benannte: „Katastrophe ist Macht“

„Die Negation der Diaspora“ ist ein zentrales zionistisches Anliegen. Das jüdische Dasein in Europa wurde als krank betrachtet. Die „Belege“ für diese Ansicht bilden die übelste Sorte verinnerlichter antijüdischer Vorstellungen. Sinnbild für diese „Krankheit“ ist für den Begründer des politischen Zionismus, Theodor Herzl, die Figur Mauschel, ein Archetypus des Ostjuden, der auch in die Nazizeitung `Der Stürmer` gepasst hätte . Es galt, diese „Krankheit“ durch Auswanderung nach Palästina zu überwinden. Hier trafen sich die zionistischen Ziele mit jenen der Nazis: Beide waren der Ansicht, natürlich aus unterschiedlichen Überlegungen, dass die jüdischen Menschen nichts in Europa zu suchen hätten. Auf diesem Hintergrund kam es kurz nach der NS-Machtergreifung 1933 zum bekannten Transfer-Abkommen zwischen dem Jewish-Agency-Direktorium – also der vorstaatlichen Regierung – und dem NS-Regime.

Die Nazis hatten Schwierigkeiten, die Juden und Jüdinnen loszuwerden, da sie ihnen unter anderem die Mitnahme von Devisen nicht erlauben wollten. Hier kam die Jewish Agency mit einem genialen Vorschlag zur Hilfe: Die jüdischen Menschen, die nach Palästina auswandern wollten, sollten mit ihrem Vermögen deutsche Waren kaufen. Diese Güter sollten nachher nach Palästina exportiert werden, um dort durch eine Firma der Jewish Agency (JA) in der ganzen Region verkauft zu werden. Aus dem Erlös sollten die AuswandererInnen ihren Anteil erhalten.

Im Rahmen dieses Transferdeals konnten die jüdischen Flüchtlinge nur einen Bruchteil ihrer Besitztümer retten. Sie wurden nicht nur von den Nazis beraubt, sondern auch noch von der Jewish Agency ausgenommen, die für die Abwicklung der Transaktionen fette Kommissionen einkassierte.

Das zionistische Interesse an dieser Abmachung galt primär der bitter nötigen Finanzspritze für den Aufbau des nationalen Projekts in Palästina. Durch dieses Geschäft mit den Nazis sprengte die JA-Führung die Boykottbemühungen gegenüber Deutschland, von denen – laut dem anerkannten jüdischen Forscher Edwin Black – die Nazis grosse Angst hatten.

Die Verhandlungen, die zum Transfer-Abkommen führten, können als Geburtsstunde der `Holocaust Industrie` betrachtet werden. Damals wurden die Prinzipien und Strukturen entwickelt, welche die spätere jüdische Reparations- und Restitutionskampagne prägen sollten. Diese Entwicklung erfolgte nicht zuletzt wegen der Teilnahme einiger Hauptakteure des Transfergeschäfts an den späteren Entschädigungsverfahren.

1938 stellten die Nazis fest, dass die Zahl der auswandernden Juden und Jüdinnen zu klein war und wollten diese „freiwillige“ Vertreibung beschleunigen. Die Aufnahmekapazität Palästinas war zu niedrig und wurde noch zusätzlich unter arabischem Druck vermindert. Es entstand dann das, was man unter dem Namen Rublee-Schacht-Plan kennt, welcher die Finanzierung der Auswanderung durch einen praktischen Freikauf der bedrohten Juden durch reiche jüdische Organisationen vorsah. Laut dem israelischen Forscher Shabtai Beth-Zvi wurden diese und ähnliche Bemühungen mehrheitlich durch die JA-Führung sabotiert. Denn diese sah eine grosse Bedrohung für das zionistische Vorhaben in Palästina, wenn alternative Auswanderungsorte zur Diskussion stünden.

Diese Linie kommt stark zum Ausdruck in einer Rede David Ben-Gurions vor der zionistischen Exekutive im Dezember 1938. Eine Rede, die als stark komprimierte Fassung eines Programms dienen kann: „Wenn die Juden vor der Wahl zwischen den Flüchtlingen, der Rettung von Juden aus Konzentrationslagern und der Unterstützung der nationalen Heimstätte in Palästina stehen, dann wird das Mitleid die Oberhand behalten, und die ganze Energie der Leute wird in die Rettung von Juden aus verschiedenen Ländern kanalisiert werden. Der Zionismus wird nicht nur in der öffentli-chen Meinung in der Welt und in Grossbritannien von der Tagesordnung gestrichen wer-den, sondern auch von der jüdischen öffentlichen Meinung anderswo. Wenn wir eine Trennung des Flüchtlings- vom Palästina-Problem zulassen, riskieren wir die Existenz des Zionismus .“

Deshalb sei es Aufgabe der zionistischen Delegation, unter Beteiligung von Golda Meir, gewesen, die Rettungsansätze an der Evian-Flüchtlingskonferenz von 1938 zu verhindern. Gestützt auf Dokumente stellt Beit-Tzvi – gegen die gängige Meinung – die Theorie in den Raum, es wäre damals ohne diese Sabotage möglich gewesen, eigentlich für alle bedrohte Juden Unterschlupf zu finden.

Kurz nach dem Kriegsausbruch im September 1939 begann der zionistische Funktionär Shalom Adler-Rudel sich um eine Restitutions-Kampagne zu kümmern. Die israelische Historikerin Nana Sagi meint, dass er am Anfang recht isoliert war bei seiner Bemühungen. In den USA begannen 1941 – gemäss der Historikerin – verschiedene jüdische Organisationen, Pläne bezüglich Kompensation zu entwerfen.

Ein wichtiger Meilenstein beim Aufbau der Holocaust-Industrie wird im Dezember 1942 gelegt, als der JA-Chef, David Ben-Gurion in einem Brief an den Delegierten in London, Berl Locker die Notwendigkeit beschreibt, konkrete Pläne zu schmieden , um die jüdischen Vermögen nach dem Krieg zu beanspruchen, um die Kolonisierung Palästinas, wie er schreibt, zu finanzieren. Anstatt mehr Energie in den dringend nötigen Rettungsbemühungen, kümmerte sich Ben-Gurion mehr um die „Gefahr“, dass Gelder für schlechte Zwecken, d.h., nicht für die nationalen Zielen verwendet werden.

Die späteren bekannten Pläne machen klar, dass die Jewish Agency sich als Erbin der jüdischen Gemeinde und der sogenannten erbenlosen Vermögen darstellen wollte. Wie die Praxis danach zeigt, wurden Privatbesitztümer ohne grosse Umstände als erbenlos beansprucht. Dabei bekam die JA die Unterstützung der Alliierten, denn in der Pariser Reparations-Konferenz 1945/46 wurde sie praktisch als Erbin der jüdischem Vermögen anerkannt.

1951 wurde die Dachorganisation, die Jewish Claims Conference, gegründet, um die Reparations- und Restitutions-Ansprüche gegenüber Westdeutschland zu erheben. Es standen wiederum nicht die privaten Ansprüche von Geschädigten im Vordergrund, sondern diese wurden vorgeschoben, um die grosse finanzielle Notwendigkeit des jungen israelischen Staates zu erfüllen.

Nach sehr zähflüssigen Verhandlungen wurde am 10. September 1952 das sog. Wiedergutmachungs-Abkommen unterzeichnet. Israel war der Hauptgewinner und die Westdeutschen konnten mit der Wiederaufrüstung beginnen, ohne befürchten zu müssen, dass ein grosser Widerstand von Israel kommen würde.

Mit diesen Geldern wurde nicht nur die ganze israelische Wirtschaft aufgebaut, sondern auch die massive militärische Aufrüstung ermöglicht. Es besteht praktisch kein Zweifel, dass ohne diese Gelder die israelische Aggressionen von 1956 bzw. 1967 nicht möglich gewesen wären.
Neben dieser Entwicklung der Holocaust-Industrie war die Entfaltung der „Holocaust-Religion“ viel langsamer. Die Jewish Agency-Führung sowie die affiliierten jüdischen Organisationen in den USA merkten sehr schnell, dass Präsident Roosevelt sowie das Aussenministerium grosses Interesse hat, die Meldungen über den Nazi-Judeozid zu zensurieren und zu verschweigen. Die mittlerweile berühmt-berüchtigte zionistische Lobby kollaborierte damals weitgehend mit dem anti-jüdischen State Departement, wie es die ausführlichen Recherchen von David Wyman belegen.
Erst gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, ab 1944, begann die langsame propagandistische Ausschlachtung der Katastrophe. Wie die israelische Historikerin Zertal zeigt, lag das Schwergewicht der zionistischen Aktivitäten nicht bei den Bedürfnissen der Überlebenden und auch nicht bei deren Einreise in Palästina. Die illegale Immigration sollte mehrheitlich als eine Demonstration gegen die britische Mandatsmacht eingesetzt werden, „…um [diese] zu vertreiben und einen jüdischen Staat zu errichten. „
Unter sehr gefährlichen Bedingungen wurden z.B. Schauaktionen der illegalen Immigration Überlebender inszeniert. Zahlenmässig waren die Resultate dieser Operationen unbedeutend. Auf dem legalem Weg, so lautet die Schlussfolgerung eines jüdischen Hilfswerkes, wäre die Zahl der EinwanderInnen grösser und der Transportpreis niedriger gewesen . Der propagandistische Wert dieser Aktionen war jedoch nicht zu übersehen: Da gab es Szenen, in denen britische Soldaten mit Gewalt gegen Überlebende einschritten. Dies erzeugte schlechte Presse für die Engländer und der internationale Druck auf sie wuchs.
Es wäre aber falsch zu behaupten, dass der UNO-Teilungsplan vom 1947 die Folge des schlechten Gewissens der Welt oder das Resultat eines geschickten zionistischen Propagandafeldzuges gewesen wäre. Die zwei neuen Supermächte, die UdSSR und die USA, unterstützten die Errichtung des israelischen Staates mehrheitlich aus machtpolitischen Erwägungen.
Aus moralischen Gründen kam es zwar zu den Kriegsverbrecher-Prozessen von Nürnberg. Die Ethik aber hatte dort ihre Grenzen, wo sie mit den Interessen der Siegermächte kollidierte. Und so fanden denn auch viele Naziverbrecher bald warmen Unterschlupf bei ihren ehemaligen Feinden – diesseits und jenseits des entstehenden Eisernen Vorhangs.
Die „Holocaust-Religion“ wurde erst 1961, mit dem Eichmann Prozess in Jerusalem, richtig lanciert. Der Schriftsteller Elie Wiesel gilt für den jüdischen Intellektuellen Marc Ellis als deren „Religionsstifter“. Ellis sieht das zentrale Moment der – wie er sie nennt – Holocaust-Theologie in den untrennbaren messianischen Zwillingen „Leiden und Erlösung“. Das Leiden ist die Judenvernichtung, die Erlösung der Staat Israel. Für Ellis hat die Verbindung zwischen der Holocaust-Theologie und dem Zionismus den Zweck, eine Legitimierung für den Staat Israel zu liefern.

Nachdem der Militärsieg 1967 Israel als Supermacht im Nahen Osten auswies, wurde das Land zu einem interessanten Partner für die USA, und damit stieg der Einfluss der jüdischen US-Lobby. So fanden auch die „“Holocaust-Religion““ und die „Holocaust-Industrie“ einen grossen Auftrieb und konnten sich so gegenseitig beeinflussen.

Die „“Holocaust-Religion““ hat also jüdisch-christliche Wurzeln. Sie weist zwar keinen klaren Gottesbegriff auf, hat ansonsten inzwischen sehr viele Merkmale einer institutionalisierten Kirche: das Dogma, die Rituale, die Heiligtümer und die Priester. Diese Entwicklung konstatierte der renommierte jüdische Historiker Arno Meyer in den 80er-Jahren: „Die Erinnerungen der Überlebenden sind mittlerweile zu Versatzstücken einer Liturgie für einen sich entwickelnden Kult des Gedenkens gemacht worden, der seine eigenen Zeremonien, Feiertage, Schreine, Monumente und Wallfahrtsorte hat. Der löbliche Zweck dieser Gedenkrituale besteht darin, sicherzustellen, dass weder die Juden noch die Nichtjuden das jüngste Kapitel der jüdischen Leidensgeschichte vergessen.“

Schon das Wort „Holocaust“ deutet auf eine religiöse Richtung hin, denn es bedeutet so viel wie „Brandopfer“. Soll die Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg demnach als Teil eines abstrusen Opferrituals begriffen werden, in dem die SS-Schergen als Priester dienten?

Als alternative Bezeichnung für die Judenvernichtung schlägt Arno Meyer den Ausdruck „Judeozid“ vor .

Im Verlauf der Jahre kristallisierten sich mehrere Gebote für diese Religion heraus. Hier einige davon:

„Du sollst nie vergessen, was Dir Amalek angetan hat!“

Es geht hier um einen der wichtigsten jüdischen religiösen und identitätsbildenden Grundsätze, dessen Wurzeln im Alten Testament zu finden sind, und der durch die vielen Jahre der Verfolgung noch mehr an Gewicht gewonnen hat. Der Stamm Amalek ist seit biblischen Zeiten der allgemeine Code-Name für alle Feinde der jüdischen Menschen, und hier geht es speziell um die Nazis und deren NachfolgerInnen.

Entsprechend diesem Gebot sollen die Leidensgeschichten ewig gesammelt und gepflegt werden.
Die Wiederholung bezweckt die Erzeugung und Aufrechterhaltung von Schuldgefühlen beim nichtjüdischen Publikum, welches als ewiger Amalek dargestellt wird.

Den säkularen jüdischen Menschen ausserhalb Israels wird durch die vermeintliche ewige Bedrohung durch die um sie herum lebenden Amalekiten eine pseudo-Identität verliehen, die sie an den zionistischen Staat als potentieller Zufluchtsort binden soll. Dies, obwohl der Judenstaat, wegen seiner aggressiven und kolonialistischen Politik, einer der unsichersten Plätze der Welt für Juden und JüdInnen ist. Und dies, obgleich diese angebliche Lebensversicherung mit dem Blut und dem Leiden der palästinensischen einheimischen Bevölkerung bezahlt wird.

In Israel selber soll die „“Holocaust-Religion““ Hass gegen die Nichtjuden, im Speziellen gegen die AraberInnen erzeugen. Angesichts der Gewalttaten zur Unterdrückung des palästinensischen Aufstandes, der ersten Intifada, rief der israelische Philosoph und Auschwitz-Überlebende, Yehuda Elkana, dazu auf, das „ewige Gedächtnis“ und die damit verbundene Hasserzeugung zu stoppen. Er schrieb 1988 in der Tageszeitung „Ha`aretz“: „Ich möchte normativ feststellen, dass alle Lebensphilosophien, die alleine oder hauptsächlich durch den Holocaust genährt werden, zu katastrophalen Folgen führen. […] der Vergangenheit darf es nicht erlaubt sein, vorherrschendes Element für die Bestimmung der Zukunft einer Gesellschaft und des Schicksals des Volkes zu sein. `Nie vergessen!` kann leicht als Aufruf zur Aufrechterhaltung ewigen und blinden Hasses verstanden werden.“

Als ein wichtiges unterstützendes Element steht das Gebot:

„Du sollst Dir kein Gleichnis machen“

Man darf den Judeozid also mit keinen anderen Völkermorden vergleichen. Mit diesem Gebot kommt der Wunsch zum Ausdruck, den Judeozid eigentlich aus der sachlichen geschichtswissenschaftlichen Betrachtung zu halten und in einer mythischen Sphäre zu platzieren.

Die vermeintliche Singularität der Judenvernichtung wird wie ein Mantra wiederholt und hervorgehoben. Die rassistische Charakter dieser Behauptung lässt sich aber nicht verstecken. Denn bedeutet sie nicht, dass das Leben eines Juden mehr wert ist als dasjenige eines Nichtjuden?

Meine Grosseltern, die aus München stammten, wurden in KL Mauthausen vergast. Ist ihr Tod gewichtiger als jener Ermordeter aus einer anderen Kultur?

Wie kann überhaupt garantiert werden, dass NS-Verbrechen nicht wieder stattfinden, wenn wir diese Möglichkeit zum vornherein durch das Vergleichsverbot eigentlich ausschliessen?

Eine Ausnahme für das Vergleichsverbot gilt jedoch für die Gleichsetzung der Nazis mit den modernen Feinden der Juden und Jüdinnen. Diese Feinde sind, ohne Rücksicht auf die geschichtlichen Gegebenheiten, unter der vorher erwähnten Bezeichnung Amalek zu verstehen. Deshalb fiel der Vergleich zwischen Saddam Hussein und Adolf Hitler auch so leicht und ohne grossen Protest in den westlichen Medien.

Besonders verpönt ist der Vergleich zwischen den Nazi-Verbrechen und dem Vorgehen der israelischen Armee. Damit wird offensichtlich gemeint, dass die jüdischen Menschen genetisch davor gefeit sind, NS-Praxis auszuüben. Ein anderes Argument lautet, dass es zwar zahlreiche Kriegsverbrechen gegenüber der palästinensischen Bevölkerung gebe, diese erreichten aber nicht die Dimensionen der Nazi-Verbrechen, denn die PalästinenserInnen würden ja nicht vergast.

Im Grunde liegt hier eine totale Unkenntnis der NS-anti-Juden-Politik vor, die laut sämtlichen Forschungen durch eine kontinuierliche Eskalation gekennzeichnet war. Die Ethnische Säuberung der jüdischen Menschen zielte von 1933 bis 1938 auf ihre `freiwillige` Auswanderung. 1938 bis 1941 wurde dann zur offenen Zwangsvertreibung übergegangen und erst 1941/42 wurde mit der systematischen Vernichtung begonnen. Nazi-Methoden sollen also nicht nur mit Vergasung und mit Auschwitz assoziiert werden, denn sie bezeichnen auch die Massnahmen, die zuvor verwendet wurden.

Was wir heute in Palästina beobachten können, ist zweifelsohne eine eskalierende ethnische Säuberung, in welcher der Übergang von einem sogenannten freiwilligen „Transfer“ zu einer blutigen Zwangsvertreibung immer offensichtlicher wird und als plausibelstes Szenario gilt.

Mit allen zugegebenen Unterschieden kann man heute die gefährlichen Tendenzen und Ambitionen der israelischen Militärjunta nicht mehr übersehen. Obwohl die Medien – wegen der „Holocaust-Religion“ – grössere Teile der Gräueltaten und der israelischen Realität verschweigen.

Shraga Elam

München, 6. November 2002

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