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Deutsches Solidaritätskomitee Freier Irak

26. Juli 2004

Ergebnisse der Gründungsversammlung am 17. Juli 2004 in Köln

Im Sinne des Anfang des Jahres lancierten Aufrufs „für ein Solidaritätsbündnis zur Verteidigung der nationalen Selbstbestimmung des Irak“ kamen am 17. Juli 2004 auf Einladung eines Vorbereitungskreises in Köln rund 30 Aktive der Friedens- und Solidaritätsbewegung zu einem Gründungstreffen zusammen. Die Teilnehmer kamen aus neun Städten: Berlin, Hamburg, Bremen, Duisburg, Köln, Bonn, Bochum, Frankfurt und München. Weitere Beteiligte aus Düsseldorf, Heidelberg und Nürnberg hatten sich entschuldigen lassen.

Im analytischen Teil des Treffens ging es um einen intensiven Informations- und Meinungsaustausch über die Besatzung und den Widerstand im Irak, d.h. über das, was in der Diskussion als die „zweite Phase“ des Irak-Krieges, einschließlich ihrer regionalen und weltpolitischen Implikationen, definiert wurden. Die Diskussion behandelte folgende vier Themenbereiche, die jeweils durch Referenten aus dem Gründerkreis eingeleitet wurden:

Irakischer Widerstand

Hierzu erläuterte Dr. Aziz Alkazaz, dass es sich bei aller Vielfalt der Formen des politischen und bewaffneten Widerstands und der an ihm beteiligten Gruppen um einen einheitlichen Widerstand der großen Mehrheit des irakischen Volkes handele. Dieser nehme an Einfluss zu, während die Kräfte der Zusammenarbeit mit der Besatzung an Boden verlören. Der bewaffnete Widerstand sei durch die irakische Regierung systematisch über Jahre hinweg vorbereitet worden und verfüge über ausreichende Bewaffnung und militärisch geschulte Kämpfer. Dieser militärische Widerstand könne im Durchschnitt bis zu 40 Operationen pro Tag durchführen. Eine zweite Form des militärischen Widerstands seien Sprengstoffanschläge, die von meist islamisch motivierten Märtyrern durchgeführt würden. Aber es gebe auch Terrorakte, die eindeutig nicht dem irakischen Widerstand zuzuschreiben seien und anderen politischen Zielen dienten. Der politische Widerstand reiche in seiner Vielfalt von einfacher Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Besatzern und öffentlicher Kritik über Boykott, Protestdemonstrationen und Streiks bis zum Aufbau eigener von der Besatzung unabhängiger lokaler Verwaltungs- und Sicherheitsstrukturen. Im Widerstand seien alle drei politischen Hauptströmungen vertreten, welche die Geschichte des modernen Irak schon immer bestimmt haben, nämlich die irakisch-arabischen nationalen Kräfte, darunter die Baath-Partei, ferner die islamischen Kräfte schiitischer und sunnitischer Richtung und schließlich sozialistische und andere fortschrittliche Kräfte, darunter Kommunisten, die in Opposition zur Führung der Irakischen Kommunistischen Partei stehen. Der Oberste Rat des irakischen Widerstands erfülle die Funktion eines koordinierenden Organs der Koalition der patriotischen Kräfte. Es gebe ein klares und verbindliches Programm, das den unverzüglichen Abzug der Invasoren bis zum letzten Soldaten vorsehe, jeglichen Kompromiss mit der Besatzungsmacht ausschließe und einen genauen Zeitplan für den Wiederaufbau demokratischer Staatsorgane eines befreiten Irak vorsehe.

Strategie der USA im Irak

Ergänzend wies Klaus von Raussendorff darauf hin, dass schon unter Clinton die Herbeiführung des Sturzes der irakischen Regierung zum außenpolitischen Ziel der USA erhoben wurde. Die Bush/Cheney-Regierung sei insofern darüber hinaus gegangen, als sie den Versuch unternommen habe, den eroberten Irak zur militärischen und politischen Hauptbasis und Drehscheibe für ein Programm der USA und Israels zur Neuordnung des „Größeren Mittleren Ostens“ zu machen. Dieser reiche nach Washingtoner Vorstellungen von Marokko bis zur chinesischen Grenze. Im Interesse der Ölkonzerne der USA und Großbritanniens sei der Krieg nicht einfach zur „Sicherung der Ölversorgung“ geführt worden, sondern um Russland, Frankreich, China und viele andere Staaten daran zu hindern, ihre mit dem Irak geschlossenen Erdölabkommen produktiv zu machen. Die mit der Öl- und Rüstungsindustrie eng verbundene politische Gruppe, die mit Bush in die wichtigsten Regierungsämter gelangt sei, gehe von einer Identität der Interessen der USA und Israels aus. Doch die geopolitischen Strategien beider Länder seien nicht identisch. Aus dieser Diskrepanz resultierten gravierende Widersprüche der Besatzungsstrategie, die mit dazu geführt hätten, einen unversöhnlichen Hass in der irakischen Bevölkerung zu provozieren und den Widerstand unumkehrbar zu machen.

US-Basen in der Region; Politik der USA und Israels gegenüber Iran und Syrien

Zur Bedeutung der Militärpräsenz der USA im Irak skizzierte Dimitri Tsalos das weltweite Netz der US-Stützpunkte, das aus rund 720 US-Basen bestehe. Schon der Krieg gegen Jugoslawien habe zum Ziel gehabt, mit Camp Bondsteel im Kosovo die größte Militärbastion seit dem Vietnamkrieg zu errichten. Ein wesentliches strategisches Ziel des Stützpunktnetzes sei – neben der Absicherung der weltweiten militärischen Vorherrschaft – die Kontrolle über Ölfelder und vor allem auch über die Transportwege von Öl und Gas. Es zeichne sich darüber hinaus deutlich ab, dass der Aufbau weiterer US-Basen am Golf als Drohkulisse und Invasionsplattform gegen den Iran gedacht ist. Auch gegen Syrien sei eine bedrohliche Kampagne angelaufen. Washington habe mit dem Syria Accountability Act vom 1. Mai 2004 und den Sanktionen vom 11. Mai 2004 eine Politik gegen Syrien eingeleitet, die sehr an das Vorgehen gegen den Irak erinnere. Washington verlange von Syrien die Einstellung der Unterstützung von Hizbollah und Hamas, den Rückzug aus dem Libanon, den Verzicht auf Raketen selbst kurzer Reichweite und den Verzicht auf angebliche Programme für biologische und chemische Waffen und entsprechende Kontrollen. Auch Saudi Arabien werde von Washington zunehmend unter Druck gesetzt. Gegen den Iran strebe Washington UN-Sanktionen an. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass Washington die Umgestaltung der Region schon eingeleitet habe, ohne dass der Irak bereits „stabilisiert“ sei – auf der anderen Seite verhindere der irakische Widerstand derzeit die Eröffnung neuer Kriegsschauplätze.

Rolle Deutschlands

Claus Schreer hob hervor, dass für Deutschland die entscheidende „Zäsur“ (Schröder) die führende deutsche Beteiligung am Krieg gegen Jugoslawien gewesen sei. Damit habe sich Deutschland von einer Politik verabschiedet, die bis dahin auf einem weitgehend akzeptierten Konsens beruhte: „Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen“. Die im Irak-Krieg von der Bundesregierung behauptete Kriegsgegnerschaft war keine Rückkehr zu einer weniger militaristischen Außenpolitik. Die Öffentlichkeit wurde durch die Kritik an Washington getäuscht. Die deutsche Zurückhaltung hatte keinerlei grundsätzlich friedenspolitische Motive. Dass keine deutschen Kampftruppen in den Irak geschickt wurden, war nicht auf die kriegsfeindliche Stimmungen in der Bevölkerung zurückzuführen. Die Friedensbewegung sollte sich keinen Illusionen über ihren Einfluss auf die Bundesregierung hingeben. Entscheidend war, dass eine Kontrolle der USA über den Irak nicht im „deutschen“ Interesse lag, und dass die USA ihren europäischen „Verbündeten“ keinerlei wirkliche Mitsprache einzuräumen bereit waren. Dessen ungeachtet, unterwarfen sich jedoch die führenden Politiker und Medien in Deutschland den Plänen der USA und machten Deutschland zur logistischen Drehscheibe sowohl der US-Invasion im Irak wie der anschließenden Besatzungspolitik. Die Bundeswehreinsätze auf dem Balkan und – im „Krieg gegen den Terrorismus“ – in Afghanistan sowie in Kuwait und am Horn von Afrika, die durchaus eigene militaristische Interessen verfolgten, wirkten für das Vorgehen der USA entlastend und unterstützend, nicht zuletzt an der Propagandafront. Für den Aufbau irakischer Sicherheitshilfskräften der Besatzung wurde deutsche Hilfe angeboten. Die Bundesregierung enthielt sich nicht nur jeder grundsätzlichen Verurteilung des völkerrechtswidrigen Vorgehens der USA. Mit der deutschen Zustimmung zur Sicherheitsratsresolution 1546 billigte sie auch im Nachhinein den Angriffskrieg und legitimierte die Gräueltaten der Besatzung. So ist Deutschland zum Komplizen der Verbrechen am irakischen Volk gemacht worden.

Die Teilnehmer des Treffens beschlossen als nächste Aktivitäten:

 Beteiligung am Internationalen Aktionstag am 25. September 2004 aus Anlass des 4. Jahrestags der Intifada. Mobilisierung für die Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen gegen „Krieg und Besatzung“ in sechs größeren deutschen Städten (Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, München und Stuttgart), zu denen der Koordinationskreis „Stoppt die Mauer in Palästina“ und weitere Organisationen sowie die entsprechenden regionalen Koordinationsgremien aufrufen werden.
 Unterstützung der Bewegung für ein internationales Tribunal über den Irak-Krieg, Beteiligung am nächsten deutschen Hearing
 Planung einer Irak-Konferenz für Ende des Jahres/Anfang nächsten Jahres

Ferner wurden Vorschläge für eine verstärkte Aufklärungsarbeit über die Legitimität des irakischen Widerstands sowohl mittels der Medien wie auch innerhalb der Friedensbewegung und der Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung erörtert. Dabei wurde besonders die Bedeutung der Mitarbeit in örtlichen Aktionsbündnissen hervorgehoben.

Die Teilnehmer einigten sich nach gründlicher Diskussion über mehrere Varianten auf den Namen „Deutsches Solidaritätskomitee Freier Irak“

Es wurde in Aussicht genommen, eine politische Erklärung des Komitees zu erarbeiten. Hierzu sollen Aziz Alkazaz, Klaus von Raussendorff und Dimitri Tsalos, die auch als Koordinationskreis fungieren, einen Entwurf erarbeiten.

Als vorläufiger Termin für das nächste Treffen wurde Samstag, der 2. Oktober 2004, vereinbart, allerdings mit der Maßgabe, dass dieses auch im Zusammenhang mit dem nächsten deutschen Hearing der internationalen Irak-Tribunal-Bewegung durchgeführt werden könnte.

Wer sich am „Deutschen Solidaritätskomitee Freier Irak“ beteiligen möchte, wird gebeten, den Aufruf „Free Iraq – Für ein Solidaritätsbündnis zur Verteidigung der nationalen Selbstbestimmung des Irak!“ (siehe www.freeiraq.de) per Email an: info@freeiraq.de zu unterschreiben.

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