von Hanan No-Shi
Die Demonstration in Ar-Ram war interessant und erfolgreich insofern, als dass niemand verletzt wurde. Die ganze Zeit über war alles friedlich, wir wurden aus der Ferne aber stets von Soldaten und der border police beobachtet. Es gab Reden auf Arabisch und Hebräisch und einen Umzug, der unter anderem von uns, sowie den israelischen Gruppen Gush Shalom und Taayusch begleitet wurden, genauso wie von vielen Kamerateams. Am Ende fingen dann die Kinder an, Steine zu werfen über die Mauer in Richtung Soldaten, die dann auch prompt mit 2 Jeeps heranrauschten und immer wieder sound bombs warfen, auf und ab fuhren, wieder beworfen wurden, wieder heraussprangen und sound bombs warfen… Das ging ca. 15 Minuten so, dann war alles vorbei.
Ich fuhr dann mit dem Bus zum großen Huwara-Checkpoint vor Nablus. Auf der Fahrt wurden wir einmal mitten auf der Strasse vom Militär angehalten, 2 aggressive Soldaten stiegen ein und verlangten alle ID-cards der reisenden Palästinenser. Ich zeigte Ihnen meinen Pass und eine Karte, die ich von der Deutschen Botschaft bekommen habe und auf der einiges Wichtiges auf Hebräisch und Englisch draufsteht… Die hat sie so beeinduckt, das sie nicht einmal meinen Pass anschauten… Die anderen Pässe untersuchten sie dann draussen geschlagene 20 Minuten und dann musste einer der Reisenden sie abholen und wieder verteilen.
Am Checkpoint wartete ich dann auf das Privattaxi, welches mich ein Stück fahren sollte in Richtung Nablus, da ich nicht durch den Checkpoint gekommen wäre. Ausländer sind hier nicht erwünscht – von Seiten der Israelis. Wir fuhren dann ca. 8 Minuten durch traumhaft schöne Landschaft, sanfte Hügel, Olivenbäume, braune Erde bestimmten das Bild. Irgendwo hielt er dann an und hiess mich auszusteigen und einen Berg hochlaufen, Ausschau halten nach Jeeps des Militärs…Ich lief also mit Sack und Pack über Geröll und kleine Büsche, irgendwann sah ich unter mir auf der Strasse einen Jeep kommen und duckte mich hinter einen Busch…Bald sah ich oben dann auch schon den nächsten Fahrer auf mich warten, er hatte seinen Wagen außer Sichtweite geparkt und half mir mit meinem Gepäck. Er sollte mich eigentlich dann bis Nablus rein fahren, doch nach ca. 10 Minuten bekamen wir von einem anderen Taxifahrer auf der Strecke den Hinweis, dass Militär in der Gegend sei… Ständig überallhin Ausschau haltend fuhren wir durch kleine Dörfer – schön!! – und dann durch offeneres Gelände. Wir fuhren an einem Berghang entlang, linkerhand ein weites Tal und auf dessen anderen Seite wieder ein Berghang. Durch dieses Tal müssen die Bewohner von Nablus 1,5 Stunden gehen, wenn sie nicht durch den Checkpoint nach draußen dürfen. Dies trifft momentan für alle Männer zwischen 16 und 36 zu. Diese sind praktisch Gefangene ihrer Stadt und schleichen sich so aus der Stadt, ständig auf der Hut. Mein Fahrer bemerkte dann plötztlich auf dem anderen Berg Militär und ich musste wieder aussteigen. Ein anderer junger Mann nahm mich praktisch dort mitten in der Pampa in Empfang und es ging nun zu Fuss weiter durch das Tal und den anderen Hügel hoch. Wäre fast wie ein schöner Wanderurlaub gewesen, wäre nicht manchmal diese Spannung in der Luft. Ich konnte mich gut auf Arabisch mit ihm unterhalten, wir haben uns gut verstanden. Dann hörte er plötzlich etwas von oben und wir kauerten uns hinter ein paar Felsen, die glücklicherweise in der Nähe standen. Tatsächlich kam nach 2 Minuten ein Militärfahrzeug und fuhr in ca. 100 Meter Entfernung langsam auf und ab. Wir verhielten uns superleise und versteckten uns. Hätten sie uns gesehen, wäre es für den jungen Kerl übel geworden, ich wäre wahrscheinlich zum Checkpoint zurückgebracht oder aber ausgewiesen worden. Ich entschuldigte mich tausendmal mit blumigen arabischen Worten für die Situation, aber er nahm das nicht besonders tragisch. Wir beobachteten den Jeep und klebten uns an die Felsen, nach ca. 12 Minuten war der Spuk vorbei. Wir gingen dann weiter nach oben, die Augen überall gleichzeitig und nach 15 Minuten erwartete uns oben der nächste Fahrer. Das Kommunikationssystem dieser Leute ist echt beeindruckend. Er fuhr uns dann endgültig nach Nablus rein und ich traf dann im benachbarten Balata-Flüchtlingslager die Gruppe.
Kaum angekommen hiess es dann auch schon wieder los, es seien Soldaten am Friedhof, sie hätten einen kleinen Jungen mitgenommen. Das ist hier übliche Praxis, er wird im Jeep eine Weile übel terrorisiert und eingschüchtert und dann wieder freigelassen. Üblicherweiset versuchen ISM-Leute dann mit den Soldaten zu verhandeln, den Jungen schnell freizulassen. Dieses Mal war er aber schon wieder frei.
Ich verbrachte dann die erste Nacht in einem Haus, welches das Schicksal hat, an einem für die Israelis strategischen sehr günstigen Platz zu stehen. Das bedeutet, dass sie des öfteren mitten in der Nacht zu acht in das Haus eindringen, um dann vom oberen Stockwerk ihrer Arbeit als Scharfschützen nachzugehen, die Gegend observieren und auf wanted persons oder andere warten. Oft schiessen sie auch einfach nur ständig in die Luft, um die Umgebung zu traumatisieren und vom Schlaf abzuhalten. (Ist natürlich eine klasse Methode, um die Sicherheit des Staates Israel zu gewährleisten und die Bürger zu schützen…wie so viele ihrer Ideen…) Um die Bewohner zu schützen und vor weiterer Traumatisierung zu bewahren, und um die Soldaten um Menschlichkeit anzuhalten, schlafen fast jede Leute von ISM in dem Haus. Die letzte Nacht war ruhig, keiner kam.
Jetzt steht hier gleich ein Gruppen internes meeting an, ich glaube es gibt etwas Störungen innerhalb der Gruppe. Manche von ihnen wirken total burned out auf mich, paranoid und unter Hochanspannung, was ich verstehen kann, was aber eigentlich nach einer Auszeit ruft.
Ich sende Euch allen liebe Grüsse
Bis bald
Hanan