einer der Organisatoren des verbotenen „Islamistenkongresses“ in Berlin vom 1.-3. Oktober
Zur Vertretung/Verteidigung von Fadi Madi, einer der Organisatoren des verbotenen „Islamistenkongresses“ in Berlin vom 1. – 3. Oktober
Der libanesische Staatsangehörige Fadi Madi, hat mich damit beauftragt, gegen seine Einreiseverweigerung und Ausweisung durch die Berliner Behörden vom 18. September gerichtlich vorzugehen. Mit Schreiben vom 24.9.04 habe ich daher Widerspruch erhoben bzw. Klage angekündigt und mich gleichzeitig in dem vom Generalbundesanwalt gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach …§129 a /b StGB zum Verteidiger bestellt und jeweils Akteneinsicht beantragt.
Der Ausweisungsbescheid des Landeseinwohneramtes Berlin wird auf …§ 47 Abs 2 Nr 4 in Verbindung mit …§ 8 Abs.1 Nr. 5 AuslG gestützt und behauptet, Tatsachen belegten, dass Herr Madi eine Vereinigung unterstütze, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstütze. In einem von ihm zu verantwortenden Aufruf zu einem „ersten arabischen islamischen Kongress in Europa“ werde „Zur Unterstützung der ´Widerstandsbewegung´ in Palästina und Irak aufgerufen und werden Menschen angesprochen, die sich `intensiv an… den Aktivitäten der weltweiten Widerstandsbewegung gegen das amerikanische und zionistische Nazitum beteiligen wollen… Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich … dass zur Unterstützung aller mit Gewalt gegen die israelischen und amerikanischen Besatzer in Israel und Palästina aufgerufen wird. Es ist allgemein bekannt, dass diese – etwa Hamas, Ansar-al-Islam – terroristische Mittel (Bombenanschläge, Geiselnahmen mit Hinrichtungen etc) anwenden. Vor diesem Hintergrund wurde gegen Sie ein Strafverfahren wegen des Werbens um Mitglieder und Unterstützer ausländischer terroristischer Vereinigungen nach …§…§ 129 a Abs.5, 129b StGB eingeleitet.“
Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung der Ausweisung im öffentlichen Interesse angeordnet: Gegenüber dem persönlichen Interesse an der Einreise bestehe angesichts des geplanten Kongresse, „der … den aus Ihrer Sicht legitimen Widerstand in Israel und Irak unterstützen soll, … ein größeres Interesse an Ihrer sofortigen Fernhaltung vom Bundesgebiet“.
Hierzu ist festzustellen:
1. Die Voraussetzungen einer Ausweisung sind offensichtlich nicht erfüllt. Verlangt dies doch nach allgemeiner Ansicht, dass die Tatsachen belegen müssen, dass der Ausländer aktiv und mit Absicht die Vereinigung insbesondere finanziell oder logistisch unterstützt. Blosse Sympathiekundgebungen reichen ebenso wenig wie etwa eine allgemeine finanzielle Unterstützung für Dachvereinigungen. Derartiges wird nicht behauptet und ist auch nicht erkennbar.
Es ist noch nicht einmal eindeutig erklärt, welche Vereinigung er unterstützt haben soll. Hierbei ist zu beachten, dass eine „Vereinigung des internationalen Terrorismus“ i.S. des AuslG nicht etwa jede Organisation sein kann, die in ihrer Heimat mit „terroristischen Mitteln“ agiert bzw. ihre heimischen Machthaber durch Tätigkeiten in Deutschland angreifen will.
Darüber erfordert der Gesichtspunkt der Gefahrenvorsorge spezifische Anwendungskriterien, die eine erhebliche Eingriffsschwelle aufbauen. Die Möglichkeit der Verdachtsausweisung besteht nach geltendem Recht nicht und begegnet ohnehin erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Selbst das Bundesverwaltungsgericht verlangt eine nicht unerhebliche Gefahr für die innere oder äußere Sicherheit der BRD.
Worin die bestehen soll, bleibt Geheimnis der Ausländerbehörde, zumal noch wenige Tage vorher gemeldet wurde, dass „Verfassungsschutzexperten des Berliner Innensenators Körting (SPD) müde abwinken, wenn es um eine reale Bedrohung durch die Veranstaltung oder ihre Teilnehmer für die Hauptstadt geht“ (so SPIEGEL online 15.9.)
2. Genauso unbegründet erscheint die Einleitung des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Unterstützung einer ausländischen „terroristischen Vereinigung“ durch den genannten Aufruf. Spricht dieser doch vom legitimen Widerstand gegen die völkerrechtswidrige Besatzung und enthält keine Bejahung von Selbstmordattentaten gegen Zivilisten o.ä.
Die Kriminalisierung eines derartigen Aufrufs durch den Generalbundesanwalt erinnert fatal an die „Terroristenverfolgung“ durch seinen Vorgänger, als sogar Strafen wegen Unterstützung für das Aussprechen von humanen Haftbedingungen verhängt wurden, wobei das begleitende strafprozessuale und vereinsrechtliche Instrumentarium ganz erheblich ausgebaut wurde: flächendeckende Telefon-Überwachung und Observation, Fahndung, Razzien und Durchsuchungen, präventive Vereinsverbote usw.
3. Das Vorgehen gegen Herrn Madi ist verfassungsrechtlich bedenklich und verstößt nach den mir bisher vorliegenden Unterlagen eindeutig gegen die Meinungsfreiheit des Artikel 5 Abs.1 Grundgesetz und das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs.3.Das wird besonders deutlich, wenn bedacht wird, dass selbst bekannte jüdische Intellektuelle wie Noam Chomsky Scharon als „Erzterroristen“ und Israels Krieg gegen den Libanon als „Lehrbeispiel des internationalen Terorrismus“ (Hybris, 2003), die USA als „führenden terroristischen Staat“ bezeichnen, die bekannte Rechtsanwältin Felicitas Langer ihr Verständnis für palästinensische Selbstmordattentate öffentlich verkündet, und UN-Generalsekretär Annan kürzlich den Irak-Krieg noch als Verstoß gegen die UN-Charta und „illegal“ benannte. Auch wenn letzterer daraus nicht die Konsequenz zog, die für den Widerstand der Palästinenser in zahlreichen UN-Resolutionen festgeschrieben wurde: Die Legitimität von Handlungen, die das von der UN Charta verbriefte Recht auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit für Völker (verwirklichen wollen),die dieses Rechts gewaltsam beraubt sind … insbesondere unter kolonialistischer und rassistischer Herrschaft und ausländischer Besatzung…“ vom Dezember 87, einem Höhepunkt des offiziell anerkannten internationalen Terrorismus (angenommen gegen die Stimmen der USA und Israels). Das internationale Völkerrecht muß dementsprechend auch den gewaltsamen Widerstand gegen die Besatzung im Irak als legitim anerkennen, solange er sich nicht gegen unbeteiligte Zivilisten richtet.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Vorgehen gegen den Aufruf zum Berliner Kongreß als gravierende politische Zensur- und Unterdrückungsmaßnahme und Diskriminierung eines vorgeblichen „islamistischen“ Feindes unter dem Mantel der „Terroristenbekämpfung“, das gegen Grund- und Freiheitsrechte verstößt. Sie kann nicht hingenommen werden, unabhängig vom eigenen Standpunkt zu den Inhalten von Aufruf und geplantem Kongreß. Namens meines Mandanten rufe ich daher alle potentiell betroffenen Organisationen und Vereine, Bürger- und Menschenrechtsvereinigungen und Einzelpersonen auf, unsere Bemühungen um Rücknahme der Verwaltungsakte, Einstellung der Verfahren und Rehabilitierung zu unterstützen. .
Eberhard Schultz