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Bedrohung Europas durch den Beitritt der Türkei?

24. Oktober 2004

Über die Allianz zwischen der türkischen Oligarchie, der USA und Europa

Die jüngste Entscheidung der Europäischen Union Verhandlungen über einen möglichen Beitritt der Türkei aufzunehmen erzeugte eine Welle chauvinistischer Reaktionen. Sie reihen sich ein in die Idee des „Kampfes der Kulturen“, wonach mehrheitlich islamische Gesellschaften als zugleich unterentwickelt und gefährlich gelten und damit bekämpft werden müssen.

Wir weisen diese billige chauvinistische Mobilisierung entschieden zurück, die letztendlich die Erweiterung der Union nicht bekämpfen will, sondern nur dazu dient, den Status der ost-, und südeuropäischen Völker, die in die EU integriert werden, zu degradieren.

Im Gegenteil sind wir uns bewusst, dass das imperialistische kapitalistische System Millionen Türken dazu gezwungen hat, nach Europa auszuwandern. Schon jetzt sind sie nicht nur ein integraler Bestandteil der vorhandenen Arbeitskraft, sondern der europäischen Gesellschaft als Ganzes. Wir treten daher nicht nur für gleiche Bürgerrechte und Arbeitsrechte ein, sondern auch für ihre Anerkennung als eine konstituierende Nation Europas.

Unsere Gründe den EU-Beitritt der Türkei abzulehnen sind andere:

1) Wir sind gegen das gesamte Projekt der Europäischen Union, als eines der Hauptinstrumente der europäischen Bourgeoisien ihre liberalistische Politik gegen die Interessen der Volksmassen durchzusetzen. Wir kämpfen für den Austritt aus der EU mit dem Ziel sie als Gesamtes zu zerstören. Daher ist die Ablehnung jeglicher neuer Mitglieder nur die logische Konsequenz daraus.

2) Besonders in Osteuropa und dem Balkan nimmt die Erweiterung der EU einen neokolonialen Charakter an. Während die betreffenden Volkswirtschaften zugrunde gerichtet werden, können die besten abfallenden Stücke von multinationalen Konzernen geschluckt werden. Wer immer auch Widerstand leistet, wird mit allen Mitteln bekämpft. Das herausragendste Beispiel hierfür war der Krieg gegen Jugoslawien, das sich nicht nur den geopolitischen Interessen des Westens entgegengestellt hatte, sondern sich auch dagegen gewehrt hatte die liberalistischen Diktate des IWF&Co zu implementieren. Aber es gibt auch andere lehrreiche Beispiele wie die Slowakei unter Meciar, der eine kritische Position sowohl der NATO als auch der EU gegenüber hatte und deshalb beinahe mit Sanktionen bestraft worden wäre, oder Weißrussland unter Lukashenko heute oder Moldawien.

3) Die geplante Aufnahme der Türkei hilft in keiner Weise den strategischen Griff, den die USA über das Land haben, zu lockern. Im Gegenteil sind die USA eine wesentliche Triebkraft für einen Beitritt. Washington würde die Türkei mit ihrem starken US-amerikanisch geführten Militär gerne als Hebel innerhalb der EU benutzen. Auf diesem Weg wollen sie nicht nur sicherstellen, dass die EU innerhalb des amerikanischen globalen Systems bleibt, sondern sie auch näher an ihre aggressive Haltung im Nahen Osten bringen.

Nichtsdestotrotz befürwortet die historische Linke den Beitritt der Türkei im Namen des Multikulturalismus in Europa und der Demokratie in der Türkei. Wieder und wieder beweisen sie, dass sie sich in eine Hilfskraft für den amerikanischen liberalistischen kapitalistischen Mainstream transformiert haben.

Auch in der Türkei hat die historische Linke sowie die kurdische Nationalbewegung einen pro-EU Standpunkt angenommen. Sie hoffen Brüssel gleichzeitig als ein Mittel gegen den Einfluß der Militäroligarchie und gegen das, was sie als islamistische Gefahr verstehen, verwenden zu können.

Die erwarteten demokratischen Veränderungen werden jedoch nur kosmetischer Natur sein:

Die versprochenen Reformen bezüglich der kurdischen Frage werden nicht die strategischen Interessen des Militärs, die volle Kontrolle über Kurdistan zu behalten, wie es die Politik nicht nur der USA sondern auch Deutschlands seit dem Beginn des kurdischen Aufstands in den 80ern gewesen war, berühren. In mehreren anderen Orten Europas, wie im Baskenland, bewies die EU bereits ihre Unterstützung für brutale Repression und die Ablehnung des Rechtes auf nationale Selbstbestimmung.

Ähnlich sieht es mit der andauernden Repression gegen die verbliebene revolutionäre Bewegung mit tausenden gefolterten politischen Gefangenen aus. Brüssel hat Ankara bereits die Absolution erteilt, indem erklärt wurde, dass es keinen systematischen Bruch grundlegender Bürgerrechte in der Türkei gebe.

Bezüglich dem geheiligten säkularen Charakter des Staates scheint es eine Querfront zu geben, die vom berüchtigten Nationalen Sicherheitsrat (MGK) über EU-Befürworter aller Lager bis zur historische Linken reicht – während die Volksmassen mehr und mehr darauf hoffen, dass ihre sozialen und politischen Rechte von Teilen der islamischen Strömung verteidigt werden.

Ein besonderes Beispiel sind die Gesetze á la Frankreich, die vor einigen Jahren eingeführt worden waren, und das Kopftuch in öffentlichen Ämtern und Universitäten verbieten. Bereits in Frankreich müssen diese reaktionären und antidemokratischen Gesetze, die eine unterdrückte Minderheit, die es wagt vom Mainstream abzuweichen, ausschließen, bekämpft werden. In einer mehrheitlich islamischen Gesellschaft sind sie noch schlimmer, da sie die exklusiven Privilegien einer oligarchischen, säkularen kapitalistischen Elite zementieren.

Letzten Endes geht es um die Interessen dieser Elite, um die sich die EU bemüht. Die sozialen und demokratischen Rechte der Volksmassen kümmern sie reichlich wenig.

Antiimperialistische Koordination

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