aus junge Welt, 26.11.2004
Kommentar von Werner Pirker
Syrien will mit Israel verhandeln
In einer Zeit verstärkter diplomatischer Aktivitäten Washingtons und Brüssels in Nahost hat die syrische Führung ihre Bereitschaft bekundet, mit Israel ohne Vorbedingungen in Verhandlungen einzutreten. Als Vermittler hat Präsident Bashar al Assad den UNO-Beauftragten für den Nahen Osten, Terje Roed Larsson, ins Spiel gebracht. Das hatte eine barsche Ablehnung aus Jerusalem zur Folge. Israel nehme das Angebot nicht ernst, hieß es, da es „nicht von den wirklichen Vermittlern übermittelt wurde, also dem US-Außenministerium oder dem Weißen Haus“. Deutlicher könnten die UNO und ihr Beauftragter wohl kaum noch brüskiert werden. Die israelische Führung spricht der Weltorganisation schlichtweg die Kompetenz zu Friedensvermittlungen ab und erklärt Washington zur einzigen für das Nahost-Geschehen zuständigen „internationalen Instanz“. Daran ändert auch nichts, daß Ariel Scharon danach Präsident Moshe Katzav, der sich schon seit längerem für einen israelisch-syrischen Ausgleich einsetzt, zu Wort kommen ließ. Dessen Kommentar zur Friedensavance aus Damaskus hörte sich dann wesentlich freundlicher an.
Syrien befindet sich mit Israel de jure immer noch im Krieg. Ein Friedensvertrag scheiterte an der kategorischen Weigerung der Israelis, sich aus den 1967 widerrechtlich besetzten Golan-Höhen zurückzuziehen. Scharon lehnt es sogar ab, die strategischen Höhen, die freie Sicht auf das Jordantal bieten, überhaupt zum Gegenstand von Friedensverhandlungen zu machen. Selbst damit scheint sich das syrische Baath-Regime inzwischen abgefunden zu haben. Von den USA in der Liste der „Schurkenstaaten“ an vorderer Stelle geführt, steht Syrien schwer unter Druck, weshalb seine Friedenssignale weniger Israel als die USA zum Adressaten haben. Unter Druck stehen aber auch die US-Interventen. Je erfolgloser sich ihre Bemühungen um die Unterwerfung des Irak gestalten, desto mehr liegt ihnen an einer generellen Bewältigung der Nahost-Krise, um den zunehmenden Antiamerikanismus in der Region zu besänftigen. Gleichzeitig sind sie auf die israelische Komplizenschaft mehr denn je angewiesen.
Eine Entlastung erhofft sich die Aggressionsgemeinschaft in der Veränderung der politischen Situation in den von Israel besetzten Gebieten nach dem Tod Arafats. Vor allem dem scheidenden US-Außenminister Colin Powell ist das Bemühen anzumerken, noch Grundlagen für eine dauerhafte „Pax Americana“ zu legen. Die Post-Arafatisten in der Al Fatah scheinen dafür das geeignete Personal abzugeben. Doch warum sollte die palästinensische Gesellschaft ausgerechnet unter dem Eindruck des erfolgreichen irakischen Widerstandes für die Kapitulation votieren?