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Strafprozess gegen Palästinenser in Deutschland

10. Dezember 2004

Der Fall von Mohamed Abu Dhess

Die Versuche den palästinensischen Widerstand, der sich außerhalb Palästinas zu artikulieren versucht, zu kriminalisieren, lässt sich an einem aktuellen Beispiel in Deutschland beobachten. Dort stehen zur Zeit in Düsseldorf mehrere Palästinenser vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts unter der Anklage, eine terroristische Vereinigung gegründet und Anschläge auf israelische Einrichtungen in Deutschland geplant zu haben.

Der angebliche „Deutschland-Chef“ von Al-Thawid, so der Name der angeblichen Vereinigung, sitzt seit dem Frühjahr 2002 in strenger Isolationshaft, erst im durch die RAF-Zeit in den 70er Jahren bekannt gewordenen Gefängnis Stuttgart-Stammheim und seit der Prozess 2004 begann, nunmehr in Köln, von wo aus er an jedem Prozesstag unter extremen Sicherheitsvorkehrungen nach Düsseldorf gebracht wird.

Für „solche“ Prozesse wurde in der rheinischen Stadt, sonst eher durch Karneval oder Untreueprozesse gegen Großkapitalisten berüchtigt, extra für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in Euro ein Prozessbunker erbaut: Hubschrauberlandeplatz für „gefährliche“ terroristische Angeklagte und Fußwaschbecken für muslimische Prozessbesucher inklusive.

Als ein Genosse vor einigen Monaten den Prozess besuchte, wurde er umgehend vom Gericht mit Ordnungsgeld und Rausschmiss bedroht, denn er hatte ein T-Shirt mit der Aufschrift „Fuck USA“ angezogen. Der Vorgang wurde umgehend in das Gerichtsprotokoll aufgenommen.

Mohamed ist staatenloser Palästinenser, wobei ihm die Bundesrepublik Deutschland vorhält in Wahrheit in Jordanien geboren worden zu sein, weshalb ihm vor Kurzem vorsorglich angedroht wurde, er würde nach Prozessende nach Jordanien deportiert werden. Die Europäische Union setzte Mohamed 2003 zudem auf eine „Anti-Terror-Liste“, so dass es seit dem verboten ist, ihm Geld zukommen zu lassen. Wer hiergegen verstößt, kann strafrechtlich belangt werden.

Als ich ihm (über Freunde, denn ich sitze selbst in Haft) vor einiger Zeit 20 Euro sowie vier Briefmarken schicken ließ, wurden vom Oberlandesgericht das Geld sowie die Postwertzeichen an mich zurück gesandt. Für die an der juristischen Natur Interessierten: Grundlage ist die Verordnung (EG) Nr. 1724/2003 der EU-Kommission vom 29.9.2003 in deren Anhang Mohamed steht, in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates der EU vom 27.5. 2002.

Als ich 2002 selbst in Stammheim in Isolationshaft saß, bewohnte Mohamed die Nachbarzelle. In den Monaten dort sahen wir uns kein einziges Mal, denn jeder von uns durfte die Zelle jeweils nur alleine und unter Bewachung mehrer Wärter verlassen, aber wir konnten uns von Fenster zu Fenster verständigen.

Die Isolationshaft bedeutet, dass Mohamed im Grunde 23 Stunden des Tages alleine in der Zelle verbringt und auch die eine Stunde Spaziergang im Knasthof pro Tag muss er alleine absolvieren. Über die zerstörerische Wirkung von Einzelhaft wurde schon viel geschrieben, aktuell z.B. im Zusammenhang mit Guantánamo, dem US-Lager für angebliche Terrorverdächtige auf Kuba.

Mohamed freut sich sicherlich über Solidaritätspost, wobei seine Post, bevor er sie erhält, vom Gericht gelesen wird. Seine Adresse:
Mohamed Abu Dhess, zur Zeit JVA, Rochusstraße 350, D-50827 Köln, Deutschland

Es heißt so treffend: Solidarität ist eine Waffe! Solidarität ist in diesem Fall umso wichtiger, weil sich die Generalbundesanwaltschaft maßgeblich auf einen Kronzeigen, der sich selbst als Leibwächter Osama Bin Ladens ausgibt, stützt. So mager die tatsächlichen Beweise sind, umso farbenprächtiger sind die Aussagen des Zeugen, der für seine Aussagefreudigkeit 2003 mit einem günstigen Strafurteil belohnt wurde. Bis mindestens April 2005 wird Mohameds Prozess noch andauern.

Thomas Meyer-Falk, zur Zeit JVA Bruchsal, Deutschland
www.freedom-for-thomas.de

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